Die weltweiten Börsen haben einen der schlechtesten Jahresstarts seit Dekaden hinter sich. Die Schweiz blieb davon nicht ausgenommen. Seit dem kurzzeitigen Fall unter die Marke von 8000 Punkten am 20. Januar konnte sich der Swiss Market Index immerhin um einige Prozentpunkte erholen. Dies geschah aber in einem hypernervösen Markt, beobachtet von verunsicherten Investoren. 

Wenn es nach dem bekannten Schweizer Investor und Börsenexperten Marc Faber geht, dann besteht weiterhin Grund, an den Börsen wachsam zu bleiben. Die Wahrscheinlichkeit einer Erholungsrallye an den Aktienmärkten sei zwar gestiegen, "aber ich sehe dies dann eher als Gelegenheit, um Aktien abzustossen", sagt Faber im cash-Börsen-Talk. "Es ist noch nicht der ideale Zeitpunkt gekommen, um Aktien zu kaufen."

Faber, der dieser Tage auf der Reise von Miami in sein Wohnland Thailand ein paar Tage Zwischenstopp in Zürich macht, sagte schon im letzten September in einem cash.ch-Interview, dass die Korrektur an den Märkten noch nicht ausgestanden sei. Auch jetzt sieht Faber noch weiteres Korrekturpotenzial. Basis für seine Kalkulationen ist jeweils der breit gefasste S&P 500 Index in den USA. Dieser hatte im Mai 2015 mit 2134 Punkten einen neuen Rekord erreicht.

"Von diesem Höchstkurs können wir ohne weiteres 20 bis 40 Prozent fallen, also auf rund 1500 Punkte", sagt Faber zu cash.ch. Damit ist er etwas "optimistischer" als sein Investorenkollege Felix Zulauf, der den Index bis auf 1200 Punkte fallen sieht. Unsicher ist Faber allerdings, wie schnell die Börsen auf dieses Niveau fallen könnten. Kurzfristig kaum, denn der Investor sagt im cash-Börsen-Talk: "In zwei bis drei Jahren werden sich an den Börsen wesentlich bessere Kaufsmöglichkeiten ergeben als heute." 

"Vermögenswertinflation" wurde gebildet

Der S&P 500 hat sich seit dem Börsentiefstand von 2009 bis ins Jahr 2015 punktemässig verdreifacht. Für Faber, der im Jahr 1987 den Börsencrash - den so genannten Black Monday - vorausgesagt hatte und seither die Namen "Crash-Prophet" oder "Dr. Doom" mit sich trägt, hat sich in diesen Jahren eine "Vermögenswertinflation" gebildet. Alles sei angestiegen - Aktien, Immobilien, Sammlerobjekte. "Die Realwirtschaft hat sich allerdings enttäuschend entwickelt", so Faber. "Ich bin sehr negativ eingestellt für die Weltwirtschaft". Er rechnet denn auch damit, dass die US-Notenbank ihre Zinserhöhung vom letzten Dezember (plus 0,25 Prozent) im März oder Juni wieder rückgängig machen wird.

Schlimm erwischt hat es seit Jahresbeginn den deutschen Leitindex Dax. Er legte im Januar mit einem Minus von knapp neun Prozent einen der schlechtesten Jahresstarts seiner Geschichte hin. Und auch die Performance des Swiss Market Index betrug im ersten Monat des Jahres enttäuschende minus 5,7 Prozent. 

Laut Faber ist die Börsenkorrektur aber seit langem schleichend im Gang. "Viele Börsen in Schwellenländern laufen schon seit 2011 nicht gut", so Faber. Dennoch blieb in den USA der S&P 500 Index lange Zeit hoch "obwohl mehr und mehr Titel fielen. Dies aus dem Grund, weil einige Aktien wie Facebook, Google oder Amazon weiter stiegen und den Index hochhielten", so Faber im cash.ch-Interview. Der mittlere Wert von Aktien in den USA sei aber bereits mehr als 25 Prozent gefallen. Faber kommt daher zum Schluss: "Wir haben bereits einen Bärenmarkt. Aber er wurde vertuscht durch Aktien, die stark geblieben sind." 

Wesentlich zum Börsenabsturz beigetragen haben die Signale der Wachstumsabschwächung in China, der weltweit zweitgrössten Volkswirtschaft - zusammen mit dem sinkenden Ölpreis. Seit mittlerweile sechs Monaten deuten die offiziellen Stimmungsdaten auf ein Schrumpfen der wirtschaftlichen Aktivitäten in Chinas Industrie hin. Die Wirtschaft wuchs vergangenes Jahr mit 6,9 Prozent so langsam wie seit einem Viertel Jahrhundert nicht mehr. 

China: "Gefahren kurzfristig unterschätzt, langfristig überschätzt"

Laut Faber, dem Asien-Kenner, wird die Lage in China von den Investoren "kurzfristig unterschätzt, langfristig aber überschätzt". Er rechnet in einigen Jahren wieder mit einem starken Wachstum in China, aber nicht mehr mit Wachstumsraten von 8 bis 12 Prozent wie zwischen 1998 und 2007, sondern mit Zahlen zwischen 4 und 6 Prozent. Den offiziellen Statistiken aus China schenkt Faber übrigens keinen Glauben. Die tatsächlichen Wachstumsraten sieht Faber nicht bei 6,9 Prozent, sondern bei "maximum 4 Prozent, es könnten auch nur zwei sein."

Für Anleger, die jetzt trotzdem in Aktien investiert sein müssen, empfiehlt Faber im Börsen-Talk Titel aus Schwellenländern - auch wenn sich ein Einstieg heute noch als zu früh herausstellen könnte. "Bei Börsenanstiegen wie in den Jahren 2003 und 2009 legen Schwellenländer normalerweise eine gewaltige Outperformance hin", so Faber. Russland etwa sieht er sehr tief bewertet.

Gelegenheiten sieht Faber derzeit auch bei Gold- und Silberminenbetreibern. In der Vergangenheit nannte er Titel wie Newmont Mining, American Barrick, Novagold oder Freeport-McMoRan. "Goldminenaktien haben sich sehr stark erholt: Die Aktie von Barrick ist seit dem Tief im letzten September um 68 Prozent gestiegen, australische Goldminenaktien haben sich teilweise verdoppelt, und jüngst sind auch südafrikanische Goldminenaktien gestiegen," so Faber. Edelmetallaktien aus den USA könnten einen solchen Anstieg noch vor sich haben, sagt Faber.

Im cash-Börsen-Talk äussert sich Marc Faber auch zum US-Dollar, zu Gold, zur Zentralbankenpolitik und zur Entwicklung der US-Wirtschaft.