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Die Politik des billigen Geldes treibt immer merkwürdigere Blüten. Am gestrigen Donnerstag fiel die Rendite zehnjähriger griechischer Staatsanleihen mal eben auf 0,91 Prozent und damit auf den tiefsten Stand in der Geschichte. Wir sprechen vom selben Griechenland, welches vor knapp zehn Jahren für die damals gigantisch hohe Summe von 278 Milliarden Euro knapp vor dem Staatsbankrott gerettet werden konnte. Dasselbe Griechenland, das von einer Krise in die nächste schlittert und seit Monaten unter den wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie ächzt.

Mit 0,91 Prozent rentieren zehnjährige griechische Staatsanleihen nur deshalb unwesentlich mehr als amerikanische Staatsanleihen mit einer ähnlichen Laufzeit, weil die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen ihrer Wertpapierkäufe eben auch griechische Schuldtitel aufkauft. Aber eben nicht nur. Denn wie mir vor wenigen Tagen zu Ohren kam, wurde knapp ein Viertel aller sich im Umlauf befindlichen Dollars alleine in diesem Jahr geschöpft. Mit anderen Worten: Auch in den Kellerräumlichkeiten der amerikanischen Notenbank laufen die Gelddruckmaschinen Tag und Nacht.

Unnötig zu erwähnen, dass dieses Geld nicht dort in der Wirtschaft ankommt, wo es am nötigsten gebraucht wird. Und noch viel weniger fliesst es dorthin, wo es den grösstmöglichen wirtschaftlichen Nutzen entfaltet. Während billiges Geld bei uns in der Schweiz in den Bau von Mietwohnungen fliesst und dort für nicht ungefährliche Überkapazitäten sorgt, liefert es eine naheliegende Erklärung für die spekulativen Exzesse an der New Yorker Börse.

Und solche sind längst an der Tagesordnung. Wie Statistiken verraten, tummeln sich dortige Kleinstinvestoren nicht länger nur in Aktien. Vielmehr bewegen sie mit kleinen Beträgen über Call-Optionen sehr viel grössere Beträge. Was der Kauf von Derivaten für die zugrundeliegende Aktie und die Börse bedeuten kann, wenn diese Derivate mit einem sogenannten "Delta-Hedge" abgesichert werden, so verweise ich auf meine Kolumne vom 10. September.

Eine wenig ruhmreiche Rolle kommt auch der japanischen Softbank zu. Am Mittwoch schrieb ich zu diesem Thema:

Da erstaunt mich nicht, dass sich die hiesigen Indexschwergewichte Nestlé, Roche und Novartis seit Monaten kaum vom Fleck bewegen und so den Swiss Market Index (SMI) im Zaum halten. Wie im Spätherbst 1999 sind wir mal wieder an einem Punkt angelangt, an dem diese drei Vorzeigeunternehmen selbst den ausländischen Grossinvestoren "zu träge" und erst recht "viel zu langweilig" sind.

Selbst zu Höchstkursen gehen noch neue Kaufempfehlungen für die Sika-Aktien ein (Quelle: www.cash.ch)

Letzteres erklärt auch den nicht enden wollenden Höhenflug gefeierter Wachstumsaktien wie etwa Sika, Sonova oder Givaudan. Bewertungskennzahlen scheinen bei diesen Unternehmen selbst für alteingesessene Analysten nicht länger von Bedeutung zu sein. Mit immer abenteuerlicheren Begründungen versuchen sie neue Käufer für diese Papiere zu mobilisieren. Käufer sind es denn auch was es braucht, damit das Kartenhaus nicht in sich zusammen fällt – ganz nach amerikanischem Vorbild. Meine Vermutung ist: Bei diesen Aktien ist das schnelle Geld gemacht.

