"Vergessen Sie die Weihnachtsrally", sagt John Leiper, Investmentchef von Titan Asset Management. "Die Fed ähnelt in dieser Weihnachtszeit eher dem Grinch." Damit spielte er auf die grüne Hauptfigur des erfolgreichen US-Kinderbuchs "Wie der Grinch Weihnachten gestohlen hat" an.

Die EZB dämpfte ebenso wie die Fed Spekulationen auf ein Ende der Zinserhöhungen in der zweiten Jahreshälfte 2023. "EZB-Präsidentin Christine Lagarde fiel mit einer für ihre Verhältnisse sehr aggressiven Wortwahl in Richtung Inflation und den Kampf dagegen auf", sagt Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. "Einer Trendwende oder gar einer Pause im Zinserhöhungszyklus erteilte sie mehr als deutlich eine Absage."

Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen der strafferen Geldpolitik brockte dem Dax in den vergangenen Tagen ein Minus von insgesamt mehr als 3,5 Prozent ein. Damit stand er vor dem grössten Wochenverlust seit etwa dreieinhalb Monaten. Der Swiss Market Index (SMI) verlor auf Wochensicht 2,7 Prozent.

Nur wenige Zahlen - Augen auf Anfang 2023

In der neuen Woche stehen nur wenige Konjunkturdaten auf dem Programm. Den Auftakt macht am Montag der Ifo-Index auf, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. Analysten erwarten für Dezember einen leichten Anstieg auf 87 Punkte von 86 Zählern. Zwei Tage später gibt der GfK-Index Auskunft über die Kauflaune der deutschen Konsumenten. Auch dieser wird sich voraussichtlich leicht auf minus 38 Stellen verbessern.

Mehr Spannung versprechen die kurz nach dem Jahreswechsel anstehenden Konjunkturdaten: Die US-Beschäftigtenzahlen, die europäische Inflationsrate und die Auftragseingänge der deutschen Industrie. Da der anhaltende Arbeitskräftemangel in den USA die dortigen Löhne in die Höhe treibe, sei nicht mit einem deutlichen Rückgang des Teuerungsdrucks zu rechnen, erläutert Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Daher müsse mit weiteren Zinserhöhungen der Fed gerechnet werden. Ähnliches gelte für die EZB, da unklar sei, ob die Inflation hierzulande ihren Höhepunkt bereits überschritten habe. "Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass die weltweiten kräftigen Zinserhöhungen ihre Wirkung entfalten. Dies spürt auch die deutsche Industrie."

Verstaatlichung von Uniper und Quartalszahlen

Am Anfang der neuen Woche steht bei den Unternehmen die ausserordentliche Hauptversammlung von Uniper im Fokus. Dort sollen die Aktionäre über die geplante Verstaatlichung des verlustreichen grössten deutschen Gaskonzerns abstimmen. In der alten Woche wurden vier neue Mitglieder für den Aufsichtsrat nominiert, die die Vertreter des scheidenden finnischen Mutterkonzerns Fortum ersetzen. Der Versorger aus Düsseldorf hatte wegen des russischen Gaslieferstopps in den ersten neun Monaten dieses Jahres ein Minus von etwa 40 Milliarden Euro eingefahren. Das war einer der grössten Nettoverluste eines börsennotierten Unternehmens weltweit.

Genauso rar wie Konjunkturdaten sind in den Tagen vor Weihnachten Firmenbilanzen gesät. Unter anderem öffnen der Sportartikel-Hersteller Nike und der US-Paketzusteller Fedex ihre Bücher. In Deutschland legen die Baumarktkette Hornbach und Europas grösster Kupferhütte Aurubis jeweils Zahlen vor.

(Reuters/cash)