Sorgen, dass die Schweizer Börse in diesem Jahr unter die Räder kommen könnte, haben sich als unbegründet erwiesen. Die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus lässt Anleger inzwischen angesichts der Bedenken, welche Implikationen für die Erholung der Weltkonjunktur zu erwarten sind, wieder auf sichere Häfen setzen. Schweizer Vermögenswerte sind also gesucht.

Der stark hin zu Defensivwerten gewichtete SMI hat in den vergangenen drei Monaten um 10 Prozent zugelegt und die meisten grossen europäischen Indizes übertrumpft. Der Franken hat gerade ein Mehrmonatshoch zum Euro erklommen. Dies signalisiert, dass Risikoappetit und Wachstumserwartungen fragil bleiben. Zum Bild passt, dass die Rendite der zehnjährigen Bundesobligationen von -0,1 Prozent im Mai auf inzwischen rund -0,4 Prozent gesunken ist. 

Defensive Qualitäten und SNB-Schutz für Exporteure

Vor diesem Hintergrund lassen ausländische Banken und Fonds den Schweizer Aktienmarkt nicht fallen. Im Gegenteil: "Schweizer Aktien sind nach wie vor unverzichtbar", sagt Alexandre Baradez, Chefanalyst bei IG France, und verweist auf das defensive Profil des SMI, die stetigen Erträge und die politische Stabilität der Schweiz. Der ständige Kampf der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gegen eine zu starke Währung wertet Baradez als zusätzlichen Bonus, weil dieser die Exporteure schütze. 

Der Kursverlauf des SMI ist nach wie vor besser als jener des Euro Stoxx 50 (Grafiken: Bloomberg). 

Der SMI erreichte vergangene Woche wie auch am Montag neue Rekordhochs, wobei jeweils der Pharmariese Roche - der im Index ein Gewicht von rund 18 Prozent hat - im Rampenlicht stand. Dafür sorgte die Nachricht, dass die japanische Softbank eine Beteiligung im Volumen von 5 Milliarden Dollar aufgebaut hat.  Am gestrigen Montag stiegen die Valoren erneut auf ein Höchst, nachdem in der Forschung zur Behandlung von einer bestimmten Form von Lymphkrebs ein erfolgreicher Abschluss einer Studie bekannt gegeben wurde. Die Aussichten für Roche wie auch Novartis an der Börse gelten als weiterhin gut. 

Stratege Luca Paolini von Pictet Asset Management stufte Schweizer Aktien vergangene Woche auf "übergewichten" hoch. Dabei verwies er auf die grossen Anzahl von Schweizer "Qualitätsaktien", die in der mittleren Phase eines Bullenmarktes in der Regel gut abschnitten. Auch die amerikanische Citi hat die Schweiz taktisch übergewichtet. Zuvor hatte die Bank in dieser Woche bereits den Gesundheitssektor auf Übergewichten hochgestuft.

Eine deutliche Bewertungsprämie wie bei anderen Märkten zeigt sich in der Schweiz weniger.

Was die Bewertung betrifft, so haben Schweizer Aktien immer noch Raum nach oben. Nachdem der SMI im Dezember 2020 einen Abschlag von 6 Prozent gegenüber der Euroraum-Konkurrenz erreichte, zeigt er angesichts der jüngsten Rally wieder einen Aufschlag von 10 Prozent. Auf Sicht der letzten 15 Jahre hat er jedoch einen durchschnittlichen Aufschlag von 20 Prozent gezeigt.

US-Bondrenditen könnten den Markt wieder belasten

"Es ist ein guter Zeitpunkt, um in Schweizer Aktien zu investieren", sagt Eleanor Taylor Jolidon, Fondsmanagerin bei Union Bancaire Privée. Schweizer Unternehmen "verfügen über starke Bilanzen, investieren viel in Forschung und Entwicklung, haben Produkte, die jeder Art von Währungsgegenwind standhalten können" und "schneiden in Zeiten der Marktkorrektur relativ gesehen besser ab."

Taylor Jolidon bestreitet allerdings, dass die Schweiz ein "Safe-Haven-Markt" sei. "Es ist sehr stark ein Qualitätsmarkt." Die Erfahren der Coronapandemie würden mehr Aufmerksamkeit in Richtung Diagonstik, Umwelt und den Gebäudebau richten. Als Unternehmen, die von der Entwicklung besonders profitieren würden, seien die Bauzulieferer Belimo, Sika und Forbo sowie die Medizinaltechnikunternehmen Sonova und Straumann.

Schweizer Aktien sind auf zyklische Unter-Performance angewiesen.

Der von defensiv ausgerichteten Aktien dominierte Schweizer Markt hat eine Schwäche: Eine Outperformance gegenüber anderen Märkten setzt eine Schwäche bei den Zyklikern voraus. "Der Markt belohnt weiter die zyklischen Segmente, die stark unter der Pandemie gelitten haben", sagt Marc Decker, Leiter Portfolio Management von Merck Finck. Es brauche aber weitere positive Wachstumsaussichten für einen Aufwärtstrend. Angesichts hoher Bewertungen und seiner saisonalen Schwäche der Aktienmärkte in den Monaten August und September würden Zykliker wohl eher unter Druck kommen. 

Bloomberg Intelligence indessen geht davon aus, dass das Gewinnwachstum im weiteren Jahresverlauf anderswo stärker ausfallen wird, und zwar zu attraktiveren Multiplikatoren. "Es dürfte jedoch etwas Zeit brauchen, bis dies durchschlägt", sagt Stratege Tim Craighead - auch dies wäre summa summarum ein Punkt für den defensiven Schweizer Markt.  

Weitere Stimmen äussern sich aber auch kritisch. Einige Strategen der Bank of America bleiben bei Schweizer Aktien untergewichtet. Der Schweizer Aktienmarkt ist auch Sicht der Analysten der US-Grossbank gegenüber den Renditen für zehnjährige amerikanische Staatsanleihen exponiert. "Schweizer Aktien neigen bei einem Ansteig der US-Bond-Renditen zur Unter-Performance, weil die defensiven Sektoren stark gewichtet sind - speziell Pharma." 

(cash/Bloomberg)