Führungskräfte wissen mehr über das Innenleben ihres Unternehmens als die Investorinnen und Investoren. Logisch deshalb, dass die so genannten Management-Transaktionen auf permanent hohes Interesse in der Börsen-Welt stossen. Verwaltungsräte und Top-Managementmitglieder müssen laut Swiss Exchange Regulation die privaten Käufe und Verkäufe von Aktien der eigenen Gesellschaft ab einem gewissen Betrag melden und offenlegen.

Die Meldungen, welche die Firmen abgesehen von Mitarbeitervergütungsprogramme nicht kommentieren müssen, können als Hinweis auf den Geschäftsgang des Unternehmens gesehen werden. Müssen aber nicht. Denn vor allem bei Aktien-Verkäufen können oft private Gründe der Führungskräfte eine Rolle spielen - wie zum Beispiel grössere Anschaffungen.

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Aber können die jüngsten Verkäufe umfangreicher Aktienpakete bei UBS, Vontobel und Zurich Insurance vielleicht doch als Gewinnmitnahmen interpretiert werden, weil der eigenen Aktie nicht mehr viel zugetraut wird? Dies gilt insbesondere für Zurich Insurance, deren Aktie auf dem höchsten Stand seit 21 Jahren steht. Dort hat ein (oder zwei) Top-Manager Ende letzter Woche über 25'000 Aktien im Wert von 11,6 Millionen Franken verkauft. 

Ähnliches bei der UBS: Ende April und Anfang dieser Woche kam es zwei Verkaufstransaktionen im Wert von 3,2 Millionen Franken durch einen oder zwei Top-Manager. Die UBS-Aktie hat in den letzten zwölf Monaten über 20 Prozent gewonnen, schwächelte in den letzten Monaten aber etwas. Bei Vontobel kam es seit Anfang April auf Ebene Top-Management zu sieben Aktienpaket-Verkäufen im Wert von rund 1,1 Millionen Franken. Natürlich hat dies der Vontobel-Aktie nicht geholfen: Sie hat im Zeitraum der Aktienverkäufe 13 Prozent an Wert verloren.

Börsen-Experten geben der Aussagekraft von Aktienkäufen in der Regel aber mehr Gewicht, weil sie wie ein Vertrauensbeweis in das Unternehmen wirken. Insbesondere dann, wenn die Käufe in einem verunsicherten und sinkenden Aktienmarkt fallen wie jetzt. Ein Überblick über die wichtigsten Transaktionen der letzten Wochen zeigt, dass vor allem Firmen-Patrons und Grossaktionäre bei den Unternehmen aktiv waren:

Rieter  

Beim Winterthurer Textilmaschinenhersteller kam es alleine im Mai zu zwölf Tranchen an Aktienkäufen. Elfmal langte ein Verwaltungsrat zu, in den allermeisten Fällen Peter Spuhler. Denn der grösste Einzelaktionär musste in einer Pflichtpublikation letzte Woche den Rieter-Beteiligungsausbau von 22 Prozent auf 25 Prozent bekanntgeben. Peter Spuhler sei vom Engagement und von der Technologieführerschaft von Rieter überzeugt, liess die Medienstelle von Spuhlers Stadler Rail dazu verlauten.

Spuhler hat wohl eine sehr langfristige Perspektive. Denn Analysten trauen der Rieter-Aktie, die sich seit letztem August im Wert halbiert hat, in absehbarer Zeit nicht viel zu. Die UBS sprach kürzlich von einem eingetrübten Industrieumfeld und Margendruck, was die Bank zu einer Reduktion der Gewinnschätzungen veranlasste.

Aktienkursentwicklung von Rieter in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch).

Stadler Rail

Und gleich nochmal Peter Spuhler, dieses Mal in seinem Kerngeschäft: Ende letzter Woche erwarb der CEO und Verwaltungsratspräsident von Stadler 30'500 Aktien des Bussnanger Zugbauers im Wert von rund 1 Million Franken. Was, so wiederum die Stadler-Rail-Medienstelle, mit dem "Vertrauen in den langfristigen Erfolg und für das künftige Wachstum von Stadler Rail" begründet wird.

Spuhler hält persönlich und über seine PCS Holding rund 42 Prozent an Stadler Rail. Die Aktie, die in den letzten zwölf Monaten über 20 Prozent verloren hat, bewegt sich mit 35 Franken nach wie vor deutlich unter dem Schlusskurs des ersten Tages des Börsengangs (43 Franken) vor etwas mehr als drei Jahren.

