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Der Swiss Market Index (SMI) war zuletzt mit "angezogener Handbremse" unterwegs. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die vergangenen fünf Handelstage mal wieder faustdick hinter den Ohren hatten. Bei einzelnen Aktien waren prozentual zweistellige Kursbewegungen schon beinahe an der Tagesordnung.

Es war den drei Schwergewichten Nestlé, Roche und Novartis zu verdanken, dass der SMI noch immer in etwa auf dem Schlussstand von letztem Freitag notiert. Alle drei stossen gerade in angelsächsischen Börsenkreisen vermehrt wieder auf Zuspruch.

Die Genussscheine von Roche erwiesen sich dem SMI in den letzten Tagen als wertvolle Stütze (Quelle: www.cash.ch)

Man braucht jedoch keine 30 Jahre an der Börse verbracht zu haben, um erahnen zu können, dass es sich hierbei bloss um taktische Geplänkel handelt. Für gewöhnlich werden die Schwergewichte von internationalen Grossinvestoren für einige wenige Wochen als "sicherer Hafen" missbraucht – nur um danach gleich wieder fallengelassen zu werden.

Während es unternehmensseitig ruhig um Nestlé, Roche und Novartis war, hätten sich die nicht gerade erfolgsverwöhnten Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse etwas mehr Ruhe wohl gewünscht. Sie ereilte vor wenigen Tagen nämlich eine weitere Hiobsbotschaft. Die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken erlitt auf den Bermudas eine Niederlage vor Gericht – was sie umgerechnet knapp 500 Millionen Franken kosten könnte. In der Vergangenheit wurden zwar schon Rückstellungen gebildet. Dennoch prüft das Unternehmen nun, ob weitere Rückstellungen getätigt werden müssen.

Bis zu 500 Millionen Franken verschollen im Bermuda-Dreieck, titelte die Zürcher Kantonalbank an diesem Tag etwas sarkastisch. Analyst Michael Kunz stösst sich nicht an den finanziellen Folgen des Gerichtsurteils. Denn diese wären ohne weiteres verkraftbar. Vielmehr kritisiert er die Art und Weise, wie die Credit Suisse rund um den Prozess auf den Bermudas kommunizierte. Sein Fazit: Solche Neuigkeiten seien der Aussenwahrnehmung der Grossbank nicht gerade zuträglich und dürften nur bedingt förderlich sein, endlich Ruhe ins Tagesgeschäft zu bringen.

Bei dieser Nachrichtenlage darf man es Roche-Chef Severin Schwan nicht übelnehmen, wenn er sich als Vizepräsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse nicht zur Wiederwahl aufstellen lässt. Interessant ist übrigens, dass Mirko Bianchi in den Verwaltungsrat nachrücken soll. Bianchi ist ausgerechnet bei derjenigen Bank als Finanzchef tätig, der vor wenigen Wochen gerüchteweise Übernahmegelüste nachgesagt wurden: Unicredit. Alles bloss ein dummer Zufall...?

Kommen wir nun aber auf Meyer Burger zu sprechen. Dass das Solarunternehmen fürs Übergangsjahr 2021 ein eher schwaches Ergebnis vorlegen würde, galt sowohl in Analysten- als auch in Marktkreisen als ein offenes Geheimnis. Umso mehr überrascht, dass selbst die pessimistischsten Schätzungen klar verfehlt wurden. Während sich der Jahresumsatz auf 39,9 Millionen Franken halbierte, türmte sich ein Verlust von mehr als 100 Millionen Franken auf. Erhebungen der Nachrichtenagentur AWP zufolge waren Analysten durchschnittlich von einem Verlust in Höhe von nur 65,5 Millionen Franken bei einem Jahresumsatz von 76,8 Millionen Franken ausgegangen.

Und auch wer sich überarbeitete Zielsetzungen erhofft hatte, wurde enttäuscht. Da das Solarunternehmen den Ausbau der Produktionskapazitäten gegenüber den ursprünglichen Plänen beschleunigen will, bittet es die Aktionärinnen und Aktionäre diesbezüglich noch um Geduld. Die neuen Zielsetzungen werden wohl erst am 22. August kommuniziert – dann gemeinsam mit dem Halbjahresergebnis.

Zur Erinnerung: Ursprünglich wollte Meyer Burger im kommenden Jahr 550 Millionen Franken oder mehr umsetzen und darauf eine operative Marge (EBITDA) von mindestens 25 Prozent erzielen.

