Der US-Standardindex S&P 500 hat in der letzten Woche mehr als 3 Prozent verloren. Das ist per se natürlich nicht dramatisch. Die Märkte konnten sich vom Rückschlag der letzten Woche am Montag teilweise auch erholen. Der Wochenrückgang war vielerorts aber der höchste seit über drei Monaten. Und solche Rücksetzer sind sich Investoren nicht mehr gewohnt.

Korrekturen an den Aktienmärkten sind normal - und nach einem Anstieg von rund 66 Prozent des S&P 500 seit dem Tiefpunkt im Coronaabsturz eigentlich auch erwartbar. Anleger beschäftigt nun aber die Frage: Markiert die letzte Woche den Beginn einer grösseren Korrektur an den Aktienmärkten? 

"Der grösste Druck liegt nun hinter uns, und wir erwarten, dass der jüngste Rückschlag temporärer Art ist", schreibt Mark Haefele, Anlagechef Global Wealth Management bei der UBS. Mit Druck meint er den Anleger-Hype rund um Aktien wie Gamestop und Co. Dieser hatte Befürchtungen aufkommen lassen, das Duell Hedgefonds vs. Kleinanleger könnte Verwerfungen an den Börsen verursachen.

Dennoch: Das Gamestop-Thema ist sicher noch nicht "gegessen" - vor allem wenn man bedenkt, dass letzte Woche auch Aktienkurse etablierter Firmen wie Starbucks mit in die Turbulenzen gerieten. Und Korrekturen an den Börsen haben häufig nicht nur einen einzigen Grund. Es ist ein Zusammenspiel von Marktstimmungen und -daten, die von Anlegern plötzlich als negativ interpretiert werden.

Tatsächlich tummeln sich an den Märkten einige Spielverderber, welche eine schmerzhafte Korrektur auslösen könnten. Dies sind:

1) Die Marktvolatilität steigt

Der Volatilitätsindex (VIX), auch "Angstbarometer" genannt, ist auf dem Stand vom letzten Herbst angelangt, als es bereits zu einer kleineren Börsenkorrektur kam (blaue Linie in der Grafik unten). Der VIX errechnet anhand von Optionsgeschäften die erwarteten Schwankungen am Aktienmarkt. Er steht derzeit bei knapp 40. Im März 2020 wurden Werte von über 80 erreicht, in der Finanzkrise 2008 gar 90. Normal ist ein Indexstand von 15 bis 20.

Nichts dramatisches, möchte man meinen. Interessant ist aber die Entwicklung des Exchange Traded Fund "ProShares Ultra VIX Short-Term Futures ETF". Anleger kaufen diesen ETF in Erwartung, dass die Volatilität an den Märkten noch weiter steigt. Wie die weisse Linie zeigt, befindet sich der ETF nun auf einem Rekordhoch und auf dem Niveau vom März 2020. Das sind keine guten Signale für eine Beuruhigung der Märkte.

(Quelle: Bloomberg)

2) Gewinnmitnahmen häufen sich 

Die Nervosität zeigt sich bei Einzelaktien, insbesondere bei Titeln, die bereits kräftig gestiegen sind. Besonders krass: Die Aktie von Logitech lag nach der Veröffentlichung der Drittquartalszahlen am 19. Januar im vorbörslichen Handel satte 12 Prozent im Plus. Bei Börsenschluss am selben Tag waren es dann plötzlich 6 Prozent Minus. Oder Julius Bär: Der Vermögensverwalter lag beim Jahresgewinn, verwalteten Vermögen und Dividenden über den Markterwartungen. Die Investoren quittierten dies am Montag mit Verkäufen.

Gewinnmitnahmen nennt man das im Börsenjargon. Das sollte eine Warnung sein. Das "Profit Tacking" sind die vierte von fünf Stufen im Modell einer Blasenbildung an den Börsen durch den US-Ökonomen Hyman P. Minsky (mehr dazu hier).

3) Interesse von Kleinanlegern steigt

In einer späten Phase eines Börsenbooms und vor einer Korrektur interessieren sich viele neue Kleinanleger für die Börse. Sie sind fasziniert von scheinbar schnellen Gewinnen. Wie im Frühjahr 2020 steigt der Suchbegriff "Aktien" nun bei Google Trends Schweiz wieder an:

Entwicklung des Suchbegriffes "Aktien" in der Schweiz bei Google in den letzten zwölf Monaten (Quelle: Google)

Noch deutlicher ist die Entwicklung in den USA. Dort ist die Suchabfrage nach dem Begriff "Stocks" in der Woche vom 17. bis 23. Januar regelrecht in die Höhe gesprungen:

Entwicklung des Suchbegriffes "Stocks" in den USA bei Google in den letzten zwölf Monaten (Quelle: Google)

Das Warnsignal hier: Während Retail-Investoren in den Markt drängen, verabschieden sich viele Profi-Investoren in dieser Zeit vom Markt. Vom Börsen-Altmeister André Kostolany stammt dazu das böse Bonmot: "Mein lieber Freund, überlassen Sie die letzten zehn Prozent Kurspotenzial an der Börse den Dummen."

