Es ist, milde ausgedrückt, eine herausfordernde Zeit für Industrieunternehmen. Globale Hersteller sehen sich nun mit hohen Energiekosten, steigenden Preisen für Schlüsselgüter, Lieferkettenproblemen und einem Krieg in der Ukraine konfrontiert.

Sean Darby, globaler Chefstratege für Aktien bei der Investmentbank Jefferies, ist nur noch "modestly bullish" für Large-Cap-Industrieaktien im S&P 500-Sektor statt wie zuvor "bullish".  Gleichzeitig senkt Steven DeSanctis, Aktienstratege für Small und Mid-Cap bei Jefferies, seinen Ausblick für Industrieaktien von "Overweight" auf "Market Weight".

Aber laut Jefferies ist es nicht an der Zeit, dass sich Investoren aus dem Sektor zurückziehen. "Industrieunternehmen könnten eine Outperformance erzielen, wenn die Probleme in der Lieferkette nachlassen und die robuste Nachfrage im Jahr 2022 anhält", schrieb ein Team von Jefferies-Analysten in einem kürzlich erschienenen Bericht.

Lieferketten wurden monatelang unterbrochen, was die Arbeit bei Unternehmen verzögerte und weltweit zu Engpässen und höheren Preisen führte. Die wirtschaftliche Erholung von COVID-19 hat zu einem starken Anstieg der Inflation in den USA beigetragen. Und der Krieg zwischen der Ukraine und Russland wirkt sich sowohl auf die Lieferketten als auch auf die Inflation aus und fügt ein Mass an Unsicherheit hinzu, dass viele Investoren momentan beschäftigt.

Kurskorrekturen als Kaufgelegenheiten

Aber bis jetzt, so Jefferies, verschlimmert der Krieg in der Ukraine die Lieferkettenprobleme nicht wirklich. "Bemerkenswerterweise haben unsere Unternehmen noch keine weiteren Engpässe gemeldet, obwohl die Inputkosten wieder steigen", sagten die Analysten der Investmentbank.

Das verheisst "viel Aufwärtspotenzial" in einem Sektor, der trotz einer Erholung der Nachfrage drastisch in Ungnade gefallen ist. Der Sektor ist seit Jahresbeginn um 7 Prozent gesunken, schneidet aber immer noch besser ab als der S&P 500, der um 12 Prozent gefallen ist.

"Die Bewertungen sind gesunken, was einige Kaufgelegenheiten im gesamten Sektor bietet", sagte Jefferies. "Die Endmarktbedingungen unterstützen weiterhin das allgemeine industrielle Wachstum und die Rohstoffpreisinflation korreliert historisch gesehen positiv mit der Wertentwicklung von Industrieaktien."

Jefferies sagt, dass die Bedingungen für eine Reihe von Branchen innerhalb des Sektors tatsächlich günstig sind und sich verbessern: Landwirtschaft dank steigender Erntepreise und wachsender Maschinenverkäufe; Fertigung aufgrund starker Auftragsdaten und Produktion; Öl und Gas aufgrund steigender Preise und wachsender Explorations- und Produktionsbudgets; und die Bautätigkeit dank steigender Hausverkäufe, Preise und Genehmigungen.

Glencore als gute Alternative zu Rüstungsaktien

Während die Anleger von den Problemen der Industrie abgeschreckt sein mögen, sind deren Probleme laut Jefferies nicht so schlimm, wie sie scheinen. Der Sektor habe auch im aktuellen Wirtschaftsumfeld noch viel zu bieten. Die in der untendstehenden Tabelle gelisteten 26 Aktien sind Unternehmen, die Jefferies derzeit als Kaufgelegenheiten im Industriesektor betrachtet.

Es erstaunt wenig, dass gerade Rüstungsfirmen wie L3Harris TechnologiesRaytheon Technologies oder Leidos Holdings seit Jahresbeginn einen Kursgewinn verbuchen. Der Ukraine-Krieg befeuert die Aufrüstung in Europa und in den USA, was sich schlussendlich auch in den Aktienkursen abbildet. Ob ein Investment hier aus moralischer Sicht angebracht ist, kann man aber ruhig in Zweifel ziehen.

