Am Mittwoch publizierte die ETH das Konjunktur-Barometer. Dieses ist im Juli zum vierten Mal in Folge angestiegen, und zwar um 0,08 auf 1,23 Punkte. Und laut Martin Neff, Chefökonom der Raiffeisen Gruppe, wird sich dieser Trend auch in den kommenden Monaten fortsetzen.

Neff stellt der Schweiz ein sehr gutes Zeugnis aus: "Die Schweiz ist seit der Lehman-Krise der Wachstums-Outperformer in Europa", sagt er im cash-Börsen-Talk. Dies sei im Nachhinein umso erstaunlicher, weil die Schweiz bezüglich Wachstumsaussichten eher in den hinteren Rängen gesehen wurde. Auch punkto Stabilität und Staatsverschuldung ist die Schweiz im Vergleich zu anderen Staaten "eine grüne Insel", so Neff, der seit April dieses Jahres den Posten des Raiffeisen-Chefökonomen innehat. 

Die guten Leistungen und Wachstumsaussichten der Schweiz werden an der Börse laut Neff jedoch nicht angemessen honoriert. "Der SMI müsste heute bei 9000 Punkten stehen", stellt er fest. Gegenüber dem aktuellen Stand von gut 7800 Zählern wäre dies ein Zuschlag von 15 Prozent. 

Starker Franken trübt Performance

Der Swiss Market Index (SMI) kletterte im Mai kurzzeitig auf den Jahreshöchststand von 8411 Punkten, sackte aber wie die meisten Börsenbarometer im Folgemonat wieder deutlich ab. Doch während zum Beispiel der deutsche Aktienindex (DAX) oder die US-Börse Dow Jones seit einigen Wochen laufend neue Rekordmarken erzielen, kommt der Schweizer Leitindex nicht so recht auf Touren. Das Allzeithoch der Schweizer Börse bei knapp 9600 Zählern liegt gut sechs Jahre zurück.

Grund für die Underperformance sei, so Neff, der starke Franken. Anleger, die im SMI investiert waren, strichen zwar Währungsgewinne ein. Gleichzeitig jedoch drückte die Frankenstärke auf den Index. Und: Die Androhung die geldpolitischen Massnahmen zurückzufahren, habe sich vor allem im SMI deutlich niedergeschlagen, sagt Neff.  

Zykliker und Bluechips

Neff streicht den zyklischen Aktiensektor hervor. Diese wurden bis anhin von der Performance her betrachtet unterdurchschnittlich entschädigt. Die Schweiz behauptete sich in den letzten anderthalb Jahren in Sachen Wirtschaftswachstum stets an der Spitze, während Europa noch immer in der Rezession steckt und sich nur langsam hinauskämpft. Weiter seien auch Bluechips aus dem Nahrungs- und Pharmabereich eine sinnvolle Beimischung in einem Portfolio, empfiehlt Neff, der vor seiner Tätigkeit bei Raiffeisen Chefökonom bei der Credit Suisse war. 

Zurückhaltend agieren sollten Anleger hingegen bei Finanztiteln, warnt Neff. "Die neuen Kapitalisierungsvorschriften werden die Profitabilität mit Sicherheit beeinträchtigen. Die starken Kapitalrenditen der Vergangenheit dürften künftig nicht mehr erwirtschaftet werden."

Weit weg vom Platzen einer Immobilienblase

Zu einem Steckenpferd Neffs gehört der Immobilienmarkt: "Die Bewertungen der Immobilien sind sehr sportlich, aber sie sind fundamental zu rechtfertigen." Denn die heutige Situation im Immobilienmarkt sei nicht mit der spekulativen Welle Ende der 80er-Jahre zu vergleichen. Damals waren die Bauherren viel stärker verschuldet, sodass eine Preiskorrektur auf den Immobilien von 10 bis 15 Prozent bereits ausreichte, um eine Krise auszulösen.

Die verschärften Eigenmittelvorschriften von mindestens 10 Prozent hartem Eigenkapital sind laut Neff eine sinnvolle Massnahme. "Wer Eigentum erwerben will, muss sparen, damit er weiss, was Eigentum bedeutet", so Neff. Eine Erhöhung dieser Quote auf 20 Prozent – wie dies Ende der 80er Jahre der Fall war - ist laut Neff sinnvoll, aber nicht zwingend. Denn: "Wir stehen nicht vor Preiskorrekturen auf Immobilien von 20 Prozent."

Kommt es dennoch zu einem Preiseinbruch in diesem Umfang, dann sei das Eigenkapital bei einer heute üblichen Belehnung von 80 Prozent zwar weggefressen. Das tue weh, sei aber nicht dramatisch, so der Immobilien-Profi. 

 

Im cash-Börsen-Talk geht Neff weiter auf die Situation im Schweizer Immobilienmarkt ein. Weiter äussert er sich kritisch zu den geldpolitischen Experimenten der Notenbanken und zur Euphorie über die US-Konjunktur.