4) Investoren stürzen sich auf Kleinst-Aktien und Junk

Da viele bewährte Titel ausgereizt sind, stürzen sich Anleger mit erheblichen Risiken auf Penny Stocks oder Hoffnungslos-Aktien. Die Titel von Newron oder Kudelski stiegen an der SIX in den letzten Wochen ohne harte oder überzeugende Fakten je rund 40 Prozent. In den USA ist das Volumen bei Aktien, deren Unternehmen keinen Gewinn schreiben, auf historischen Höchstwerten.

Oder: Investoren stürzen sich auf Unternehmensanleihen mit zweifelhafter Bonität, so genannte Junk (Abfall) Bonds. Die Anleihe der Kreuzfahrtgesellschaft Carnival zum Beispiel ist in einem ETF von iShares mit dem Namen "U.S. Fallen Angels USD Bond" enthalten, in welchen im Januar hunderte Millionen Dollar Anlegergelder flossen. Credo: Kaufe alles, was noch irgendwie einen Corona-Abschlag enthält. Erholen wird sich dies sowieso. Irgendwann einmal. Eine riskante Strategie.

5) SPAC - kaum nachhaltiger Exzess

"Special Purpose Acquisition Company". So heissen Börsenneulinge, die wie Pilze aus dem Boden schiessen. Die Anzahl der SPAC stieg weltweit von 60 im Jahr 2019 auf 230 im Jahr 2020, vor allem in den USA. In diese Vehikel fliessen derzeit Milliarden von Dollar.

 

Jährliche Geldzuflüsse in sogenannte SPAC (Quelle: Bloomberg).

Investoren, welche ein SPAC an die Börse gebracht haben, gehen mit einer leeren Unternehmenshülle und dem eingesammelten Geld vor allem von wohlhabenden Investoren auf Akquisitionsschau. Der Anstieg dieser Anlagevehikel sollte skeptisch stimmen. SPAC sind riskant und stehen im Ruf, nur den Initianten wirklich etas zu nützen. Strategen von Goldman Sachs sehen beim SPAC-Boom Anzeichen eines "nicht nachhaltigen Exzesses am US-Aktienmarkt."

6) Politik und Justiz mischt sich ein

Politik und Börse verträgt sich selten gut. Wenn die Justiz mitmischt, noch weniger. Der künftige Chef des Bankenausschusses im US-Senat, Sherrod Brown, kündigte letzte Woche in Zusammenhang mit dem Gamestop-Hype Anhörungen "zum Zustand des Aktienmarkts" an. Anhörungen begrüsst auch der konservative republikanische Senator Ted Cruz. Die Börse hat wieder den Ruf eines "Casinos".

Kleinanleger haben zudem eine Sammelklage gegen Robinhood eingereicht. Dem Gratis-Trading-Anbieter wird in Zusammenhang mit Gamestop vorgeworfen, absichtlich den Handel der Aktien verhindert und damit eine illegale Marktmanipulation betrieben zu haben. Ob zurecht oder nicht - es ist allemal schlecht für die Investoren-Stimmung.

7) Unsicherheiten bei Impfstoffen und Konjunktur

Zwar steigen die Renditen bei zehnjährigen US-Staatsanleihen weiter, und auch die Rohstoffpreise zeigen keine Schwäche – beides positive Zeichen am Konjunkturhimmel. Dennoch sagte Jerome Powell, Chef der Federal Reserve, letzte Woche: "Die Geschwindigkeit der Erholung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Monaten gemässigt."

Bei Investoren machen sich in der Tat unüberhörbar Unsicherheiten breit angesichts der Virusmutationen, dem Tempo bei der Durchimpfung der Bevölkerung und der zuletzt nicht mehr durchweg positiven Nachrichten von neuen Impfstoffen. Aktienkurse bei den tourismus- und reiseaffinen Unternehmen fallen entsprechend wieder. Die Aktie des Reisedetailhändlers Dufry etwa verlor im Januar fast 10 Prozent, Carnival tauchte über 13 Prozent.

Wenngleich ein Crash wie vor knapp einem Jahr derzeit kaum wahrscheinlich ist, sollten Investoren auf der Hut sein. Der Markt zeigt deutliche Unsicherheiten in einem überhitzten Markt. Anleger sollten sich daher  durchaus überlegen, bei kurzfristigen und spekulativen Positionen Gewinne zu realisieren. 

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