Immer schneller dreht sich das Mode-Karussell - alle drei Wochen soll eine neue Kollektion im Laden hängen. Doch Lieferengpässe und steigende Frachtkosten bringen Modefirmen, die auf Fast Fashion setzen, in die Bredouille. "Bei Fast Fashion dreht sich alles darum, als erster auf dem Markt zu sein", erklärt Gus Bartholomew, Chef der auf Produktentwicklung und Liefersoftware für Modefirmen spezialisierten Londoner Firma SupplyCompass. Viele Unternehmen hätten derzeit aber Lieferprobleme, vor allem bei Waren aus Asien. "Die meisten Marken kämpfen derzeit damit zu wissen, wann Ware geliefert wird und wann Dinge vielleicht schiefgehen könnten und wie sich das genau auswirkt", beschreibt Bartholomew die Unsicherheit in der Branche. Eine kurzfristige Abhilfe ist nicht in Sicht.

Ende September berichtete die schwedische Modekette H&M von Engpässen bei der Produktion und Logistik. Konzernchefin Helena Helmersson sagte, die Situation verbessere sich zwar auf der Lieferantenseite, aber sie rechne im laufenden Quartal mit weiteren Verzögerungen. Nike-Finanzvorstand Matt Friend erklärte, die Lieferzeiten aus Asien in die USA hätten sich im vergangenen Monat auf 80 Tage verdoppelt. Auch Abercrombie & Fitch, Boohoo oder ASOS klagten über Lieferschwierigkeiten und höhere Rohstoffpreise.

Eines der weltweit grössten Herstellerländer für die Textilbranche ist Vietnam mit seinen über 6000 Bekleidungs- und Textilfabriken. Marken wie Ralph Lauren, North Face, Lacoste, Nike oder Zara produzieren hier. Das Land ächzt unter einer neuen Corona-Welle und staatlichen Restriktionen zu deren Eindämmung. Infolgedessen erlebt das Land eine Massenabwanderung von Arbeitern. "Die letzten drei Monate dieses Jahres werden eine extrem schwierige Zeit für Vietnams Textil- und Bekleidungsindustrie", sagt die Regierung voraus. Fabrikbesitzer rechnen erst ab der zweiten Hälfte 2022 mit einer Besserung, weil erst dann genügend Menschen gegen COVID-19 geimpft seien.

Importe aus Billiglohnländern zahlen sich derzeit nicht aus

Für Fast Fashion hat die Belieferung aus den Billig-Lohnländern Asiens eine zentrale Bedeutung. Die Abhängigkeit kann aber eben auch Probleme bereiten. "Ein grosser Schwachpunkt ist die Fertigung in Ländern wie Vietnam, Bangladesch oder China", sagt Neil Saunders, Experte bei GlobalData Retail. Für Fast Fashion spiele die Zeit eine entscheidende Rolle. Wenn das Timing nicht stimme, blieben Firmen ausserhalb der Saison auf ihrer Ware sitzen oder es sei nicht genug da, wenn im November das Weihnachtsgeschäft losgehe. Bei Zara in den USA war zum Beispiel ein Drittel der schwarzen Herren-Blazer im dritten Quartal nicht lieferbar, bei H&M rund ein Fünftel der weissen Damen-T-Shirts, wie die Datenanalysefirma StyleStage herausfand.

Eine langfristige Lösung des Problems könnte die Verlagerung der Produktion in der Nähe des Heimatmarktes sein. Das würde Lieferzeiten und Transportkosten verringern und auch ökologisch Sinn machen. So kommt der spanische Weltmarktführer, die Zara-Mutter Inditex, derzeit deutlich besser durch die Krise als etwa der Rivale H&M, der Analysten zufolge 70 Prozent seiner Waren aus Asien bekommt. Inditex lässt dagegen einen grossen Teil seiner Waren auf dem Heimatmarkt oder in der Nähe fertigen, etwa in Portugal oder Marokko. Auch der deutsche Modehändler Hugo Boss hat bislang keine Lieferprobleme gemeldet und statt dessen einen positiven Ausblick gewagt. Der für seine Herren-Anzüge bekannte Textilhersteller lässt in der Türkei, in Deutschland, Polen und in Italien nähen. Auch bei der italienischen Benetton wird umgedacht und die Produktion zunehmend von Asien in die Nähe verlagert. 

(Reuters)