Nachdem bereits die Januar-Inflationszahlen und die Erzeugerpreise in den USA die Erwartungen nach oben verfehlt hatten, lag am Freitag auch das US-Konsumbarometer PCE-Deflator mit 5,4 Prozent über den prognostizierten 5 Prozent. Aktien aber hielten sich zum Teil erstaunlich gut. Zeitweise hatten Aktien die stetig weiter steigenden Zinsen, falkenhafte Zentralbanktöne und die enttäuschenden Inflationsdaten gekonnt ausgeblendet und sich auf relativ hohem Niveau gehalten. Ein Blick auf den Verlauf des Euro Stoxx 50 Future im Februar zeigt, wie jeder noch so kleine Rücksetzer binnen Stunden sofort wieder nach oben gekauft wurde.

Ein Muster, das nicht verwundert - wenn man bedenkt, dass der Markt derzeit fast ausschliesslich von systematischen Investoren wie Trendfolgern oder Optionstradern getrieben wird. Klassische Investoren mit untergewichtetem Risiko dürften derzeit eher an der Seitenlinie stehen und auf eine grössere Korrektur für den Wiedereinstieg warten, während der Druck, massiv Aktien zu verkaufen, trotz der warnenden Stimmen fast aller Wall-Street-Strategen (noch) nicht gross genug zu sein scheint.

Auch in Europa könnte die Rally der ersten Wochen des Jahres langsam ausfransen. Zwar stehen die Aktienmärkte nach einem Jahr Krieg in der Ukraine besser da als zum Zeitpunkt von dessen Ausbruch. Dazu sagt Sophie Lund-Yates vom britischen Vermögensverwalter Hargreaves Lansdown: “Es ist klar, dass der Markt die Risiken als tiefer einschätzt als beim Beginn des Krieges - und während Teile der Rallye nachvollziehbar sind, ist der Sicherheitspuffer bei europäischen Aktien geschrumpft.” 

Eine Eskalation des Ukrainekrieges würde wohl zu einer heftigen Marktreaktion führen, so Lund-Yates. Bei der Bank of America sehen Fondsmanager geopolitische Gefahren als zweitgrösstes Risiko, nach der Gefahr einer anhaltend hohen Inflation. Einen Friedensschluss in der Ukraine sehen die meisten als unwahrscheinlich an. 

Die geopolitischen Risiken dürften den Bewertungen einen Deckel versetzen, weil der Schub von wieder tieferen Gaspreisen, einem schwächeren Dollar und der Wiedereröffnung Chinas eingepreist seien. “Was die Rally anbelangt: Wir würden ihr jetzt nicht mehr nachjagen”, schreibt Citigroup-Strategin Beata Manthey. 

Laut Emmanuel Cau, Stratege bei Barclays, sind noch nicht alle Risiken ausgepreist. Er macht dies fest an der “Polarisierung” von Gewinner- und Verliereraktien und einem schwächeren Euro. Das Auseinanderdriften bei Euro-Aktien ist beträchtlich: Während Energietitel innert Jahresfrist 20 Prozent gewonnen haben, sind zinssensitive Immobiliengesellschaften an der Börse um 29 Prozent zurückgegangen. Doch die Energielage bleibt angesichts des Krieges und dem Ende russischer Energielieferungen angespannt. “Es wird eine Herausforderung bleiben, eine über lange Zeit billige Energiequelle zu ersetzen”, sagt Charlotte Ryland von CCLA. 

Weiterhin überproportional betroffen sein dürften auch Lebensmittel. Tim Craighead und Laurent Douillet von Bloomberg Intelligence schreiben, die Profitabilität in der Nahrungsmittelindustrie müsse einen potentiellen “Langfrist-Test” bestehen, weil der eingeschränkte Zugang zu Sonnenblumen, Pflanzenöl, Mais und Weizen aus der Ukraine zum Preisanstieg beitrügen. Generell würden konjunktursensitive Bereiche leiden, wenn der Krieg weiter eskaliert. Strategen erwarten gemäss einer Bloomberg-Umfrage, dass der Aktienindex Stoxx 600 in der Folge einer schwächeren Wirtschaftsentwicklung Ende Jahr tiefer stehen wird. 

(Bloomberg/cash)