Fraser Perring war früher Sozialarbeiter und sieht mit seinem Vollbart eher aus wie ein Geschichtslehrer als ein berüchtigter Shortseller, der mit Leerverkauf-Attacken gegen bekannte Firmen schon häufig Erfolg hatte. Doch der Gründer von Viceroy Research war einer der Ersten, der 2016 auf Unklarheiten in den Bilanzen von Wirecard hinwies – und wir wissen, wie diese Story endete

Jetzt knöpft sich der Brite Tesla vor. Gestern Morgen sorgte er mit einem Tweet beim Kurznachrichtendienst Twitter für Aufregung. Einen Bericht von Bloomberg über den Wettkampf von Tesla mit Volkswagen (VW) und Toyota kommentierte er mit "I’m short again".

Der Bloomberg-Artikel, auf den sich Perring in seinem Tweet bezieht, analysiert die 170 Milliarden Dollar Investment (100 Milliarden bei VW, 70 bei Toyota), mit dem die beiden traditionellen Autobauer in den nächsten Jahren voll auf Elektroautos setzen wollen. Die Milliarden-Initiative ist frontal gegen Tesla gerichtet, den Weltmarktführer bei Elektroautos. Auch die "Handelszeitung" berichtete darüber ausführlich.

Shortseller wie Perring leihen sich bei anderen Marktteilnehmern gegen eine Gebühr Aktien, um sie danach direkt zu verkaufen. Sie setzten auf fallende Kurse bis zum Rückgabedatum, um sie dann günstiger zurückzukaufen. Die Differenz aus Verkauf und Kauf zum niedrigeren Kurs streichen sie als Gewinn ein, abzüglich der Leihgebühr. Wie viel Perring gegen Tesla investiert hat, ist nicht bekannt. Eine Anfrage der "Handelszeitung" zur Investionssumme liess Viceroy Research unbeantwortet.

Die fundamentalen Daten sprechen gegen Tesla, aber …

Tesla hat im vergangenen Jahr rund 940’000 Elektroautos verkauft, so viel wie kein anderer Hersteller auf der Welt. Der Renner ist das Model 3, das in der Schweiz 2021 sogar zum meistverkauften Auto insgesamt wurde.

 

Der Vorwurf, dass der Aktienkurs von Tesla in keinem Verhältnis zu den Verkaufsdaten steht, ist nicht neu. Während sowohl VW als auch Toyota für jeden verkaufen Tesla zehn bis elf eigene Autos verkaufen, ist ihre Marktkapitalisierung zusammengezählt knapp siebenmal geringer als die rund 1000 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung von Tesla. Die Frage, ob VW und Toyota unterbewertet oder Tesla überbewertet sei, hat Perring für sich klar beantwortet. Er glaubt nicht an Tesla.

Klares Overshooting-Risiko

Autopapst Ferdinand Dudenhöffer, in der Vergangenheit eher ein Tesla-Kritiker, zollt der Strategie von Tesla inzwischen grundsätzlich Respekt: "Die Tesla-Dynamik und Innovationskraft ist hoch beeindruckend. Daher bin ich davon überzeugt: Tesla ist gesetzt und wird zum grössten Wettbewerber von BMW, VW und Toyota." Bei der Höhe des Aktienkurses ist er allerdings nach wie vor skeptisch. Er fasst für die "Handelszeitung" seine Analyse zum Aktienkurs in vier Punkten zusammen:

  1. Tesla hat aktuell einen Börsenwert von etwa 1000 Milliarden Dollar. Bei einer Eigenkapital-Rendite von 15 Prozent müssten eigentlich jährliche Gewinne in Höhe von 150 Milliarden Dollar anfallen.
  2. BMW hat ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12, Toyota hat ein KGV von 13, Alphabet ein KGV von 27. Auch wenn Tesla eine grosse Wachstumsstory vor sich habe, so Dudenhöffer, sei der Kurs sehr hoch. Das Tesla-KGV dürfte nach seiner Einschätzung 2021 bei 900 liegen. Das sei ein Indikator für ein "Overshooting" beim Börsenkurs.
  3. Dudenhöffer rechnet vor: "Angenommen, Tesla verkauft in 10 plus x Jahren 10 Millionen Pkw pro Jahr. Dabei kann der Durchschnittspreis nicht über 30’000 Dollar liegen, also der Umsatz bei 300 Milliarden Dollar. Geht man weiter davon aus, dass eine Umsatzrendite von 10 Prozent erzielt wird, dann wären das 30 Milliarden Dollar Gewinn. Um den aktuellen Börsenwert zu rechtfertigen, bräuchte man aber nach den Überlegungen und Annahmen 150 Milliarden Dollar Gewinn. Auch diese Überlegung zeigt das Overshooting-Risiko."
  4. Elon Musk hat zuletzt in grösserem Stil Aktien verkauft. Dudenhöffer geht davon aus, dass eine Motivation war, den Börsenkurs aus dem Overshooting-Gefahrenbereich zu nehmen.

​​​​Das Fazit des Autopapstes: "Tesla hat meiner Einschätzung nach beim Kurs ein klares Overshooting-Risiko und damit das Risiko, dass Short-Wetten zunehmen. Die Frage ist, wie viel Zeit haben die Short-Spekulanten? Wer zu lange wettet und mit der Wette den Kurs nicht beeinflusst, verliert."

Bekannte Shortseller haben bereits aufgegeben

Einer, der bei Short-Wetten auf Tesla bereits verloren hat, ist nicht weniger bekannt als Fraser Perring. Es ist der Gründer des Hedgefonds Muddy Waters Capital, Carson Block. Die "New York Times" zitierte Mitte letzten Jahres aus dem Aktionärsbrief des langjährigen Musk-Kritikers an seine Kunden.

Er offenbarte in dem Brief, dass er die mehrjährige Wette seiner Firma gegen den Elektroautohersteller in den "Himmel" geschickt habe, ohne die Absicht, sie wiederzubeleben. Block gab zu, dass er Musks Fähigkeit unterschätzt habe, Kapital in riesigen Mengen zu beschaffen, sich selbst neu zu erfinden und die Aktionäre in seinen Bann zu ziehen. Und er erklärte auch, was sein Fehler war: "Tesla-Shorts haben sich auf Teslas mangelnde Grösse konzentriert, um bei Elektroautos mit General Motors, Ford, VW und anderen zu konkurrieren. Aber sie haben die falsche Grössenordnung betrachtet." Tesla sei deshalb so hoch bewertet, so Block, weil das Unternehmen mit seinem einzigartigen Ruf in der Lage sei, viele Milliarden für weitere Investitionen zu beschaffen, und Kapitalerhöhungen bei Tesla die Aktie tendenziell weiter nach oben treiben.

Perring wird das Schreiben von Block kennen. Aber er scheint Blocks Einschätzung offensichtlich nicht zu teilen. Ob Perrings aktuelle Wette aufgeht, kann man gespannt verfolgen. Auf dem Profilbild seines Twitter-Accounts zeigt er sich in einer Ritterrüstung mit erhobenem Schwert. Ob er mit der Wette gegen Tesla als strahlender Ritter endet oder als Don Quijote, bleibt offen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: Was es bedeutet, dass ein prominenter Shortseller gegen Tesla wettet