Um den Bitcoin war es 2020 verhältnismässig ruhig geworden. Die Corona-Schlagzeilen wurden vom Auf und Ab an den Aktienmärkten sowie von der Dollar-Rally dominiert. Doch spätestens seit vergangener Woche ist Bitcoin wieder in den Fokus der Anleger gerückt.

Nachdem die grösste Kryptowährung der Welt etwa anderthalb Jahre lang mehr oder weniger einer stabilen Seitwärtsbewegung folgte, setzte sie in den letzten zwei Wochen zum Höhenflug an. Nach der US-Wahl zündete sie gar einen regelrechten Turbo und kratze an der 16'000-Dollar-Marke – erstmals seit dem grossen Hype Ende 2017.  

Entwicklung des Bitcoin-Kurses (in Dollar) in den letzten drei Jahren, Quelle: cash.ch.

Doch manchen Beobachtern geht der Anstieg bereits jetzt wieder zu schnell. "Trotz der fundamental positiven Lage wirkt der schnelle Anstieg auf mich ungesund. Kurzfristig rechne ich mit Turbulenzen am Krypo-Markt", sagt etwa Timo Emden von Emden Research auf Anfrage von cash.ch. Seit Mitte Oktober verteuerte sich Bitcoin um fast 40 Prozent. Vergangene Woche durchbrach die Cyber-Währung die Marke von 14'000 Dollar – für Charttechniker eine wichtige Widerstandslinie. Die nächste Knacknuss ist laut Experten die 16'000-Dollar-Marke - diese testet sie seit einigen Tagen. 

Die Gründe für die derzeitige Aufwärtsbewegung sind vielfältig. Zuletzt sind einige Grossinvestoren im grösseren Stil in Bitcoin eingestiegen. So hat Square jüngst 50 Millionen Dollar in die Kryptowährung investiert. Das globale Payment-Unternehmen spricht Bitcoin in Zukunft "das Potenzial einer omnipräsenten Währung" zu. Der Software Hersteller MicroStrategy investierte gar 250 Millionen in Bitcoin. Das sorgt für Vertrauen und steigert allgemein die Akzeptanz von Kryptowährungen.

Aber auch die Ankündigung von Paypal, ab 2021 den Handel von Kryptowährungen anzubieten, wird in der Krpto-Szene als grosses Ausrufezeichen gewertet. Doch für den kurzfristigen Turbo-Ausreisser nach oben an die 16'000-Dollar-Marke ist laut Emden die US-Wahl verantwortlich. "In der Wahlnacht hat Bitcoin sprunghaft die 14'000-Marke überschritten, weil Anleger aufgrund der Unsicherheit  ihre Vermögenswerte von Dollar in Kryptowährungen umschichteten, überwiegend in Bitcoin", so Emden.

Trotz eines Sieges von Herausforderer Joe Biden könnte die Unsicherheit laut Emden noch viele Tage oder gar Wochen andauern. Der noch amtierende US-Präsident Donald Trump kündigte eine Klagewelle an und könnte eine politische Hängepartie auslösen. Das sei grundsätzlich positiv für Bitcoin und andere Kryptowährungen, so Emden.

Hype oder nachhaltiger Kursanstieg?

Für Bloomberg-Analyst Mike McGlone könnte 2021 Bitcoin einen "parabolischen Lauf" hinlegen, sprich steil nach oben gehen. Der Experte begründet seine bullishe Haltung mit den rasanten Kurssprünge der vergangenen Jahre, aus denen sich ein langfristiges Schema herauslesen lässt. McGlone argumentiert hauptsächlich mit der sukzessiven Verknappung der Kryptowährung in Form der Bitcoin Halvings, welches etwa alle vier Jahre die Menge neu geschürfter Bitcoin halbiert.

Auch JP Morgan positionierte sich jüngst bullish bei der Kryptowährung. 2017 bezeichnete die US-Grossbank Bitcoin noch als "Betrug". Jetzt traut JP Morgan Bitcoin eine Verdoppelung oder gar eine Verdreifachung beim Preis zu. Voraussetzung: Die Kryptowährung etabliert sich weiter als Wertspeicher.

Emden sieht ebenfalls grundsätzlich ein positives Umfeld für Bitcoin und Kryptowährungen allgemein. Nichtsdestotrotz hält er den Krypto-Markt kurzfristig für überkauft und rechnet mit baldigen Rücksetzern. Die jetzige Situation sei zwar noch nicht mit dem grossen Hype von Ende 2017 vergleichbar, da "der Markt erwachsener geworden ist und aus seinen Fehlern von damals gelernt hat." Kursrückgänge auf 14'000 Dollar würden ihn aber nicht überraschen. "Solche Rücksetzer dürften dann allerdings schnell wieder als Kaufgelegenheiten genutzt werden."

Der grundsätzlich positive Ausblick gilt für Emden auch für andere Krypowährungen wie Ether, Ripple oder Litecoin. "Bitcoin ist die Leit-Kryptowährung. Andere Cyber-Devisen orientieren sich grundsätzlich an ihm." Allerdings sollten Anleger nicht blind jede Kryptowährung kaufen, die gerade auf dem Markt sei, warnt Emden. Grundsätzlich empfiehlt er, sich an die zehn grössten Cyber-Währungen nach Marktkapitalisierung zu richten.

Krypto-Markt noch immer noch klein

Wie sollten sich Anleger jetzt positionieren? Nachdem der Bitcoinkurs über anderthalb Jahre vergleichsweise ruhig verlief, läuft er jetzt wieder Gefahr, zu schnell in einen Hype zu geraten. Anleger sollten sich vor Augen führen, dass es sich beim Krypto-Markt noch immer um einen sehr kleinen Nebenschauplatz im Gesamtmarkt handelt. Heisst: Steigt die Aufmerksamkeit für Bitcoin nur leicht, kann sehr schnell ein Nachfrageüberhang entstehen, der den Kurs explodieren lässt. So weist Bitcoin derzeit eine Marktkapitalisierung von etwa 280 Milliarden Dollar aus. Alleine das Unternehmen Apple ist an der Börse derzeit sieben Mal so viel Wert.

Zocker können kurzfristig aber durchaus auf einen Bitcoin-Hype mit weiter steigenden Kursen wetten. Allerdings sollte sich jeder Anleger bewusst sein: Kryptowährungen können jederzeit und ohne Vorwarnung heftige Kursrücksetzer erleiden. Aber auch für langfristige Investoren dürften Kurse unter der 16'000-Dollar-Marke vertretbar sein. Die langfristigen Trends – steigende Akzeptanz, Anlagenotstand, langfristiger Druck auf das Geldsystem durch ausufernde Notenbankpolitik – sind grundsätzlich positiv für Bitcoin und sprechen dafür, die Kryptowährung als Mittel zur Diversifikation im Portfolio zu halten. Um das Risiko zu streuen, empfiehlt es sich zudem, schrittweise zuzukaufen.