Gold versus Bitcoin: Für die Anhänger der jeweiligen Assetklassen ist das auch immer der Kampf um das beste Mittel gegen Inflationsschutz. Weil die Notenbanken geldpolitisch unbeirrt den Fuss auf dem Gaspedal lassen, wird aus beiden Lagern regelmässig das Gespenst einer ausufernden Geldentwertung an die Wand gemalt.
Goldpreis in den letzten zwölf Monaten. Seit April geht es wieder steil nach oben. Grafik: cash.ch.
Zum Vergleich: Bitcoin hat im selben Zeitraum knapp 37 Prozent an Wert eingebüsst. "Es ist kein Zufall, dass Gold jetzt steigt. Das Edelmetall erfüllt derzeit seine Funktion als Inflationsschutz", sagt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank, gegenüber cash.ch. Auch Experten von Goldman Sachs sind überzeugt: "Rohstoffe, darunter auch Gold, bleiben die beste Absicherung gegen eine steigende Inflation", halten die Analysten in einem aktuellen Marktbericht fest.
Gold-Turbo Inflation - nur ein Basiseffekt?
Vor einigen Wochen hatten zuerst die USA mit einer stark steigenden Inflation für den Monat April für Aufsehen gesorgt. Rund 4,2 Prozent waren die Lebenshaltungskosten gegenüber dem Vormonat gestiegen - der höchste Wert seit 2008. Im März hatte die Rate mit 2,6 Prozent noch wesentlich niedriger gelegen. Diese Woche legte die Eurozone mit einer Inflationsrate für den Mai von 2 Prozent nach. Das war mehr als von Volkswirten erwartet und das höchste Niveau seit Herbst 2018.
Allerdings müssen diese Zahlen relativ gesehen werden, Stichwort Basiseffekt. Im letzten Jahr stand zu diesem Zeitpunkt die Wirtschaft weitestgehend still, zudem wurden Produktionskapazitäten abgebaut und können erst schrittweise wieder aufgebaut werden. Somit ist es nur folgerichtig, dass im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung, viele Konsumenten ihr Geld jetzt ausgeben wollen. Dass dadurch in vielen Bereichen die Nachfrage das Angebot übersteigt, zieht die Preise nach oben.
«Von Zinserhöhungen noch meilenweit entfernt»
Trotzdem glaubt Fritsch, dass die Inflation auch ohne Basiseffekt weiter anhalten wird, was weiterhin für Gold spreche. "Die Inflation wird auch nach dem Basiseffekt nicht wieder auf die vorherigen Niveaus zurückfallen", ist Fritsch überzeugt. Er verweist dabei auch auf die Resultate einer Befragung der Universität Michigan, die regelmässig die Inflationserwartungen der US-Konsumenten abfragt. Für die nächsten 12 Monate werde eine durchschnittliche Teuerung von 4,6 Prozent erwartet, so Fritsch. "Doch viel interessanter ist, dass man für den Zeitraum zwischen fünf bis zehn Jahren mit Inflationsraten von durchschnittlich 3 Prozent rechnet."
Die Inflationssorgen sind für Fritsch der grosse Treiber des Goldpreises, der noch länger anhalten wird. Fritsch und die Commerzbank geben auf Jahresende ein Preisziel von 2000 Dollar je Feinunze aus, was immerhin noch einem Potenzial von über 5 Prozent entspräche.
Doch was ist, wenn die Notenbanken ihre lockere Geldpolitik doch etwas zügeln? Schliesslich sind steigende Zinsen Gift für den Goldpreis. Fritsch entgegnet: "Im Moment beginnt ja gerade erst die Debatte, wann die US-Notenbank darüber nachdenken könnte, eine Drosselung der Anleihekäufe (Tapering) in Erwägung zu ziehen." Kurz: Von Zinserhöhungen sind wir noch meilenweit entfernt.
Analystenkonsens traut steigendem Goldpreis nicht
So optimistisch wie Fritsch sind längst nicht alle am Markt. Laut dem Bloomberg-Konsensus gehen Analysten für Ende des Jahres im Mittel von einem Goldpreis von 1775 Dollar aus. Das liegt immerhin 6 Prozent unter dem aktuellen Preis. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Inflationserwartungen eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung des Goldpreises einnehmen.
Giovanni Staunovo von der UBS teilt die Befürchtungen einer anhaltenden Inflation nicht. "Wir betrachten die Inflation als temporäres Phänomen und erwarten einen Rückgang über die nächsten zwölf Monate", sagt Staunovo gegenüber cash.ch. Der Inflationsanstieg sei vor allem durch tiefe Rohstoffpreise im vergangenen Jahr unterstützt worden.
Doch Staunovo findet noch weitere negative Faktoren, die derzeit gegen Gold sprechen. So glaubt er, dass die Fed sehr wohl bald unter Druck kommen wird, den Fuss vom Gaspedal zu nehmen "Die Wirtschaft läuft ja eigentlich gut. Die Frage wird lauter werden, warum es eigentlich noch diesen grossen Support der Notenbanken braucht." Für Staunovo wird das Thema "Tapering" bald konkret werden.
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Und der UBS-Experte bringt noch einen weiteren belastenden Faktor für Gold ins Spiel: den Dollar. Der Greenback befindet seit einigen Monaten in einer Schwächephase, was traditionell gut für den Gold ist. Grund: Gold wird überwiegend in Dollar gehandelt. Das hat zur Folge, dass europäische und asiatische Käufer den günstigen Wechselkurs nutzen, um in Gold zu investieren.
Dieser Vorteil wird aber nicht mehr lange bestehen, glaubt Staunovo. "In Erwartung, dass die Fed die geldpolitischen Zügel wieder straffen wird, glauben wir, dass der Dollar seine Schwäche bald überwinden wird." Staunovo und die UBS sehen eine deutliche Korrektur des Goldpreises bis Ende Jahr. "Unser Preisziel auf Ende Jahr liegt bei 1600 Dollar".
Dollarkurs zum Franken in den letzten drei Monaten. Grafik: cash.ch.
Gold-Rally wird wohl ausbleiben
Was heisst das für Anlegerinnen und Anleger? Der jüngste Aufwärtstrends beim Gold muss nicht zwangsläufig eine neue Gold-Rally ausrufen, wie wir sie etwa im Sommer 2020 gesehen haben. Damals hatte der Preis des Edelmetalls innerhalb eines halben Jahres um rund 35 Prozent zulegen können, bis auf 2072 Dollar. Grund für den kräftigen Anstieg war auch die extreme Unsicherheit, ausgelöst durch den Corona-Schock im März 2020. Wenngleich es auch heute noch Regionen gibt, in denen das Virus unkontrolliert wütet, ist die Pandemie doch weitestgehend unter Kontrolle. Wenigstens ihren grossen Schrecken hat sie mittlerweile für viele verloren.
Und dass die Inflation auf höherem Niveau anhalten wird, ist aktuell alles andere als ausgemacht. Bleibt sie es nicht, werden die Realzinsen, also der nominale Zins minus Inflation, eher steigen, als dass sie fallen. Auch das macht Gold weniger attraktiv. Für Anlegerinnen und Anleger dürfte das traditionelle Treffen der wichtigsten Notenbanken im August in Jackson Hole, Wyoming, USA, interessant sein. Hier erhoffen sich Beobachter neue Aufschluss darüber, ob die Notenbanken tatsächlich darüber nachdenken, an den geldpolitischen Schrauben zu drehen.
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