Angesichts der anhaltend hohen Inflation rechnen Fachleute inzwischen mehrheitlich mit einer Anhebung des Leitzinses um 0,75 Prozentpunkte - dies ist ein aggressiverer Zinsschritt, als er noch vor einigen Wochen erwartet worden war und wäre die stärkste Anhebung seit der Einführung des Euro als Buchgeld im Jahr 1999.
Doch noch herrscht aktuell ein - recht kleiner - Rest an Unsicherheit: Ein geringerer Zinsschritt um 50 Basispunkte wäre laut Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners eine positive Überraschung für die Börsen. Denn am Markt wird befürchtet, dass die steigenden Zinsen das Wirtschaftswachstum abwürgen. Umgekehrt ist die hohe Inflation jedoch noch schädlicher.
"Unabhängig davon, welche Entscheidung heute getroffen wird, muss EZB-Präsidentin Christine Lagarde sicherstellen, dass ihre Botschaften klar sind", schrieb deshalb Börsenkenner Michael Hewson von CMC Markets UK.
Auch die Pariser Börse zeigte sich zuletzt nur wenig bewegt, der Cac 40 notierte moderat im Plus. An der Londoner Börse, die am Vortag gegen den Trend unter Rezessionssorgen und Verlusten im Öl- und Bergbausektor gelitten hatte, konnte sich der Leitindex FTSE 100 ebenfalls etwas erholen.
Europaweit profitierten vor allem die zinsempfindlichen Bank- und Versicherungswerte von dem nahenden EZB-Entscheid: Im EuroStoxx 50 sicherten sich etwa Axa mit einem Aufschlag von knapp 1,7 Prozent den Spitzenplatz. Bei den Banken im Index taten sich ING und BNP Paribas mit den höchsten Gewinnen um jeweils rund ein Prozent hervor.
Bei den Einzelwerten fielen besonders die Papiere von AB Foods in London mit einem Abschlag von mehr als sieben Prozent negativ auf. Wegen der rasanten Teuerung und der eingetrübten Konsumstimmung hatte der Mischkonzern die Anleger zuvor auf einen Gewinnrückgang für das kommende Geschäftsjahr eingestimmt.
Atos-Aktien kamen nach einer Verkaufsempfehlung der US-Bank Goldman Sachs unter die Räder, die Papiere des französischen IT-Dienstleisters knickten um mehr als 14 Prozent ein. Goldman-Analyst Mohammed Moawalla stellte Atos eine maue Finanzprognose für die kommenden eineinhalb Jahre aus und bezeichnete die Umbaupläne der Firma als "ehrgeizig".
In der Schweiz profitierten hingegen Roche-Anteile mit einem Plus von knapp einem Prozent von einer Kaufempfehlung der Jefferies-Experten. Für den britischen Konkurrenten GSK ging der aktuelle Kursverfall weiter mit einem Minus von 0,7 Prozent. Jefferies-Analyst Peter Welford strich angesichts der Unsicherheit über den Ausgang der Rechtsstreitigkeiten für das Medikament Zantac seine Kaufempfehlung für den Titel./tav/stk
(AWP)