Es gibt zudem andere Branchen, die im aktuellen Marktumfeld eine ähnlich gute Performance erzielen. Beispielsweise der Bergbausektor, der mit Freeport-McMoRanFirst Quantum und Glencore vertreten ist. Der Rückenwind durch gestiegene Rohstoffpreise dürfte auch in den kommenden Monaten für höhrere Kurse sorgen. Dabei ist Glencore mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 17 am günstigsten. Der Konzern aus Baar (ZG) überzeugt zudem mit einer Dividendenrendite von 4,3 Prozent.

TitelBrancheKursentwicklung seit Jahresbeginn    Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)Dividendenrendite
TextronLuft- und Raumfahrt und Verteidigung-9 Prozent210,1 Prozent
L3Harris TechnologiesLuft- und Raumfahrt und Verteidigung+17 Prozent271,8 Prozent
Raytheon TechnologiesLuft- und Raumfahrt und Verteidigung+13 Prozent382,1 Prozent
TransDigm GroupLuft- und Raumfahrt und Verteidigung-3 Prozent48-
Leidos HoldingsLuft- und Raumfahrt und Verteidigung+15 Prozent191,4 Prozent
AzekBaustoffe-47 Prozent38-
Eagle MaterialsBaustoffe-19 Prozent150,8 Prozent
Vulcan MaterialsBaustoffe-14 Prozent350,9 Prozent
TopBuildBaustoffe-25 Prozent21-
Fortune Brands Home & SecurityBaustoffe-23 Prozent151,4 Prozent
Bright Horizons Family SolutionsGeschäftsdienstleistungen+1 Prozent110-
Waste ConnectionsGeschäftsdienstleistungen-1 Prozent570,7 Prozent
Republic ServicesGeschäftsdienstleistungen-8 Prozent321,4 Prozent
GFL EnvironmentalGeschäftsdienstleistungen-26 Prozent-0,2 Prozent
LindeAnlagenbau und Industriegase-18 Prozent391,6 Prozent
AvientChemie, Kunststofftechnik-13 Prozent192,0 Prozent
Green PlainsChemie-15 Prozent--
HuntsmanChemie+13 Prozent82,2 Prozent
DeereLandmaschinenbau+15 Prozent221,1 Prozent
Parker HannifinMaschinenbau-14 Prozent201,5 Prozent
PaccarNutzfahrzeugbau-1 Prozent161,6 Prozent
TerexMaschinenbau-14 Prozent121,4 Prozent
TimkenMetallverarbeitung-12 Prozent132,0 Prozent
Freeport-McMoRanBergbau+7 Prozent150,7 Prozent
First QuantumBergbau+23 Prozent25-
GlencoreBergbau+24 Prozent174,3 Prozent

Huntsman, Deere und Linde für die Kaufliste

Es könnte sich ebenfalls ein Zukauf beim Chemieunternehmen Huntsman lohnen. Der Konzern aus Salt Lake City hat letztes Jahr seinen Gewinn und Umsatz deutlich gesteigert. Und auch im laufenden Jahr rechnen Analysten damit, dass der Wachstumskurs fortgesetzt wird. Mit einem KGV von 8 ist Huntsman die günstigste der gelisteten Aktien.

Die Aktien des Landmaschinenbauers Deere haben dieses Jahr allen Gegenwinden zum trotz ebenfalls deutlich zugelegt. Obwohl die Bewertung mit einem KGV von 22 nicht gar so günstig ist wie bei Huntsman oder Glencore, gehört der Konzern aus dem US-Bundesstaat Illinois ebenfalls auf die Kaufliste. Wegen der Preisexplosion bei Agrarrohstoffen dürften die Investitionen in die Fuhrparke in der Landwirtschaft zunehmen.

Mit einem Kursverlust von minus 18 Prozent ist Linde ein diesjähriger Verlierer. Den deutsch-amerikanischen Industriegaseriesen sollte man trotz des Russland-Exposures nicht abschreiben. Langfristig ist der Konzern für das kommende Wasserstoff-Zeitalter gut positioniert - verfügt über alle Technologien. Linde rechnet damit, dass das Geschäftsfeld "Clean Energy" langfristig 50 Prozent zum Konzernumsatz beitragen wird.

ManuelBoeck
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