"Das Virus hat den Aktienmarkt weiter fest in der Hand", sagte Tobias Basse, Aktienstratege bei der NordLB. "Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben." Wieder stärker steigende Infektionszahlen in Europa schürten hier zuletzt die Furcht vor einer zweiten Welle.

Der Eurostoxx und der Dax verloren in der abgelaufenen Woche 4 Prozent, der Swiss Market Index 2 Prozent und der Dow Jones 0,2 Prozent. Der Nasdaq gewann indes 4 Prozent an Wert.

Auf die Stimmung drückten die wieder stärker steigenden Infektionszahlen und der Einbruch der Wirtschaft im zweiten Quartal. Die Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus haben weltweit die Wirtschaftsleistung so stark sinken lassen wie nie zuvor und die Arbeitslosigkeit in die Höhe getrieben.

Traditionell gelten die Sommermonate ohnehin als schwierig für den Aktienmarkt. Viele Händler sind im Urlaub, die Umsätze sind geringer als sonst, die Schwankungen dafür grösser. Anleger werden daher wohl starke Nerven brauchen.

Erhoffte Wirtschaftserholung im zweiten Quartal in Gefahr

Die alles entscheidende Frage sei, wie sich die Neuinfektionen vor allem in den derzeit besonders betroffenen US-Bundesstaaten im Süden entwickelten, sagte Basse. "Sollten weitere Lockdowns nötig werden, ist die erhoffte Wirtschaftserholung im zweiten Quartal in Gefahr."

In den USA sind inzwischen mehr als 150'000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben, so viele wie in keinem anderen Land. "Immerhin scheint US-Präsident Donald Trump inzwischen begriffen zu haben, dass eine Eindämmung der Pandemie seine Wahlchancen im November eher erhöht", schrieb Matthias Krieger, Volkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg. "Insofern besteht Hoffnung auf ein Gegensteuern."

Derzeit schienen die Aktienmärkte von einer schnellen und kräftigen Wirtschaftserholung auszugehen, sagte Rainer Weyrauch, Experte bei der Fürst Fugger Privatbank. Anzeichen dafür, wie es im Sommerquartal weitergehen könnte, liefern in der kommenden Woche unter anderem die Daten zum Auftragseingang und zur Produktion der deutschen Industrie sowie zum Außenhandel in Deutschland und den USA.

Getrieben seien die Kurse zuletzt auch von den massiven Geldspritzen von Regierungen und Notenbanken. "Hinzu kommt, dass bemerkenswert viele Privatanleger die Börsen gerade neu für sich entdecken", sagte Weyrauch. "Traditionell führt das übrigens zu Fehlentwicklungen. Daher ist es gut, dass zumindest viele professionelle Marktteilnehmer skeptisch sind und wir so von einer gefährlichen Euphorie weit entfernt sind."

Für weiteren Gesprächsstoff sorgt die Bilanzsaison der Firmen: In der Schweiz legen unter anderen Adecco, Dufry, Oerlikon, Galenica oder VAT die ZAhlen vor. In Deutschland sind es Allianz, BMW, Infineon, Siemens, Adidas und der Münchener Rück. Für viele der Unternehmen dürften dabei im zweiten Quartal tiefrote Zahlen in den Büchern stehen. Börsianer achten daher wohl vor allem auf den Ausblick für Anzeichen, wie schnell es wieder aufwärts gehen könnte.

(Reuters)