cash.ch Die Bilanz der letzten zwei Monate ist durchzogen, der Bitcoin dümpelt unter dem Allzeithoch vor sich hin. Ist das ein Vorbote für noch weiter sinkende Krypto-Kurse?

Adrian Fritz: Vorerst ist weiterhin etwas Konsolidierung angesagt. Der Bitcoin-Preis und der Kryptomarkt insgesamt zeigen ein bisschen Schwäche, es fehlt der nächste grosse Narrativ. Viele positive Nachrichten wie die «Digital Asset Treasury Companies», neue ETFs und deren Lancierung, sind bereits eingepreist. Das gilt auch auf makroökonomischer Ebene für Zinssenkungen. Das hat man am vergangenen Mittwoch nach dem Fed-Meeting mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte gesehen. Ein verhaltender Kommentar zu weiteren Zinssenkungen von Fed-Chef Jerome Powell reichte aus, um den Bitcoin auf Talfahrt zu schicken. Die Konsolidierung dürfte sich vor dem nächsten Aufschwung also hinziehen. 

In Amerika haben sich die Privatanleger aus dem Kryptomarkt verabschiedet. Ist das ein Problem?

Interessanterweise stellen wir das auch in der Schweiz fest, auch wenn wir das nicht mit Zahlen unterlegen können. Generell waren die Privatanleger bei der ganzen Krypto-Rallye über die letzten zwei Jahre eigentlich nie wirklich dabei. Natürlich ist bei den ETF-Zuflüssen der Grossteil immer noch Retail, aber der Hype, den wir in den letzten zwei Zyklen beobachtet haben, findet derzeit nicht statt.

Ist das ein schlechtes oder gutes Omen?

Einerseits wird der Markt reifer und institutioneller. Auf der anderen Seite haben sich viele Investierende eine weitere, grosse Rally nach oben erhofft. Diese ist nicht eingetreten.

Also hat die jüngste Bandbreite beim Bitcoin zwischen 103'000 und 125'000 Dollar weiter Bestand?

Wir beobachten derzeit die grosse Debatte, ob der Vierjahreszyklus beim Bitcoin noch besteht oder nicht. Und viele haben gesagt, jetzt werde sich das mit den regulatorischen Änderungen in den USA, den neu lancierten ETFs, den Digital Asset Treasuries zusammen mit den makroökonomischen Rückenwinden zu einer neuen Hausse entwickeln. Aber wenn man die letzten zwei Zyklen oder die letzten drei übereinanderlegt, dann findet die Korrektur, genau wie eine Schweizer Uhr, wieder zum gleichen Zeitpunkt statt. Deswegen ist es wirklich spannend zu sehen, ob der Zyklus gebrochen ist oder ob es schneller als erwartet noch weiter nach oben über das bisherige Allzeithoch hinausgeht. 

In den letzten vier Zyklen waren die Kurskorrekturen jeweils massiv grösser als im Oktober 2025. Kann das wieder passieren?

Wir gehen nicht davon aus. Es wird immer wieder zwischenzeitliche Kursrückgänge geben, ganz klar. Aber diese Korrekturen werden nicht mehr in dem Ausmass sein wie zum Beispiel 2021, als der Bitcoin von fast 70'000 auf 15'000 Dollar fiel. Vielmehr nimmt die Volatilität beim Bitcoin weiter ab, weil wir mit den ETFs viel mehr Liquidität im Markt haben. Mittlerweile ist die Schwankungsanfälligkeit im Bitcoin teilweise geringer als in vielen US-Technologieaktien oder im S&P 500 Index. Das Gerücht des volatilen Bitcoins wird irgendwann aussterben.

Bei den Altcoins wie Ethereum, Solana oder XRP scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Der Flash-Crash vor zwei Wochen hatte heftige Kursstürze mit sich gebracht. Ist das ein Einzelereignis?

