ETF sind im Anlagealltag gang und gäbe. Börsengehandelte Fonds gelten als relativ sichere Anlageoptionen, weil sich die meisten an Börsenindizes wie Nasdaq und SMI orientieren und Gefahr von Verlusten dank Diversifikation eingeschränkt werden kann. Doch an den US-Märkten ist momentan eine weitaus riskantere ETF-Form in aller Munde: Der Single Stock-ETF.

Diese sind bereits 2018 an den europäischen Märkten aufgetaucht und werden seither von Fondsmanagern wie Leverage Shares angeboten - Aktien- und Derivatinvestments, die mit Fremdkapital finanziert sind und eine Hebelwirkung erzielen sollen. Für den amerikanischen Handel wurden Single-Stock-ETF hingegen erst letzten Monat durch die US-Börsenaufsicht genehmigt, was die ersten dieser Anlageprodukte an die Wall Street brachte.

Beteiligung an täglicher Performance

Im Gegensatz zu “gewöhnlichen” ETF umfassen Single-Stock-ETF nicht ein ganzes Portfolio an Aktien, sondern verfolgen nur einen einzelnen Titel. Rendite soll erzielt werden, indem Derivatverträge angewendet werden. Das soll es vor allem kurzfristig orientierten Anlegern ermöglichen, Leerverkäufe und gehebelte Erträge auf einzelne Aktien zu erringen. 

Speziell ist im Gegensatz zu einfacher konzipierten ETF, dass zum Tagesende bei einem Single-Stock-ETF der angegebene Betrag der Hebelwirkung wieder zurückgesetzt wird. Damit wird Händlern die Möglichkeit gegeben, sich kurzfristig an der täglichen Performance einer einzelnen Aktie zu beteiligen. Das Exposure gegenüber einer Aktie wird mit einem Single-Stock-ETF vergrössert. Dabei sollen Bewegungen eines Aktienkurses in beide Richtungen überproportional ausgenutzt werden.

Die "umgekehrte" oder tägliche Rendite einer Aktie kann dabei doppelt so hoch wie bei regulären Aktienkäufen oder Leerverkäufen ausfallen. Indem sich die Single Stock-ETF auf eine solche Hebelwirkung verlassen, kann es jedoch auch bedeuten, dass innerhalb kurzer Zeit erhebliche Verluste entstehen. Und dies nicht zu knapp: Es ist möglich, dass ein Single-Stock-ETF um 30 bis 40 Prozent einbricht, während die zugrundeliegene Aktie um 10 Prozent zurückgeht. 

Zeitlicher Verfall

Single-Stock-ETF tendieren dazu, sich auf einen Terminkurs einzustellen, welcher über dem aktuellen Handelskurs steht. Dies führt dazu, dass bei Single-Stock-ETF ein zeitlicher Verfall stattfindet. Über eine bestimmte Haltedauer hinweg findet ein Wertverlust statt: Ein Beweis dafür, dass Single-Stock-ETF nur für den Tageshandel geeignet sind und für langfristige Anlagepläne wenig Sinn machen.

Dieser Wertverlust kann zusätzlich verstärkt werden, wenn eine hohe Volatilität an den Märkten herrscht. Dies gilt unabhängig davon, auf welche Weise sich die dem Fonds zugrunde liegenden Vermögenswerte entwickeln.

Wetten gegen Tesla

An den US-Börsen werden im Moment Single-Stock-ETF für Apple, Nike, Paypal, Pfizer, Nvidia, Coinbase und Tesla angeboten. Vor allem der E-Autohersteller wird im Zusammenhang mit Single Stock-ETF gerne und oft erwähnt. 

Die Tesla-Aktie, welche zu den am stärksten gehandelten Werten der Wall Street zählt, ist gerade wegen ihrer Volatilität bei Hedgefonds und risikofreudigen Kleinanlegern beliebt. Deshalb haben unter den neuen Single-Stock-ETF besonders diejenigen Fonds Aufmerksamkeit erhalten, welche auf den Autohersteller setzen. Man verspricht sich nämlich davon, innerhalb eines Tages hohe Renditen erwirtschaften zu können.

Während des US-Debüts der Single-Stock-ETF haben vor allem jene Tesla-Fonds Popularität erlangt, die gegen den E-Auto-Hersteller Wetten eingegangen sind. Von diesen hat sich dabei bislang der “AXS TSLA Bear Daily”-ETF als am erfolgreichsten erwiesen. Gemäss dem Datenunternehmen Factset konnte dieser Fonds innerhalb eines Monats Zuflüsse von mehr als 47 Millionen Dollar verbuchen.

Kursentwicklung des "AXS TSLA Bear Daily”-ETF seit Mitte Juli 2022 (Grafik: Bloomberg)

Da sich die Gewichtung dieser ETF aber auch jeden Tag verändert, kann die anfangs erwartete Rendite plötzlich einen geringeren Wert aufweisen, als man es sich zuerst erhofft hatte. Dieses Problem ist auch beim "AXS TSLA Bear Daily”-ETF ersichtlich. Der Wert des Fonds ist innerhalb eines Monats bereits um 11,5 Prozent gesunken, während die Tesla-Aktie im gleichen Zeitraum um 10,4 Prozent zugelegt hat. Daran sieht man einmal mehr, wie gross der Wertverlust eines Single-Stock-ETF über längere Zeit aussehen kann.

Für Kleinanleger geeignet?

Aufgrund ihrer speziellen Funktionsweise warnen Regulatoren und Marktkommentaren davor, dass Single-Stock-ETF ein grösseres Risiko als “normale” ETF bergen. So stellte die US-Börsenaufsicht in einer Erklärung fest: "Aufgrund der Merkmale dieser Produkte und der damit verbundenen Risiken wäre es für einen Anlageexperten wahrscheinlich schwierig, einem Kleinanleger ein solches Produkt zu empfehlen.”

Dementsprechend sollte man nur mit grösster Vorsicht auf Single-Stock-ETF setzen. Da diese Fonds erst seit relativ kurzer Zeit auf dem Markt erhältlich sind, wurden deren Risiken bis jetzt nur unzureichend analysiert. Auch der Anteil verwalteter Vermögen ist bislang überschaubar. Diese Anlagemöglichkeit ist deshalb nur etwas für erfahrene Investoren.

Dazu kommt: Diese ETF sind relativ teuer. Die "Expense Ratio" eines Single-Stock-ETF liegt in der Regel bei rund 1 Prozent, was inzwischen relativ hoch ist. Laut dem Fonds- und Datendienstleister Morningstar kosten ETF im Schnitt noch 0,12 Prozent der angelegten Summe jährlich.