Die Abschlussprüfer von EY (Ernst & Young) durchleuchten seit 2009 das Zahlenwerk des Zahlungsabwicklers aus Aschheim. Erst in diesem Jahr stolperten sie über offenbar gefälschte Bankbestätigungen über Milliardensummen und verweigerten dem Unternehmen das erwartete Testat. Gegen Betrug seien auch die besten Prüfer nicht gefeit, rechtfertigte sich EY.

Das EY-Netzwerk, dessen Deutschland-Tochter in Stuttgart sitzt, gehört zu den "Big Four", den grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die das Milliardengeschäft mit den Abschlüssen der Grosskonzerne quasi unter sich aufgeteilt haben. Die anderen drei heissen KPMG, PwC und Deloitte.

In Deutschland ist EY gerade auf dem aufsteigenden Ast. Aktuell prüft das Unternehmen - einschliesslich Wirecard - voraussichtlich sieben der 30 Konzerne im Leitindex Dax, das sind zwei mehr als 2019 - obwohl ihr gerade gewonnener Kunde Lufthansa vor kurzem aus dem Dax abgestiegen ist. Dazu gehören zwei besonders lukrative Mandate: Siemens - schon seit 2009 - und seit neuestem die Deutsche Bank zahlen jeweils gut 50 Millionen Euro für die Bilanzprüfung. Der Frankfurter Finanzkonzern war vorher 62 Jahre lang Kunde von KPMG.

Neue Mandanten

Neue EY-Mandanten sind seit diesem Jahr auch die Münchener Rück (bisher KPMG) und Volkswagen (bisher PwC). Bei Beiersdorf sowie MTU Aero Engines ist EY schon länger am Start, abgeben mussten die Stuttgarter nur das Mandat für HeidelbergCement (an PwC). 2021 will nach Medienberichten die Deutsche Telekom zu EY wechseln. Allerdings muss die Hauptversammlung der Berufung jedes Jahr zustimmen.

Damit dringt allmählich EY in die Phalanx von KPMG und PwC vor, die in den vergangenen Jahren mehr als 80 Prozent der Dax-Mandate verteidigt hatten. Die Stuttgarter sind bisher der grosse Gewinner der Neuregulierung des lukrativen Wirtschaftsprüfungs-Marktes 2016. Die EU reagierte damit auf die Finanzkrise, in der den Prüfern vorgeworfen worden war, nicht oder zu spät vor den Risiken in den Bank-Bilanzen gewarnt zu haben. Seither müssen börsennotierte Unternehmen ihre Abschlussprüfer öfter wechseln.

Eigentlich wollten sie die Regulierer alle zehn Jahre zu einem Austausch zwingen. Doch die Bundesregierung nutzte ein Schlupfloch, die es den Unternehmen ermöglicht, ihren Prüfer bis zu 20 Jahre zu behalten, wenn das Mandat nach zehn Jahren neu ausgeschrieben wird. Mit einem zweiten Abschlussprüfer an der Seite können daraus sogar 24 Jahre werden.

Kleine kommen kaum zum Zug

Das Argument: Bei häufigeren Wechseln ginge zu viel wertvolles Hintergrundwissen über die Unternehmen verloren, das sich neue Prüfer erst mühsam aneignen müssen. Kritiker werfen den Bilanzexperten dagegen eine gewisse Betriebsblindheit vor, wenn sie zu lange in einem Unternehmen tätig sind.

Kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kommen bei grossen Unternehmen trotz der Zwangsrotation kaum zum Zuge. Selbst im Nebenwerteindex MDax greift nur die Software AG zur Nummer fünf der Branche, BDO. Entsprechend gross ist der Abstand der "Big Four": Nach der anerkannten Lünendonk-Liste rangierte PwC 2018 mit einem Umsatz von 2,16 Milliarden Euro unter den grössten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungesgesellschaften vor EY (1,92 Milliarden) und KPMG (1,83 Milliarden). Hinter Deloitte (1,47 Milliarden) klafft eine riesige Lücke: BDO kommt auf 241 Millionen Euro. 

(Reuters)