Die Entwicklung der Anleiherenditen gibt den Börsen weiter die Richtung vor - dies- wie jenseits des Atlantiks. Am Freitag kletterte die viel beachtete Rendite für US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren zeitweise bis auf 4,33 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 2007, kam dann aber wieder etwas zurück. Hohe Renditen für festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen schmälern ebenso wie steigende Zinsen die relative Attraktivität von Aktien.
Der anhaltende Renditeauftrieb deutet darauf hin, dass die Anleger weiterhin mit einer straffen Geldpolitik rechnen. Die US-Notenbank Fed stemmt sich bereits seit einiger Zeit gegen die hohe Teuerung, indem sie ihren Leitzins in diesem Jahr um insgesamt drei Prozentpunkte angehoben hat.
Die meisten anderen grossen Notenbanken folgen inzwischen dem Beispiel der Fed - auch die Europäische Zentralbank (EZB). Trotz der Konjunkturschwäche im gemeinsamen Währungsraum wird am Markt allgemein erwartet, dass die EZB bei der Zinsentscheidung am kommenden Donnerstag weiter entschieden gegen die hohe Inflation ankämpfen wird. Analysten rechnen im Schnitt mit einer Erhöhung der Leitzinsen um 0,75 Prozent auf dann 1,5 Prozent. Es seien zudem Hinweise auf eine weitere Anhebung im Dezember zu erwarten, ergänzte Analyst Greg Fuzesi von der US-Bank JPMorgan.
Dementsprechend mau sieht es an den Aktienmärkten weltweit aus: Ungeachtet der jüngsten Erholung verzeichnen die meisten wichtigen Indizes seit Jahresbeginn prozentual zweistellige Verluste.
Deutliche Tagesverluste verzeichneten vor diesem Hintergrund zinssensible Einzelhandels-, Immobilien- und Bautitel: Deren Subindizes >CH0019112553> im marktbreiten Stoxx Europe 600 büssten zwischen 1,8 und 3,3 Prozent ein.
Der Bauwerte-Index litt auch unter dem gut fünfprozentigen Kursverlust des schweizerischen Bauchemieunternehmens Sika . Mit den am Morgen vorgelegten Zahlen zum Geschäftsgang in den ersten neun Monaten hatte Sika zwar die Umsatzerwartungen erfüllt, etwas dahinter zurück blieben jedoch die Gewinnziffern. Der Einfluss der höheren Rohstoffpreise fiel dabei stärker ins Gewicht als gedacht.
Der Index der Konsumgüterhersteller zählte nach enttäuschenden Branchennachrichten mit minus 1,7 Prozent ebenfalls zu den grössten Verlierern im Stoxx Europe 600. Nach guten Zahlen einiger Wettbewerber enttäuschten zum Wochenausklang Adidas , Kering und L'Oreal .
Die Aktie des EuroStoxx-50-Schwergewichts L'Oreal büsste 5,8 Prozent ein, obwohl der Quartalsumsatz auf den ersten Blick besser als erwartet ausgefallen war. Haar in der Suppe war aber zum Beispiel das vergleichsweise schwache Wachstum in Asien.
Dort hat auch der Luxusgüterkonzern Kering ein Problem. Er ringt weiter mit den Folgen der strikten Corona-Massnahmen in China. Daher wuchs der Umsatz der zum Unternehmen gehörenden italienischen Modemarke Gucci im dritten Quartal nicht so stark wie von Experten erwartet, auch wenn sich die Lage im Vergleich zum zweiten Quartal etwas besserte. Die Aktie fiel um 3,3 Prozent. Schlusslicht im EuroStoxx 50 war indes der deutsche Sportartikelhersteller Adidas. Der Kurs der Aktie fiel nach einer abermals gekappten Prognose um knapp zehn Prozent auf den tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2016.
Selbst ordentliche Zahlen wurden von den Anlegern wenig goutiert. Renault-Titel schafften es nur knapp ins Plus, obwohl der Autobauer im dritten Quartal von Preiserhöhungen profitiert und seinen Umsatz deutlich gesteigert hatte. Belastet wurde der Sektor unterdessen von negativen Nachrichten des weltgrössten Herstellers Toyota . Das Unternehmen kommt wegen fehlender Elektronikchips nicht mehr um eine Kappung seiner Produktionsprognose für das Jahr herum. Die Japaner hatten schon in den vergangenen Monaten mehrfach die Monatsproduktion anpassen müssen, dabei aber das Jahresziel bisher beibehalten.
Die Titel des Brillenkonzerns EssilorLuxottica büssten trotz einer überraschend deutlichen Umsatzsteigerung dreieinhalb Prozent ein./gl/ngu
(AWP)