Böse Zungen würden da behaupten, das Unternehmen spiele bloss auf Zeit.

Analyst Dani König von Mirabaud Securities bringt es in einem mir zugespielten Kommentar auf den Punkt: Er begrüsst die Beschleunigung der Expansionspläne zwar grundsätzlich, räum gleichzeitig aber ein, dass diese noch nicht greifbar genug seien. An seiner Kaufempfehlung sowie am Kursziel von 80 Rappen für die Aktien von Meyer Burger hält er dennoch fest.

Ganz unter uns gesagt: Auch ich hätte mir konkretere Anhaltspunkte in Bezug auf die künftige Geschäftsentwicklung erhofft. Umso mehr überrascht mich das anschliessende Kursfeuerwerk – welches ich den Aktionärinnen und Aktionären ohne jede Frage von Herzen gönne.

An dieser Stelle seien mir noch kurz ein paar Worte zur erst kürzlich bekanntgewordenen Beteiligungsreduktion durch die Grossaktionärin Swisscanto erlaubt. Diese hat sich beim Solarunternehmen von Aktien getrennt. Als Verkäuferin zu erkennen geben musste sie sich, weil im Zuge dessen der meldepflichtige Schwellenwert unterschritten wurde.

Im Wissen, dass die Fondstochter der Zürcher Kantonalbank im Februar bei Kursen unter 35 Rappen kräftig zugekauft hatte, kann man ihr keinen Vorwurf machen, wenn sie wenige Wochen später und 10 Kursrappen höher erste Gewinne einfährt...

Bei Temenos sind seit dem gestrigen Donnerstag wieder auffällige Derivatkäufe zu beobachten. Diese scheinen sich vor allem auf den Call-Warrant TEMCJB zu konzentrieren. Da fragt sich doch: Was weiss der Käufer, was wir Normalsterblichen nicht wissen?

Zeitnah trifft nämlich eine Kurszielreduktion auf 95 (zuvor 110) Franken aus dem Hause Morgan Stanley ein. Die amerikanische Investmentbank stuft die Aktien der Genfer Bankensoftware-Schmiede wie bis anhin mit "Underweight" ein, was einer Verkaufsempfehlung gleichkommt. Die Bank of America zieht mit und senkt ihr Kursziel auf 93 (116) Franken mit "Underperform".

Die Aktie von Temenos konnte zuletzt kräftig Boden gutmachen (Quelle: www.cash.ch)

Dass die Derivatkäufe wieder Übernahmespekulationen wecken könnten, glaube ich nicht – verfällt der Call-Warrant TEMCJB doch erst im März nächsten Jahres. Meines Erachtens nicht unbedingt das richtige Derivat, um sich etwa auf einen bevorstehenden Verkauf von Temenos ins Ausland hin in Position zu bringen.

Mut bewies diese Woche Goldman Sachs. In einer 52 Seiten starken Studie zu den europäischen Chemieherstellern stufte die amerikanische Investmentbank die Aktien von Clariant mit einem 12-Monats-Kursziel von 20,10 (zuvor 22,80) Franken von "Neutral" auf "Buy" herauf.

Analystin Georgina Fraser und ihre Mitautorinnen sehen in Clariant einen der Gewinner steigender Energieinvestitionen. Ausserdem erachten sie den Baselbieter Spezialitätenchemiehersteller dank seines Standbeins im Bereich Natural Resources besser für das sich eintrübende Wirtschaftsumfeld gerüstet als manch anderer Rivale.

Dass bei Clariant noch immer eine Untersuchung rund um die Buchführungspraktiken der letzten Jahre läuft, wird in der besagten Studie nirgends erwähnt. Selbst in der Passage, in der Fraser und ihre Mitautorinnen auf die Risiken eingehen, sucht man vergeblich nach einem Hinweis. Da werden nur Risikofaktoren wie etwa eine einschneidende Verschlechterung des Wirtschaftsumfelds, stark fallende Ölpreise oder eine Verschlechterung der Beziehungen zum saudischen Ankeraktionär Sabic aufgeführt.

Da frage ich mich doch, ob die Probleme der Baselbieter bei der Buchführung nicht unbemerkt an den Analystinnen von Goldman Sachs vorbeigingen?

Vielleicht wissen wir ja nächsten Freitag mehr, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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