Die Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, die in Mitteleuropa in der Nacht von letzten Montag auf Dienstag live übertragen wurde, bewegte die Märkte sofort. Schon nach den ersten Voten der beiden Präsidentschaftsbewerber werteten die Anleger Clintons Auftritt als den souveräneren. Entsprechend stiegen in Fernost die Kurse.

Die Botschaft ist eindeutig: Die Märkte bevorzugen Clinton, weil sie, viel verlässlicher als Trump, jene Kontinuität verkörpert, welche die Märkte als so wichtig einstufen. Auch der Schweizer Markt, der Stunden nach Ende der Debatte eröffnete, war zunächst positiv von Clintons "Punktsieg" über Trump beeinflusst.

In einer der neuesten Wählerumfragen kommt Clinton auf 41 Prozent Zustimmung, Trump auf 38 Prozent. Ein Wahlsieg der ehemaligen Aussenministerin und First Lady, der nach ihrem Schwächeanfall am 11. September in Zweifel gezogen worden war, ist durch die Debatte wieder wahrscheinlicher geworden. Die Märkte überall auf der Welt würden wohl auch positiv regieren, wenn Clinton die Schlüssel zum Weissen Haus am 8. November effektiv gewinnen würde.

Pharma-Aktien spüren es so oder so

Eine Branche, die allerdings besonders nervös auf die US-Wahlen schaut, ist die Pharmaindustrie. Mit Novartis und Roche sind auch zwei der wichtigsten SMI-Titel an sich anfällig auf Pläne, welche die Politikerin schon vor geraumer Zeit vorgestellt hat: Dass sie gewillt sei, tiefere Medikamentenpreise anzuordnen, was die Profite der Pharmabranche und damit auch den beiden Schweizer Big Shots dieses Sektors in wichtigen US-Markt schmälern dürfte. Clinton – und das kam durch die Debatte klar zum Ausdruck – steht generell für höhere Steuern, mehr Regulierung und mehr Umverteilung von Reich zu Arm.

Nur: Auch ein Trump-Sieg wäre schlecht für die Pharma-Titel, wie Rebecca Chesworth, ETF-Marktstrategin bei State Street Global Advisors (SSGA), im Video-Interview sagt. Die unter Barack Obama erlassene Krankenversicherungsgesetz betrachtet der Republikaner argwöhnisch: "Trump mag Obamacare nicht und er würde dieses System zerlegen." Vor allem grosse Pharmakonzerne würden auch dies zu spüren bekommen.

Im cash-Video-Interview schätzt Rebecca Chesworth die Folgen des Wahlausgangs ein. Sie äussert sich sowohl zum US-Markt als auch zu den Aktienmärkten weltweit. Sie sagt auch, ob die Börsen besser unter Demokraten oder Republikanern performten und ob diese Erkenntnisse eine Leitschnur für die Zukunft darstellen können.

Die Verunsicherung bei Pharmaaktien ist bereits da, auch in der Schweiz: Die Novartis-Aktie ist im Vergleich zum Jahresangang um 9,5 Prozent weniger wert, der Roche-Bon steht um 11,5 Prozent tiefer. Im Moment zögen Anleger im ETF-Geschäft sehr viel Geld aus Gesundheitsaktien ab, sagt Rebecca Chesworth. Erhebungen von SSGA liessen Anleger seit Anfang Jahr nahezu 3,5 Milliarden Dollar aus dem US-Healthcare-Sektor abfliessen.

Aus dem Finanzsektor flossen gar 4,9 Milliarden Dollar ab. Nur: Im Gegensatz zu Pharma zeichnet sich bei den "Financials" eine Trendwende ab: Innert Monatsfrist flossen dem Sektor 1,2 Milliarden Dollar zu und bei Pharma praktisch nichts. "Man ist der Ansicht, dass es Banken und Versicherer besser gehen wird, wer auch immer das Präsidentenamt besetzen wird."

