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Noch vor einer Woche sah alles danach aus, als ob die Aktienmärkte die Talsohle nach langen und verlustreichen Monaten durchschritten hätten. Es war, als ob die Leitbörse in New York auch den hiesigen Marktakteuren mit einem fulminanten Kursfeuerwerk den Mund wässrig machen wollte.

Mehr als ein Strohfeuer war dieses Aufbäumen dann aber nicht. Anschlusskäufe blieben aus und auch der Schweizer Aktienmarkt gab einen guten Teil seiner Kursavancen wieder preis. Nur den drei Schwergewichten Nestlé, Roche und Novartis ist es zu verdanken, dass der breit gefasste Swiss Performance Index (SPI) noch nicht wieder unter das bisherige Jahrestief fiel.

Eigentlich hätte man erahnen können, dass die Stimmungsaufhellung nicht von Dauer sein wird. Anhaltspunkte gab es rückblickend genügend, sofern man denn etwas genauer hinschaute. Ich erinnere mich etwa an einen Kommentar aus den Federn der Strategen der Citigroup, wonach die Statistiken an der New Yorker Börse keine Bestandeszunahme bei Aktien-Futures zeigen würden. Das wiederum deute unmissverständlich auf eine grundlegende Skepsis dortiger Profi-Anleger hin. Hinterher ist man immer schlauer.

Wie Chefdenker Chris Potts von Kepler Cheuvreux ergänzt, könnte uns die "Schaukel-Börse" der letzten Wochen noch bis weit in den Sommer hinein begleiten. Er selbst rechnet dabei sogar mit prozentual zweistelligen Kursbewegungen, was wohl eher einer "Börse der Extreme" gleichkäme. Klingt nach einem ziemlichen Paradies für kurzfristig orientierte Marktakteure – sofern denn das Timing stimmt.

Eigenen Aussagen zufolge wird sich Potts übrigens beruflich neu ausrichten und nicht länger in der Funktion des Strategen für Kepler Cheuvreux tätig sein. Ein herber Verlust, wie ich finde.

Wenden wir uns nun aber dem hiesigen Börsengeschehen zu. In weniger als zwei Wochen läuft hierzulande die Unternehmensberichterstattung fürs zweite Quartal an. Und mit ihr naht die Stunde der Wahrheit. Schon die ersten Zahlenkränze werden wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, ob und welchen Firmen es auch im zweiten Quartal möglich war, Kostenschub über Preiserhöhungen an die Abnehmer weiterzugeben. Die Akzeptanz war zumindest zwischen Januar und März verblüffend gross, wie sich zeigte.

Neu ist, dass sich zum Teuerungsschub immer öfter auch Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Wachstumsschwäche gesellen. Das Schreckenswort heisst Stagflation – sprich die Kombination aus steigenden Preisen trotz rückläufiger Wirtschaftsleistung. Und diese Kombination stellt auch die hiesige Unternehmenslandschaft vor grosse Herausforderungen.

Zum Thema Unternehmensberichterstattung hielt ich zur Wochenmitte wie folgt fest:

Wenn es neben den Stagflationsängsten so etwas wie ein dominierendes Thema gab, dann die Welle an einschneidenden Kurszielreduktionen, welche über den Schweizer Aktienmarkt hereinbrach. Die Welle ins Rollen brachte zu Wochenbeginn die berüchtigte Analystin Marta Bruska von der Berenberg Bank. Sie holte gleich bei fünf Industrieperlen zum Rundumschlag aus und nahm teils einschneidende Anpassungen in ihren Bewertungsmodellen vor. Während es bei den Valoren von Bucher, Inficon und Bossard bei "blossen" Kurszielsenkungen blieb, sah sich die Analystin bei jenen von VAT Group und Belimo gar gezwungen, ihre Kaufempfehlungen in Frage zu stellen.

Auf die Berenberg Bank folgte im weiteren Wochenverlauf die Bank Vontobel mit nicht weniger einschneidenden Kurszielreduktionen für die Aktien von VAT Group, Inficon und Sika – wobei die Zürcher Bank nur jene von Sika und der VAT Group zum Kauf anpreist.

Berüchtigte Analystin holt gleich bei fünf Schweizer Aktien zum Rundumschlag aus

Doch auch die beiden Stifel-Analysten Tobias Fahrenholz und Michael Inauen zückten den dicken Rotstift. Sie kürzten am Donnerstag mal eben schnell ihre Kursziele für die Valoren von Bossard (von 245 auf 200 Franken), Comet (von 380 auf 290 Franken) und SFS Group (von 144 auf 105 Franken, gefolgt von Schweiter (von 1400 auf 1200 Franken) am heutigen Freitag. Dem ganzen liegen in allen drei Fällen auch tiefere Gewinnerwartungen zugrunde. Ein Kauf sind für den Broker nur gerade die Aktien von Comet und Schweiter.

Was liessen sich die Banken und ihre Analysten in den letzten Jahren doch nicht alles einfallen, um in steigenden Märkten mit immer noch höheren Kurszielen aufwarten zu können? Da wurden liquide Mittel aus den Bewertungsmodellen verbannt, dafür aber weit in der Zukunft liegende Ergänzungskäufe, Aktienrückkaufprogramme oder Sonderdividenden in die Modelle miteingebaut. Jedes Mittel schien opportun, um nochmals höhere Kurse rechtfertigen zu können.

Nun, da viele dieser Aktien 40 Prozent und mehr unter ihre Höchstkurse gefallen sind, werden dieselben Kursziele wieder zusammengestrichen – sei es nun aufgrund tieferer Gewinnerwartungen oder aber wegen dem gestiegenen risikofreien Zinssatz.

Dass ein Euro zuletzt weniger als einen Franken kostete, ging angesichts der Börsenturbulenzen der letzten Tage fast ein bisschen unter. Allerdings schaute die Schweizerische Nationalbank (SNB) nicht tatenlos zu, als die europäische Einheitswährung gestern Donnerstag vorübergehend in die Nähe von 0,9950 Franken fiel und dabei das langjährige Tief vom März bei 0,9970 unterschritt.

Entwicklung des Euro-Franken-Kurses seit Mittwochabend (Quelle: www.cash.ch)

Mit ihrem Einschreiten erwischte die SNB insbesondere die Währungsstrategen der Credit Suisse auf dem falschen Fuss, hatten diese selbentags doch verlauten lassen, dass nicht länger mit Fremdwährungskäufen zu rechnen sei.

Nicht vorenthalten möchte ich meinen Leserinnen und Leser die neusten Berechnungen der VP Bank. Die Privatbank aus Liechtenstein kommt beim Euro gegen Franken auf Basis der Kaufkraftparität neuerdings nur noch auf einen Gleichgewichtskurs von 90 Rappen. Mit anderen Worten: Darf man der VP Bank Glauben schenken, dann ist der Franken selbst jetzt noch immer unterbewertet.

Ich schrieb vergangene Woche folgendes zum Thema SNB:

...und...

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass auch ich in den letzten Jahren nicht mit Kritik an die Adresse der SNB und ihrer Geldpolitik gegeizt habe. Umso mehr begrüsse ich sehr, dass sie endlich aus dem übergrossen Schatten der Europäischen Zentralbank (EZB) hervortritt.

Ob unsere Währungshüter auch weiterhin gegen den starken Franken intervenieren müssen, wissen wir spätestens am kommenden Freitag, wenn es zum letzten Mal vor meinen Sommerferien heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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