Teile des chinesischen Aktienmarktes sind seit einiger Zeit kaum zu bremsen. Ein Beispiel ist das Biotechnologieunternehmen TransThera Sciences. Dessen Valoren sind in den drei Monaten seit seinem Börsendebüt in Hongkong um mehr als 4500 Prozent in die Höhe geschossen und haben damit die Sorge vor spekulativen Käufen geschürt.
Im Juni wurden sie zu 13,15 Hongkong-Dollar (HKD) erstmals an der Börse gehandelt. Am Dienstag nun erklommen sie vorübergehend die Marke von 679,50 HKD - sind inzwischen aber wieder auf 209 HKD zurückgekommen. TransThera wies in einer Mitteilung am Dienstag auf die «ungewöhnlichen Bewegungen» des Aktienkurses hin und bestätigte gleichzeitig, dass «der Geschäftsbetrieb weiterhin normal» sei.
Die rasante Rallye unterstreicht das Interesse der Anleger an Chinas Biotech-Offensive inmitten eines überhitzten Hongkonger Aktienmarktes. Sie verstärkt aber auch die Sorge vor hohen Bewertungen in einem Sektor, der immer noch mit Risiken bei der Medikamentenentwicklung behaftet ist. Im jüngsten Zwischenbericht des Unternehmens meldete TransThera für den Zeitraum bis zum 30. Juni null Umsatz. Mit anderen Worten: Es verkaufte noch nichts.
Die Aktienperformance sei «definitiv verrückt», sagt Haris Khurshid, Anlagechef bei Karobaar Capital mit Sitz in Chicago. «Aber das sagt mehr über die Stimmung als über die Fundamentaldaten aus.»
Mittlerweile aber übertrifft das Biotech-Unternehmen den Marktwert von Pharmariesen wie Akeso und Innovent Biologics und nähert sich BeOne Medicines an. Das ist ein chinesischer Biotech-Pionier mit doppelter Börsennotierung in den USA und Hongkong. «Hongkongs Biotech-Sektor lechzt nach einem grossen Erfolg, und die Händler jagen offensichtlich allem hinterher, was nach einem Durchbruch aussieht», sagte Khurshid. Er warnt: «Solche Aufschwünge können ebenso heftig umschlagen.»
Chinas Technologiewerte im Aufschwung
Auch ein anderer Sektor läuft aktuell rund: Am Mittwoch beschleunigte sich der Aufschwung chinesischer Technologieaktien, als erneute Wetten auf Künstliche Intelligenz einen wichtigen Indikator auf den höchsten Stand seit fast vier Jahren trieben.
Der Hang Seng Tech Index, der die grössten in Hongkong notierten Technologieunternehmen abbildet, stieg um bis zu 3,9 Prozent und erreichte seinen höchsten Stand seit November 2021. Der Suchmaschinenbetreiber Baidu führte die Gewinne mit einem Anstieg von 19 Prozent an. Doch mehrere Technologiegiganten konnten mitziehen: Die Aktien der Alibaba Group, Semiconductor Manufacturing International und JD.com legten allesamt stark zu.
Der Index liegt nun die siebte Woche in Folge im Plus. Begünstigt werden diese Entwicklung durch die Entspannung zwischen China und den USA sowie aufgrund der Hoffnung, dass sich die grossen Investitionen der Technologieunternehmen in den Bereich KI auszahlen. Der Index ist in diesem Jahr um 41 Prozent gestiegen und hat damit die Benchmark regionaler Vergleichsunternehmen deutlich übertroffen.
«Chinas führende Technologieunternehmen beschleunigen ihre Ausgaben für KI und die Einführung neuer Produkte - Modelle, Robotertaxis, eigene Chips - deutlich und beweisen gleichzeitig, dass sie KI schneller monetarisieren können, als viele erwartet hatten», sagt Charu Chanana, Chef-Investmentstratege bei Saxo Markets. «Da die Bewertungen hinter denen in den USA zurückbleiben, werden die Anleger wieder aufmerksam.»