Eine längerfristige Wirkung des Wahlausgangs auf die Aktienmärkte kann man aber bezweifeln. Zudem stellt sich die Frage, wie weit Clinton oder Trump ihre Pläne im Präsidentenamt überhaupt umsetzen könnten. Die Demokratin Clinton sieht sich wie heute Obama einem wohl weiterhin republikanisch dominierten Kongress gegenüber. Trump müsste, um die Schaltstellen der Macht zu besetzen, erst einmal einen modus vivendi mit der eigenen Partei finden. Mit der Führungsriege der Republikaner ist der Aussenseiterkandidat derzeit zerstritten

Kaufgelegenheit bei Trump-Sieg?

Nichts allerdings garantiert Clinton heute den Sieg. Sie ist weitherum unbeliebt, zittert vor neuen Enthüllungen etwa in ihrer alten E-Mail-Affäre und steht für das Establishment, das in den USA deutlich an Ansehen verloren hat. Ausserdem stehen noch zwei Fernsehdebatten bevor. Bei einem Trump-Sieg am 8. November würden die Märkte wohl ähnlich reagieren, wie sie es am 15. Januar 2015 nach dem Untergrenze-Entscheid der Schweizer Nationalbank oder nach dem Brexit-Votum am 23. Juni 2016 taten: Mit Panik, Verkaufwellen, Orientierungslosigkeit.

Es wäre die Ungewissheit über das Wesen einer Trump-Präsidentschaft, die diese Panik auslösen würde. Das Wirtschaftsprogramm des Republikaners ist nicht einmal so unklar: Trump will beispielsweise die Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent senken, andere Steuern ebenfalls. Er will Freihandelsabkommen neu aushandeln, so dass weniger Jobs aus den USA abwandern und gegenüber China Stärke zeigen. Das Problem ist eher das bisweilen brachiale, sprunghafte Temperament des Kandidaten, das den Märkten nicht schmeckt. Und Trump sagt nicht, wie er seine Pläne umsetzen will.

Aber selbst angesichts dieser Unwägbarkeiten würden sich die Märkte bei einem Trump-Sieg wahrscheinlich schnell erholen, wie dies nach dem Brexit-Votum der Fall war. Für Trader wäre es eine verlockende Kaufgelegenheit. Wer etwa direkt nach dem Brexit-Entscheid in den britischen FTSE100 investiert hat, ist heute 15 Prozent reicher. Der Dow Jones steht um 7 Prozent höher, der SMI immerhin um gut 5 Prozent.

«That Yellen»

Ein Trump-Sieg hätte aber noch andere mögliche Folgen als die Ungewissheit seiner Wirtschaftspolitik. Der Milliardär drischt in seinem Wahlkampf verbal schier ungebremst auf Janet Yellen ein, die Vorsitzende der Notenbank Federal Reserve. Er nennt sie mit verachtendem Unterton "that Yellen", weil er mit ihrer zuwartenden Zinspolitik nicht einverstanden ist.

Am Markt kursiert die Prognose, dass die seit Februar 2014 amtierende Yellen bei einem Trump-Sieg zurücktreten würde. Dies könnte Folgen haben: Beim Treffen des Fed-Offenmarkt-Ausschusses am 13. und 14. Dezember wäre die Notenbank dann mit ihrer Nachfolge und nicht der Zinspolitik beschäftigt. Möglicher Nachfolger wäre Fed-Vizepräsident Stanley Fischer, der nach Einschätzung der Märkte für eine raschere Anhebung der Zinsen steht.

Eine Beeinflussung des aktuell kommunizierten Zins-Fahrplans, der eine allmähliche, auf US-Konjunkturdaten abgestimmte Erhöhung des Leitzinses vorsieht, wäre eine mögliche Folge eines Trump-Sieges. Darauf würden die Märkte nervöser und eventuell längerfristig reagieren als auf den Wahlausgang als solches. Zumindest müssten sie sich in Bezug auf die US-Zinspolitik neu justieren.