Électricité de France hat ihre grünen Finanzierungsregeln aktualisiert, um Kernenergie einzubeziehen, nachdem die Europäischen Union dafür gestimmt hatte, bestimmte Kernenergieprojekte als nachhaltig einzustufen. Nach Angaben von NatWest Markets, einem der zehn grössten Arrangeure von Umweltanleihen, führen auch andere Unternehmen Gespräche mit Investoren zu diesem Thema.

Obwohl Kernenergie auf dem Papier dank niedriger CO2-Emissionen nun als grün definiert wird, bleibt sie umstritten. Einige ethisch orientierte Fonds wollen sie weiterhin boykottieren. EDF sagte, man werde zwischen grünen Anleihen unterscheiden, die zur Finanzierung von Projekten im Bereich Kernenergie dienen und solchen, die das nicht tun. Es gibt hier also in Zukunft zwei Klassen von Anleihen.

Kontroverse hat viele Gründe

“Es ist wahrscheinlich, dass wir in den nächsten 12 Monaten eine europäische grüne Anleihe sehen werden, die Nuklearprojekte finanziert, sowie grüne Anleihen, bei denen Kernenergie eine von mehreren Energiequellen ist, die finanziert werden”, sagte Arthur Krebbers, Leiter des Bereichs Corporate Climate and ESG Capital Markets bei NatWest. Das sei “kein Blankoscheck für Kernkraft und Gas”, denn es gebt umfangreiche Umweltkriterien und Sicherheitsvorkehrungen, die eingehalten werden müssten.

Die Kontroverse um “grüne” Kernkraft hat viele Gründe: die ungeklärte Abfallentsorgung, das Thema waffenfähiges Material und das Risiko einer versehentlichen Verstrahlung. Historische Katastrophen von Tschernobyl über Three Mile Island bis Fukushima erschweren die Akzeptanz dieser Energiequelle.

Der zwiespältige Status der Kernenergie spiegelt sich in der Aussage der EDF wider, dass die Erlöse aus grünen Anleihen zur Finanzierung von Kernenergie in einem separaten Portfolio verwaltet werden sollen. Etwa 8 Milliarden Euro könnten für grüne Finanzierung in Frage kommen.

“Wir berücksichtigen bestimmte Investoren, die nicht bereit sind, in Kernenergie zu investieren”, sagte ein EDF-Sprecher gegenüber Bloomberg. “Sie werden immer die Wahl haben, ausschliesslich in ‘klassische’ grüne Anleihen wie erneuerbare Energien und Wasserkraftprojekte zu investieren.”

Netto-Null-Energieversorgung

Der kanadische Energieversorger Bruce Power verkaufte letztes Jahr die nach eigenen Angaben weltweit erste grüne Anleihe für Kernkraftwerke. Anfang dieses Monats folgte die Ontario Power Generation. 

Es dürfte viele Käufer geben. Rund 60 Prozent der von Barclays befragten Anleger gaben an, dass sie bereit wären, grüne Anleihen zur Finanzierung von Kernkraftwerken zu kaufen, wobei die Europäer unter den Befragten am zurückhaltendsten waren. Die Energiekrise in Europa nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine macht sie attraktiver.

“Wir sind uns der Komplexität in Bezug auf nukleare Abfälle, Sicherheit und Kosten bewusst, wollen aber alle Möglichkeiten ausloten, um eine Netto-Null-Energieversorgung zu ermöglichen und sind daher vorsichtig positiv gegenüber Kernenergie als Überbrückungsbrennstoff”, so Scott Freedman, ein in London ansässiger Fondsmanager bei Newton Investment Management.

Verlust der biologischen Vielfalt

Diese Einstellung variiert je nach Region - was sich in entsprechenden Auseinandersetzungen unter den EU-Mitgliedstaaten widerspiegelt. Eine letzten Monat veröffentlichte Umfrage von Natixis ergab, dass Investoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz besonders geringe Ambitionen haben, der Branche Geld zur Verfügung zu stellen, da diese Länder seit jeher gegen Atomenergie sind.

Der milliardenschwere Rathbone Ethical Bond Fund etwa gehört zu denjenigen, die Kernenergie ausschliessen. Eine grüne Anleihe von EDF, die keine Kernenergie finanziert, könnte grundsätzlich akzeptabel sein, so Fondsmanager Bryn Jones.

“Wir bestreiten nicht, dass Kernenergie eine kohlenstoffarme Stromquelle ist”, so Jones. “Die Klimakrise ist jedoch nicht die einzige, mit der unsere Welt konfrontiert ist; der Verlust der biologischen Vielfalt ist ein weiteres kritisches und oft übersehenes Risiko. Wir sind nicht davon überzeugt, dass es möglich ist, Kernkraftwerke zu betreiben und Abfälle über lange Zeiträume zu lagern, ohne dass es zu nennenswerten Auswirkungen auf die Umwelt kommt.”

(Bloomberg)