Alcon ist ein Turnaround-Unternehmen. Mit Geräten und Technologien für die Augenchirurgie, Kontaktlinsen und Mitteln zur Augenpflege hat das 20’000-Mitarbeiter-Unternehmen zwar eine führende Stellung im Weltmarkt. Aber der Medizinaltechniker, für den Novartis vor neun Jahren dem Ex-Besitzer Nestlé schier unglaubliche 51 Milliarden Dollar bezahlt hatte, entwickelte sich unter den Erwartungen.

Bei Sehimplantaten und Kontaktlinsen hat Alcon jahrelang Marktanteile verloren. Investitionen in eine neue Produktpipeline sollen neuen Schwung bringen, die Margen verbessern und den Umsatz erhöhen. Alcon hat sich im vergangenen November das Ziel gesetzt, bis 2023 im Jahr durchschnittlich 5 Prozent zu wachsen und eine Betriebsmarge in der Spannweite von etwa 20 bis 25 Prozent zu erreichen.

Das sind ehrgeizige Vorhaben. Die Zürcher Kantonalbank schätzt in einer aktuellen Markstudie, dass das Marktwachstum von 4 Prozent zunächst nicht übertroffen werden kann. Die operative Kernergebnismarge, auf der Alcon das 20-Prozent-plus-Ziel abstützt, betrug 2018 knapp 17 Prozent und dürfte ebenfalls laut der ZKB in der kurzen Frist nicht massiv gesteigert werden können. Dazu kommt: Investitionsprogramme und Effizienzmassnahmen allein garantieren die Rückgewinnung von verlorenen Marktanteilen noch nicht. 

Bewertung wird viel aussagen

Mehr Klarheit über die Zahlen von Alcon wird der Erstquartalsbericht von Novartis am 24. April liefern. Alcon-Zahlen werden dort als aufgegebener Geschäftsbereich noch aufgeführt werdem. Zunächst richten sich die Augen aber auf das Spin-Off, wenn bestehende Novartis-Aktionäre für je fünf Titel der Pharmaaktie jeweils eine Aktie von Alcon bekommen, als Sachdividende steuerfrei übrigens.

Am 9. April, also am nächsten Dienstag, wird sich auch die Bewertung abzeichnen, welche die Märkte dem Börsenneuling geben werden. Dann geht Alcon mit dem Kürzel "ALC" an der Schweizer und der New Yorker Börse in den Handel.

 

 

Analysten errechnen für Alcon Börsenwerte in der Grössenordnung von etwa 18 bis 25 Milliarden Dollar. Das ist eine relativ weite Spanne und spiegelt eine gewisse Unsicherheit bei den Analysten wieder. Erschwert wird die Bewertung dadurch, dass es keinen echten Konkurrenten von Alcon gibt, der Referenzdaten liefern würde. Die Helvetische Bank beispielsweise geht in einem Marktbericht von Ende März von Marktwerten zwischen 22,1 und 23,5 Milliarden Dollar aus, was einem Preis von 44 bis 49 Franken pro Aktie entspräche. Damit wäre Alcon aber relativ anspruchsvoll bewertet. 

Ein Problem von Alcon ist die nicht sehr starke Bilanz. Vermutlich wird der Konzern mit dem Start in die Eigenständigkeit eine Nettoverschuldung von etwa drei Milliarden Dollar mit sich tragen. Eine tiefe Bewertung wäre gut für die Aktie, ist aber nicht garantiert. Aktienanalyst Antoine Diserens von der Bank Rahn + Bodmer sagt dazu: "Aufgrund einer schwachen Bilanzsituation wäre eine Bewertung von 18 Milliarden Dollar attraktiv." Bei erfolgreichem Turnaround der Sparte Vision Care – also das Kontaktlinsengeschäft - und daraus entstehenden Margenverbesserungen könnte der faire Wert von Alcon aber eher bei 21 Milliarden Dollar liegen, sagt Diserens.

SMI-Zugehörigkeit führt zu Rebalancings

Skeptisch muss interessierte Aktionäre allerdings die zu erwartende Dividendenpolitik stimmen. Anfänglich stellt das Management eine Ausschüttungsquote von nur 10 Prozent in Aussicht. Auf der Basis von angenommenen 19 Milliarden Dollar Börsenwert errechnet J.P. Morgan damit eine sehr magere Dividendenrendite von 0,5 Prozent. Dies bringt das Risiko mit sich, dass sich die Aktionäre, die bei Novartis eine Rendite von über 3 Prozent gewohnt sind, schnell von diesem Papier trennen werden.

Auch die Alcon-Zugehörigkeit zum Swiss Market Index (SMI) wird Einfluss auf die Kurse haben. Es ist bereits bekannt, dass Alcon Julius Bär im Schweizer Leitindex ersetzen wird. Grosse Fonds und ETF müssen die Aktie kaufen, um Schweizer Indices weiterhin korrekt abbilden zu können. Weil Novartis aber auch im STOXX Europe 50 enthalten ist und Alcon nach dem Spin-Off zu klein für diesen europäischen Index ist, werden sich Fonds umgekehrt auch von der Alcon-Aktie trennen. Aktionäre können demnach nicht zwingend mit einem Kursanstieg als Folge dieser Rebalancings rechnen. "Die Auswirkungen der Index-Verschiebungen nach dem Börsengang sind schwer abzuschätzen", sagt Antoine Diserens von Rahn + Bodmer.

Skepsis ist auch angebracht, ob Alcon sich mit anderen Spin-Offs im Gesundheitswesen vergleichen lässt. J.P. Morgen erinnert in einem Analysepapier unter anderem an Idorsia, wo sich der Wert nach dem Spin-Off von Actelion in den ersten zwölf Monaten verdoppelte. Auch bei Siemens Healthineers ging es an der Börse um 21 Prozent bergauf. Bei Alcon gibt es bisher aber keinen Grund zur Annahme, dass es im gleichen Stil laufen wird. Bei einem Augenmedizinspezialisten klingt es fast wie ein schlechtes Wortspiel, aber: Die nicht klare "Visibilität" des Geschäftsgangs lässt keine eindeutig positive Einschätzung zur Aktie zu.