Die improvisierten Konvois - die auf ihrem Weg nach Europa durch die Mongolei, Kasachstan und Russland kommen - zeigen, wie Unternehmen gezwungen waren, sich anzupassen, um ihre Geschäfte während der Coronavirus-Pandemie am Laufen zu halten.

Einige große deutsche Unternehmen sind an InstaFreight mit dem Wunsch herangetreten, neue Transportwege zu erschließen, nachdem die Reisebeschränkungen infolge des Coronavirus den Zugang zu wichtigen Komponenten bedrohen. Das digitale Speditionsunternehmen wird von einem ehemaligen Berater von Bain geleitet und teilweise vom Venture-Segement von Royal Dutch Shell finanziert.

Vor dem Virusausbruch beschränkte sich das Geschäft des Logistikunternehmens hauptsächlich auf das europäische Festland; über seine Online-Buchungsplattform wird der Lkw-Transport von Tür zu Tür organisiert. Doch nachdem sich Covid-19 im März ausbreitete, kam die deutsche Luftfracht größtenteils zum Erliegen, was die Importe auf einen Bruchteil ihres Normalwerts reduzierte.

InstaFreight-Mitbegründer Philipp Ortwein witterte einen neuen Markt für seine Flotte von 12'000 Transportfahrzeugen. Unternehmen benötigten verzweifelt wichtige Materialien wie elektronische Bauteile, und die Fluggesellschaften reduzierten drastisch die Lieferkapazitäten, sagte er in einem Interview.

Internationale Strassennetze während der Krise flexibel und belastbar

Am 6. April, als die Zahl der Todesfälle durch Covid-19 in weiten Teilen Europas immer noch stieg, nahm InstaFreight Lieferungen aus China in ihr Transport-Portfolio auf. Lkw-Fahrer haben digital für Aufträge in Online-Auktionen geboten. Hunderte von Betreibern mit Anhängern, die bis zu 40 Tonnen transportieren können, antworteten innerhalb weniger Tage.

Was folgte, war eine neue Versorgungsroute, die sich über fast 10'000 Kilometer erstreckte, von China über Weißrussland und Polen bis nach Deutschland. Zahlreiche Lastwagen sind bereits unterwegs, und Hunderte weitere stehen kurz vor der dreiwöchigen Odyssee, die Teile der neuen Seidenstraße durchquert, berichtete der 35-jährige Ortwein, der auch von Rocket Internet Kapital erhielt.

“Die Digitalisierung entwickelt sich zu einem überlebenswichtigen Instrument in der Krise und dürfte nach Covid wichtige Wirtschaftssektoren aufmischen”, sagte er. Jedoch wollte er sich zu spezifischen Unternehmen oder Waren für die Route nicht äußern. Auch wenn Lkws möglicherweise nicht die schnellste oder umweltfreundlichste Lösung für unterbrochene Lieferketten sind, erwiesen sich die internationalen Straßennetze während der Krise als flexibel und belastbar.

15'000 Euro pro Lastwagen

Die aktuellen Preise für eine InstaFreight-Buchung einer 20-Tonnen-Lkw-Ladung von China nach Deutschland liegen laut Ortwein im Durchschnitt bei 15'000 Euro. Zum Vergleich: Ein gechartertes 100-Tonnen-Flugzeug mit der vierfachen Kapazität eines Lastwagens kostet 1 Million Euro.

Passagierflugzeuge befördern normalerweise mehr als die Hälfte der deutschen Luftfracht und bedienen Strecken zu etwa 200 Zielen außerhalb Europas, verglichen mit etwa 50 reinen Fracht-Zielen, schrieb dieLuftfahrtlobby BDL-Aero in einer Mitteilung an Bloomberg. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass es auf diesen Routen bis zum nächsten Monat zu einer Verbesserung komme, erklärte Stefan Schultein, CEO der Fraport, in einem Zeitungsinterview am 18. April

“Wir gehen davon aus, dass die Corona-Krise die Luftfrachtindustrie grundlegend verändern wird”, sagte Timo Stroh, eine Führungskraft bei Dachser, eines der größten deutschen Logistikunternehmen. Er erwartet, dass in Zukunft die richtige Balance im multimodalen Verkehr - Luft, Meer, Straße und Schiene - gefunden wird, um sicherzustellen, dass die industriellen Lieferketten intakt bleiben.

Ortwein von InstaFreight geht davon aus, dass das Geschäft des Unternehmens mit China im Verlauf der Krise wachsen wird. Sein Unternehmen erwägt, Transporte entlang der Seidenstraße auf Straße und Schiene umzustellen, um die Lieferzeiten und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

(Bloomberg)