Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Schon seit Monaten mache ich frühmorgens immer wieder dieselbe Beobachtung: An gewissen Tagen wird schon vor Beginn der regulären Börsensitzung rege mit Derivaten herumspekuliert. Am Freitag etwa galt das Interesse den Call-Warrants CFRDJB auf Richemont, RIZBJB auf Rieter und TECCJB auf Tecan sowie dem Put-Warrant VPUVJB auf VAT Group.

Dass diese vier Unternehmen und indirekt auch ihre Aktien involviert waren, ist kein Zufall. Während beim Luxusgüterhersteller Richemont dank starker Zahlen bei Branchenprimus LVMH von steigenden Kursen ausgegangen werden durfte, liess der vorsichtige Ausblick des Chipgiganten Intel vom Vorabend bei den hiesigen Halbleiterausrüstern wie der VAT Group rückläufige Notierungen erahnen. Beim Laborausrüster Tecan wiederum zogen die ermutigende Entwicklung des ähnlich gelagerten Geschäfts bei der deutschen Sartorius und bei Rieter eine Heraufstufung von "Hold" auf "Buy" bei einem Kursziel von 110 (zuvor 100) Franken durch Stifel spekulative Käufe nach sich.

Vorbörslich erst recht was los war am vergangenen Dienstagmorgen. Durch üppige Umsätze machten neben den Call-Warrants AVOAJB auf Avolta, SCHUBJB auf Schindler und SIKLJB auf Sika auch die Put-Warrants HUPAJB auf Huber+Suhner und der Put-Warrant UHPAJB sowie der Short Mini-Future MUHAUV auf Swatch Group auf sich aufmerksam – von den beiden Mini-Futures MDADHV und MDAEAV auf den Deutscher Aktienindex (DAX) gar nicht erst zu sprechen. Tags darauf erfreuten sich dann die Call-Warrants COTWJB auf Comet, BARCJB auf Barry Callebaut sowie VAZEJB auf VAT Group einer regen Nachfrage.

Die Aktien von Richemont verspüren wieder Rückenwind (Quelle: www.cash.ch)

Eigentlich wird schon seit Jahren vorbörslich munter drauflos spekuliert. Noch viel mehr sogar, wenn wie in diesen Tagen Unternehmensergebnisse anstehen. Dass man sich mehrheitlich in Derivaten der Bank Julius Bär tummelt, dürfte wohl kein Zufall sein. Denn schliesslich orchestriert die Zürcher Bank hierzulande ja den vorbörslichen Handel.

Apropos: Bei mir gehen immer mal wieder kritische Fragen meiner Leserinnen und Leser rund um die vorbörslichen Kursindikationen ein. Dass die Kursentwicklung einiger Aktien kurz nach Aufnahme des regulären Handels teils völlig andere Vorzeichen aufweisen, stösst auf allgemeines Unverständnis.

Zuerst möchte ich vorausschicken, dass die Preisfindung an den Aktienmärkten keine exakte Wissenschaft ist. Eintreffende Neuigkeiten erscheinen auf den ersten Blick oft anders als dann bei genauerem Hinschauen. Eine weitere Erklärung für dieses Phänomen liefert die grosse Spannweite zwischen den vorbörslichen Geld- und Briefkursen. Diese im Fachjargon auch Spread genannte Differenz beträgt meist mehrere Prozent. Die Finanzmedien orientieren sich jedoch am rechnerischen Mittelkurs zwischen Geld und Brief. Daran ist eigentlich nichts falsch. Doch auch dadurch kommt es regelmässig zu Verzerrungen. Lange Rede, kurzer Sinn: Der Bank Julius Bär kann man jedenfalls keinen Vorwurf machen.

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Holcim-Chef Jan Jenisch zieht sich aus seinem Doppelmandat an die Spitze des Verwaltungsrats zurück. Dass für ihn der bisherige Europa-Chef Miljan Gutovic nachrückt, überrascht mich nicht. Er galt schon eine ganze Weile als Kronfavorit. Ausserdem war der Manager schon am diesjährigen World Economic Forum (WEF) in Davos so allgegenwärtig wie selten zuvor. Der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber etwa gab er ein umfassendes Interview zum Thema ergänzende Firmenübernahmen – als wolle man ihn im Hinblick auf das, was kommen würde, ganz bewusst medial in Szene setzen.

Gleichzeitig kommt es beim Baumaterialienhersteller aus Zug zum Paukenschlag: Das Nordamerika-Geschäft – dieses trägt umgerechnet gut 10 Milliarden Franken zum Jahresumsatz bei – soll verselbständigt und an die dortige Börse gebracht werden.

Grosse Neuigkeiten sorgen bei den Aktien von Holcim für grosse Kursbewegungen (Quelle: www.cash.ch)

Bei einer überwältigenden Mehrheit der Analysten stossen die Pläne auf Zustimmung. Anders als in den übrigen Weltregionen brauche es dort eine klar vorwärts gerichtete Wachstumsstrategie, so der Tenor. Diese Zustimmung mag auch damit zu tun haben, dass es kaum eine Bank gibt, welche die Aktien von Holcim nicht zum Kauf anpreist. Zumindest ein bisschen Eigennutzen schwingt da durchaus mit.

Mittlerweile mischen sich vereinzelt aber auch kritischere Stimmen unter die Analystenkommentare. So bezeichnet Jefferies-Analystin Glynis Johnson die Abspaltung als ein Nullsummenspiel. Ihr Berufskollege Pierre Rousseau bei der britischen Barclays geht sogar noch einen Schritt weiter und unterstellt den Plänen ein eher fragwürdiges Chancen-Risiko-Verhältnis.

Einerseits hegt er Zweifel an der Schaffung zusätzlicher Aktionärswerte, andererseits warnt er vor zusätzlichen Kosten sowie vor möglichem Verkaufsdruck für die Aktien der verbleibenden Gruppe. Der Barclays-Analyst stuft die Valoren deshalb wie bis anhin nur mit "Equal Weight" ein.

Wie so oft bei Projekten von dieser Grössenordnung steigt oder fällt die Schaffung zusätzlicher Aktionärswerte mit der Umsetzung. Holcim hat jedoch schon beim damaligen Verkauf des Indien-Geschäfts unter Beweis gestellt, dass man solchen Projekten durchaus gewachsen ist. Deshalb vermutlich auch die kursseitigen Vorschusslorbeeren, welche die Aktien seit gestern Montag einheimsen.

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