Der Hang-Seng-Tech-Index wird mit dem 20,5-Fachen der erwarteten Gewinne gehandelt und liegt damit unter seinem Fünfjahresdurchschnitt von 23,3 sowie dem 27-Fachen des Nasdaq-100-Index, wie aus von Bloomberg zusammengestellten Daten hervorgeht.
Mit DeepSeek kam die Wende am chinesischen Aktienmarkt
Sollte sich die Erholung fortsetzen, könnte dies die Kapitalrückführung in Chinas Märkte beschleunigen, nachdem es jahrelang aufgrund regulatorischer Massnahmen und der wirtschaftlichen Probleme nach der Pandemie zu Turbulenzen gekommen war. Das überraschende Debüt des DeepSeek-KI-Modells zu Beginn dieses Jahres hat das Interesse am gesamten chinesischen KI-Universum neu entfacht und das Land wieder als Anwärter auf die KI-Führung ins Rampenlicht gerückt.
Broker heben nun ihre Kursziele an. Goldman Sachs hat das Kursziel für die Alibaba-Aktie erhöht und verwies auf bessere Aussichten für das Cloud-Geschäft des Unternehmens. Arete Research Services hat die Bewertung der American Depositary Receipts von Baidu aufgrund des Wachstumspotenzials des hauseigenen Chip-Geschäfts auf «Kaufen» von «Verkaufen» angehoben.
Anfang der Woche schon stufte JPMorgan den Batteriehersteller Contemporary Amperex Technology hoch. Auch andere Belastungen für Chinas Internetsektor lassen allmählich nach. Ein lokaler Medienbericht zitierte den JD.com-Vorsitzenden Richard Liu mit der Aussage, er sei nicht an einem Preiskampf im Hotelsektor interessiert, und liess die Aktien des E-Commerce-Riesen um mehr als 6 Prozent steigen. Auch Konkurrenten wie Meituan und Trip.com legten zu.
Im KI-Investitionsrausch
Chinas grösste Technologieunternehmen stecken mitten in einem Investitionsrausch für Künstliche Intelligenz und liefern sich anscheinend ein Wettrennen - und zwar untereinander sowie mit US-Firmen um die Eroberung eines Marktes, von dem allgemein erwartet wird, dass er die Lebens- und Arbeitsweise der Menschen revolutionieren wird.
Laut einem Bericht von Bloomberg Intelligence werden die gesamten Kapitalausgaben grosser chinesischer Internetunternehmen wie Alibaba, Tencent Holdings, Baidu und JD.com im Jahr 2025 voraussichtlich 32 Milliarden US-Dollar erreichen und sich damit gegenüber den 13 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 mehr als verdoppeln.
Dies hat zu einer Finanzierungswelle an den Aktien- und Anleihemärkten geführt. Alibaba sammelte letzte Woche 3,2 Milliarden Dollar durch eine Blockbuster-Wandelanleihe ein, während Tencent am Dienstag auf dem Dim-Sum-Bond-Markt 9 Milliarden Yuan - das sind 1,27 Milliarden Dollar - einsammelte. Dies war die erste Anleiheemission des Unternehmens seit vier Jahren.
Im Weiteren stiegen die Aktien des chinesischen Chipherstellers SMIC um über 6 Prozent, nachdem bekannt wurde, dass Tests mit Chinas erster im Inland produzierter Anlage zur Herstellung fortschrittlicher Chips durchgeführt werden. Die Stimmung der Anleger wird auch durch ermutigende Anzeichen in den bilateralen Beziehungen zwischen den beiden grössten Volkswirtschaften der Welt gestützt.
US-Präsident Donald Trump kündigte diese Woche an, am Freitag mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zu sprechen. Und US-amerikanische und chinesische Beamte haben sich auf eine Rahmenvereinbarung zur Aufrechterhaltung des TikTok-Betriebs in den USA geeinigt.
(Bloomberg)