Man kann nicht alle Altcoins über den gleichen Kamm scheren. Bei den grösseren Blue-Chip-Altcoins wie Ethereum oder Solana wird die Volatilität langfristig ebenso sinken wie beim Bitcoin. Aber für die ganzen langfristig als attraktiv eingestuften Crypto-Assets bleibt die Volatilität für eine Weile bestehen. Dies, weil das Risiko viel grösser ist. Da fehlt oft die Liquidität, da fehlt die Marktinfrastruktur und wir haben gesehen, wie viele von diesen Altcoins einfach komplett gecrasht haben. Es werden sich nicht alle davon erholen. Das spricht auf der anderen Seite für den Markt, der reifer wird. Wir sehen kleinere Rallys in Altcoins, basierend auf spezifischen Narrativen, aber nicht mehr diese ganz grosse Altcoin-Rally, wo jeder Altcoin in ungeahnte Höhe steigt. 

Ein Grossteil der Altcoins wird in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden?

99 Prozent aller Crypto-Assets sind nicht für Anlegerinnen und Anleger geeignet und werden irgendwann aussterben. Das sollte aber nicht immer überschatten, wie viel coole Innovationen in diesem Bereich stattfinden. Einige Altcoins werden noch grösser werden. Gesamthaft leidet aber ein Grossteil der Altcoins und das dürfte auf absehbare Zeit so bleiben.

Einige Altcoins wie Chainlink, Solano, Tron oder XRP haben sich gut gehalten. Das sind alles Altcoins, die Geld verdienen. Ist die Zukunft bei den Altcoins dort, wo Geld verdient wird?

Ja, hundert Prozent. Irgendwann kommen die Fundamentaltaten zurück - vor allem langfristig betrachtet. Selbst nach kurzfristigen Spekulationsphasen werden sich diejenigen Altcoins langfristig durchsetzen, welche mit ihren Protokollen Einnahmen generieren. So hat sich zum Beispiel auch Hyperliquid gut gehalten sowie Solana, Ethereum oder Chainlink. Da steht wirklich etwas dahinter.

Kann Ethereum gegenüber Bitcoin weiter aufholen?

Das ist schwer zu sagen, weil beide komplett verschiedene Wertversprechen haben und der Fokus bei Bitcoin und Ethereum komplett anders ist. Das Sorgenkind Ethereum hat zum Glück aufgeholt, da viele Institutionen an der Wall Street Ethereum als ein robustestes Netzwerk anerkennen, wenn es um «Smart Contracts» geht. Bei der Tokenisierung und den Stable Coins hat Ethereum ebenfalls zugelegt. Diese zwei Bereiche bleiben wichtig und dementsprechend dürfte Ethereum und Solana am meisten davon profitieren. Beim Bitcoin erwarten wir auf der anderen Seite eine Catch-Up-Trade im Vergleich zum Goldpreis. Bitcoin wird sich als digitaler Wertspeicher etablieren, aber da muss man halt herauszoomen und das langfristig betrachten.

Über das letzte Jahr hat der Bitcoin um 50 Prozent zugelegt. Liegt eine solche Rally auch zukünftig noch drin?

Generell werden die Rallys in den etablierten Kryptowährungen kleiner, aber für Bitcoin liegen 50 Prozent immer noch drin. Die Story von Bitcoin hat sich weltweit noch nicht so hundertprozentig etabliert. Zwar ist die Adoption weiter fortgeschritten, aber da ist noch so viel Luft nach oben. Wer sich vor der schleichenden Entwertung des Dollars oder des Euros schützen will, kommt um den Bitcoin nicht herum. Fiat-Gelder verlieren langfristigen Wert. Dieser Punkt wird immer wichtiger und wird auch über die nächsten Jahre nicht verschwinden.

Bitcoin ist auf 21 Millionen Stück begrenzt. Das hilft?

Ein unabhängiger Wertspeicher gegenüber zentralisierten Systemen wird für Anlegerinnen und Anleger immer wichtiger. Irgendwann wird es zu diesem «Supply Squeeze» kommen, weil die Nachfrage nach Bitcoin zu gross wird. Dann liegen diese 50 Prozent drin. Deshalb sind wir kurzfristig wegen der aktuellen Konsolidierungsphase insgesamt weiter neutral und eher vorsichtig eingestellt. Für das nächste Jahr bis Ende 2026 sowie darüber hinaus sind wir aber weiter positiv gestimmt. An dieser Position hat sich eigentlich auch nichts verändert.

Thomas Daniel Marti
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