Die Gewinner von dieser Woche sind allerdings ganz andere, geht die Goldmedaille doch ausgerechnet an Dufry und damit an das diesjährige Börsenschlusslicht. Die Meldung, dass der hochverschuldete Reisehandelskonzern aus Basel nach dem Finanzinvestor Advent International auch den Online-Riesen Alibaba als Grossaktionär an Bord holen konnte, ging wie ein Lauffeuer um den Globus und bescherte dem diesjährigen Börsenschlusslicht eine beachtliche Wochenavance von 36 Prozent. Nicht wenige Leerverkäufer kapitulierten in den letzten Tagen. Etwas Schadenfreude sei mir an dieser Stelle erlaubt...

Die Silbermedaille geht an Meyer Burger. Vor wenigen Monaten schon totgeglaubt, wird der Solarzulieferer aus dem bernischen Gwatt gerade bei unseren deutschen Nachbarn frenetisch für den geplanten Vorstoss in die Produktion von Solarzellen gefeiert. Zur Stunde errechnet sich denn auch ein Wochenplus von 23 Prozent.

Alleine in den letzten drei Handelstagen wechselten mehr als 195 Millionen Titel die Hand. Das sind mehr als sieben Prozent aller ausstehenden Aktien. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, würde sich in den nächsten Tagen ein neuer Grossaktionär zu erkennen geben.

Die Aktien von Meyer Burger haben in den letzten Tagen kräftig zugelegt (Quelle: www.cash.ch)

Spekulationen, wonach sich deutsche Mittelständler bei Meyer Burger einkaufen, gibt es ja schon seit längerem.

An dieser Stelle noch kurz etwas zu einer Aussage von SNB-Präsident Thomas Jordan anlässlich einer Rede an einer Konferenz von gestern Donnerstag. Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich wirklich viel von Jordan halte. Wenn er allerdings behauptet, dass "das Preisniveau in der Schweiz nie stabiler war als in den letzten 20 Jahren", dann frage ich mich, ob auch er Krankenkassenprämien zahlt und ihm beim Samstags-Einkauf für 200 Franken nicht auch schon aufgefallen ist, dass sich der Einkaufskorb immer weniger füllt.

Ganz unter uns gesagt: Solche Aussagen scheinen mir doch ziemlich realitätsfremd – unabhängig davon, ob unser SNB-Präsident nun eine Million Franken im Jahr verdient oder nicht. Meine Kritik gilt nicht nur dieser Aussage. Sie gilt vielmehr allen führenden Zentralbanken, die sich einem Kampf gegen deflationäre Kräfte verschrieben haben, welche es an den effektiven Lebenshaltungskosten gemessen gar nie gab. Die Geldpolitik setzt damit ihr wohl wichtigstes Gut aufs Spiel: Die eigene Glaubwürdigkeit. Schlimmer noch: Den Glauben der Bürgerinnen und Bürger an die Werthaltigkeit des Geldes.

Die Zeche bezahlen künftige Generationen. Einerseits muss der enorme Schuldenberg, der über die letzten Jahre entstanden ist, eines Tages zurückbezahlt (oder dann abgeschrieben) werden. Andererseits basiert unsere Altersvorsorge auf dem Zinseszins-Prinzip. Gerade deshalb sind die letzten Beitragsjahre vor der Pension so wichtig. Doch was, wenn keine Zinsen mehr zu erzielen sind? Schon jetzt werden die hiesigen Vorsorgewerke zu Risiken gezwungen, die sie unter gewöhnlichen Umständen gar nie eingehen würden. Kommt hinzu, dass man als Anleger für diese Risiken gar nicht mehr richtig entschädigt wird. Gesund ist anders...

Nachdem Givaudan bei den Unternehmen aus dem SMI die Quartalsberichterstattung eingeläutet hat, melden sich kommende Woche mit Lonza und Roche zwei weitere Vertreter zu Wort. Neugierig bin ich aber vor allem auf den Zahlenkranz von Temenos. Zuletzt fielen nämlich selbst optimistische Analysten eher durch zurückhaltende Aussagen auf. Nächste Woche wissen wir diesbezüglich bestimmt mehr, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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