Dem Verkehrsstau entfliehen oder besser gleich entfliegen - diesen Wunsch hegen im allmorgendlichen Stop-and-Go in den Metropolen viele Autofahrer. "Wir streben die kommerzielle Zulassung durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) 2021 an. Dann wollen wir den Volocopter auf den ersten Routen einsetzen", gibt sich der Chef des gleichnamigen deutschen Unternehmens, Florian Reuter, zuversichtlich. Auf dem Weg dahin sammelt die Bruchsaler Firma Erfahrungen bei Testflügen, wie sie für die zweite Jahreshälfte in Singapur geplant sind. Ein EASA-Sprecher spricht von "einigen wenigen Jahren", in denen es losgehen könnte. Es werde gemeinsam mit den Firmen an Vorschriften für diese neuen Flieger gearbeitet.

Derzeit deutet alles darauf hin, dass sich ein scharfer Wettbewerb um diese lange als Science-Fiction belächelte Transportoption entspinnt. Immer mehr Firmen - darunter Grosskonzerne wie Airbus, Boeing, Porsche oder Uber - drängen in den vielversprechenden Markt, um ihn zu besetzen. Der deutsch-französische Flugzeugbauer stellt am Montag in Ingolstadt erstmals der Öffentlichkeit einen sogenannten Demonstrator seines viersitzigen, elektrischen Luftfahrzeugs CityAirbus vor und damit die Vorstufe eines Prototypen. Er könne autonom fliegen, werde aber anfangs aus Akzeptanzgründen bemannt sein, kündigte ein Airbus-Sprecher an. "Früher gab es ja auch einen Liftboy, der inzwischen verschwunden ist."

Aber: Ähnlich wie die ersten Fahrstühle vornehmlich von Reichen in ihren eigenen Stadtvierteln genutzt wurden, werden angesichts hoher Kosten auch Lufttaxis zunächst einigen wenigen vorbehalten sein. "Die Reichen und Mächtigen werden sie zuerst nutzen, um vom Flughafen nach Hause oder ins Büro zu kommen", sagt Flugzeugexperte Michael Ramsey vom Marktbeobachter Gartner.

Im Gegensatz zum deutlich kleineren Konkurrenten Volocopter, an dem Daimler wie auch Intel beteiligt sind, ist Airbus zurückhaltender, was den kommerziellen Einsatz des CityAirbus angeht, dessen erste Testflüge in den kommenden Wochen anstehen. "Das wird nicht vor 2025 der Fall sein", sagt der Sprecher. Allerdings hat Airbus mehrere Eisen im Feuer und arbeitet im Silicon Valley auch an seinem Einsitzer Vahana, der bereits mehr als 50 Testflüge absolviert hat.

Vom Treppenwitz zum Hoffnungsträger

Während Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär noch vor einem Jahr Spott und Häme kassierte, als sie in einem Fernsehinterview zum Breitbandausbau Flugtaxis ins Gespräch brachte, ist das Thema inzwischen salonfähig. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will Flugtaxis und unbemannte Drohnen fördern und hat ein entsprechendes Programm im Umfang von 15 Millionen Euro aufgelegt, um Entwicklungen voranzubringen.

In der kostenintensiven Branche, die kaum Umsätze macht, dürfte dies weniger als der berühmte Tropfen auf den heissen Stein sein. So haben Investoren wie der chinesische Internetriese Tencent insgesamt rund 100 Millionen Dollar in den zweiten deutschen Vorreiter Lilium gesteckt. Das Geld dürfte kaum reichen, um eine Serienproduktion in Angriff zu nehmen. Und diese ist das Ziel: "Wir wollen bis 2025 in mehreren Städten fliegen", sagte ein Firmensprecher des auf Senkrechtstarter spezialisierten Startups, dessen Testversion sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits ausführlich angeschaut hat. Lufttaxi-Fachmann Heinrich Bülthoff vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik sagt: "Ich hoffe, dass den europäischen Firmen nicht das Geld und der Atem angesichts der Anstrengungen von Uber, Google und Boeing ausgehen."

Im Rennen um Aufmerksamkeit und Kapital schickt sich Insidern zufolge unterdessen der chinesische Anbieter Ehang an, an die Wall Street zu gehen. Der Hersteller von bemannten Drohnen machte zuletzt Schlagzeilen mit der Ankündigung, seine Maschinen für bis zu 300.000 Dollar verkaufen zu wollen. Solche Angaben sind bisher selten in einer Industrie, die sich noch in den Kinderschuhen befindet.

Angst, dass einem etwas auf den Kopf fällt

Bis die ersten genehmigten Flugtaxis regulär Richtung Himmel abheben, ist noch viel Arbeit von Nöten. "Wahrscheinlich müssen Luftautobahnen entstehen, um willkürliche Flüge über Wohngebieten zu verhindern. Und die Flugzeugbauer müssen noch viel tun, um die Kosten für die zahllosen Sensoren zu reduzieren und energieeffizienter zu fliegen", sagt Ramsey. Bisher benötigten die Batterien zu lange, um sich wieder aufzuladen. Bülthoff macht auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: "Es geht um die Akzeptanz der Bevölkerung hinsichtlich des Lärms aber auch der Grundangst, dass einem etwas auf den Kopf fallen könnte."

Volocopter will nun zusammen mit dem Flughafenbetreiber Fraport einen Beitrag zur Professionalisierung leisten. Die Firmen entwickeln gemeinsam Konzepte für den Betrieb von Flugtaxis an Flughäfen. "Das ist eine Herausforderung, da der Platz begrenzt, teuer und stark nachgefragt ist. Eine solche Lösung könnte dann von anderen Flughäfen kopiert werden", sagte Reuter.

(Reuters)