Kühne+Nagel

Am 9. Mai wurden von Kühne+Nagel gleich sechs Kauf-Transaktionen im Wert von rund 4,4 Millionen Franken vermeldet. Gemessen am Vermögen liegt man wohl nicht falsch, die Aktienkäufe Firmenpatron und Milliardär Klaus-Michael Kühne zuzuordnen. Sowieso ist Kühne in den letzten Monaten in Kauflaune: Bei der Lufthansa hatte der Hamburger seinen Anteil zuerst auf fünf, dann auf zehn Prozent aufgestockt.

Ähnlich wie Spuhler sieht Kühne mit Blick auf die Langzeitentwicklung nun wohl gute Kaufgelegenheiten. Und ähnlich wie die Aktie von Rieter ging es auch mit Kühne+Nagel seit letztem Herbst deutlich nach unten: Minus 30 Prozent seit Mitte September, nachdem sich die Aktie seit dem Corona-Absturz im Wert verdreifacht hatte. Die Aktie des Logistikdienstleisters – der weltweit Nummer eins sowohl in der Luft- wie in der Seefracht – profitiert zwar nach wie vor von begrenzten Flugzeug- und Container-Kapazitäten. Diese Ausnahmesituation wird sich aber mit der Zeit normalisieren und Gewinnmargen sinken. Im besten Fall ist dieses Szenario schon im Kurs eingepreist.

Pierer Mobility

Beim österreichischen Motorradbauer (ehemals KTM) kommt es traditionell zu vielen Management-Transaktionen. Unter den neun Deals seit Anfang April befinden sich zwar auch drei Verkaufsorder. Ins Auge springen aber vor allem die letzten vier Aktienpaket-Käufe im Wert von 5,7 Millionen Franken, hinter denen man Firmenpatron Stefan Pierer vermuten darf. Er hält direkt 73 Prozent der Pierer-Mobility-Aktien. 

Deren Kurs ist von einem Rekordstand zu Jahresbeginn bis heute rund 20 Prozent gefallen. Möglicherweise haben die Titel weiteres Korrekturpotenzial, wenn man bedenkt, dass der Kurs von 22 Franken im März 2020 auf über 90 Franken Ende letzten Jahres gestiegen war. Stefan Pierer ist wie Klaus-Michael Kühne alles andere als im Käuferstreik: Pierer hatte im Februar seine Beteiligung am deutschen Autozulieferer Leoni kräftig aufgestockt.  Aktienkursentwicklung von Pierer Mobility in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch).

Forbo

Seit Anfang April wurden von Forbo-Chefs in elf Tranchen Aktien im Wert von 2,2 Millionen Franken dazugekauft. Fast immer wurde als Käufer ein "exekutives Verwaltungsratsmitglied / Mitglied der Geschäftsleitung" angegeben. Vermutlich ist es VR-Präsident This Schneider, der neben seiner seiner Aufsichtsfunktion auch Führungsaufgaben beim Hersteller von Bodenbelägen und Förderbändern wahrnimmt. Schneider hielt per Jahresende 2,16 Prozent an Forbo. Verwaltungsrat und Hauptaktionär Michael Pieper, der mit einem Viertel am Industriekonzern beteiligt ist, war den Einträgen zufolge nicht der Käufer. Die Medienstelle von Forbo wollte auf Anfrage von cash.ch die Transaktionen erläutern.

Die Aktie von Forbo ist seit Anfang Jahr über 30 Prozent gefallen und befindet sich auf dem tiefsten Stand seit zwei Jahren. Kürzlich senkte der zuständige Analyst der Credit Suisse sein Forbo-Kursziel aufgrund von Auswirkungen einer möglichen Konjunkturabkühlung und anhaltenden Lieferengpässen.

Idorsia

Nach langer Zeit kam es im Mai beim Allschwiler Biotech-Unternehmen, auf dem so viele Hoffnungen ruhen, wieder zu Zukäufen durch einen Teppichetagen-Vertreter. Und zwar in zwei Tranchen zu insgesamt rund 200'000 Franken. Verantwortlich dafür zeichnete ein Verwaltungsratsmitglied. 

Es ist wie ein Hoffnungsschimmer für Idorsia, quasi die kleine Nachfolgegesellschaft von Actelion, welche im Jahr 2017 für rund 30 Milliarden Dollar an Johnson & Johnson verkauft worden war. Der Durchbruch bei Idorsia lässt allerdings weiter auf sich warten, auf Forschungserfolge folgen jeweils kommerzielle Enttäuschungen. Das derzeit risikoreiche Marktumfeld für Biotech-Aktien spricht nicht für einen Titel wie Idorsia, der seit Mitte Januar fast 40 Prozent verloren hat und auf ein Allzeittief gefallen ist.

 Aktienkursentwicklung von Idorsia in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch).