Die Aussicht auf Leitzinsreduktionen in den USA beflügelt den Goldpreis. Gerademal fünf Handelstage brauchte der Preis für eine Feinunze, um vom Jahrestief bei 1266 Dollar in die Nähe des Jahreshochs von Ende Februar bei 1347 Dollar vorzustossen. Für ein neues Jahreshoch reichte die Kraft dann aber nicht mehr aus.
Nicht nur die Geschwindigkeit, auch das Ausmass dieses Preissprungs erwischte ach so manchen Experten auf dem falschen Fuss - unter ihnen der bekannte, für Julius Bär tätige Charttechniker Mensur Pocinci. Noch vor wenigen Wochen warnte er beim Gold vor einer berüchtigten Trendumkehrformation nach unten (cash berichtete). Allerdings fiel der Preis für eine Unze des Edelmetalls nicht deutlich unter die Nackenlinie bei 1280 Dollar. Gemäss Lehrbuch hätte das eigentlich einen weiteren Rückschlag in die Region von 1200 bis 1220 Dollar nach sich ziehen müssen.
Julius Bär noch immer zurückhaltender als die UBS
Pocinci gibt sich mittlerweile denn auch geläutert. Er kehrt von seiner pessimistischen Haltung für das Edelmetall ab und erhöht sein Anlageurteil von "Bearish" auf "Neutral". So lange die Gold-Unze nicht über den Schlüsselwiderstand bei 1437 Dollar zurückfindet, sieht der bekannte Charttechnikexperte das Edelmetall in einer Seitwärtsbewegung gefangen.
Beeindruckende Aufwärtsbewegung beim Goldpreis über die letzten Tage (Quelle: www.cash.ch)
Optimismus signalisiert hingegen sein Berufskollege Michael Riesner. Er ist im Mandat für die UBS Investmentbank tätig und hatte dem Goldpreis schon vor einer Woche einen starken Juni prognostiziert. Im Hinblick auf die zweite Jahreshälfte traut Riesner der Unze gar einen Sprung über die wichtige Widerstandszone bei 1350 bis 1375 Dollar zu. Der UBS-Charttechnikexperte rät Anlegern deshalb, jegliche Rücksetzer zum Kauf oder zum Ausbau bestehender Positionen zu nutzen.
Rückläufige Zinserwartungen dürften helfen
Ob der Goldpreis weiterhin Auftrieb hat, entscheiden nicht zuletzt die Zinserwartungen. Von den Anleihenkursen lässt sich eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die US-Notenbank ihre Leitzinsen noch in diesem Jahr um 25 Basispunkte senken wird. Für die erste Hälfte nächsten Jahres gehen die Anleger gar von zwei weiteren Leitzinsreduktionen aus.
Für gewöhnlich helfen tiefere Zinsen dem Gold. Denn zum einen wirft das Edelmetall keine Erträge ab. Je höher die Zinsen, desto unattraktiver ist es aus Anlegersicht. Zum anderen ist seit Jahren eine Wechselwirkung zwischen dem Goldpreis und dem Dollar zu beobachten. Steigt der Dollar, fällt der Goldpreis - und umgekehrt. Da tiefere Dollar-Zinsen die Attraktivität des "Greenbacks" schmälern, helfen sie so indirekt dem Edelmetall.