In den USA ist nach dem Scheitern der Haushaltsverhandlungen im Kongress die Finanzierung zahlreicher Regierungsbehörden ausgesetzt. Der sogenannte «Shutdown» trat um Mitternacht (Ortszeit US-Ostküste; 0600 Uhr MESZ Mittwoch) in Kraft. Letzte Bemühungen zwischen den Republikanern von Präsident Donald Trump und den Demokraten um eine Übergangsfinanzierung waren erfolglos geblieben.
Aufgrund der fehlenden Haushaltsmittel haben viele Bundesbehörden, nun keine Finanzierung mehr und Dienstleistungen werden eingestellt. Das Congressional Budget Office schätzt, dass etwa 750'000 Mitarbeiter beurlaubt werden, was täglich Kosten in Höhe von 400 Millionen Dollar an entgangenen Vergütungen verursacht.
Somit dürfte der für Freitag terminierte Arbeitsmarktbericht nicht veröffentlicht werden. «Eine Verzögerung der Veröffentlichung der Beschäftigungsdaten würde die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Shutdown nur noch verstärken», sagte Matt Maley, Chef-Marktstratege bei Miller Tabak + Co gegenüber Bloomberg. «Das dürfte zu einer erhöhten Volatilität zu Beginn des neuen Quartals führen.»
Bloomberg Economics schätzt, dass die Arbeitslosenquote in den USA durch den Shutdown von zuletzt 4,3 Prozent auf 4,7 Prozent steigen könnte. US-Präsident Donald Trump hat mit der Androhung von Massenentlassungen für viele Arbeitnehmer statt nur von Beurlaubungen das Schreckgespenst langfristiger wirtschaftlicher Probleme heraufbeschworen.
Seit 1981 gab es in den USA 14 Shutdowns. In den meisten Fällen dauerten diese nur wenige Tage. Der längste Regierungsstillstand ereignete sich während Trumps erster Amtszeit: Im Dezember 2018 und Januar 2019 dauerte es 34 Tage, bis sich die beiden Parteien auf einen Haushalt einigen konnten. Laut Experten besteht die Gefahr, dass der Shutdown aufgrund der verhärteten Fronten zwischen Republikanern und Demokraten diesmal länger dauert.
Konjunkturelle Auswirkungen
Wie Matthias Geissbühler, Anlagechef der Raiffeisen schreibt, hat das Ganze einen negativen wirtschaftlichen Einfluss und dürfte gemäss Schätzungen pro Woche bis zu 0,1 Prozent BIP-Wachstum kosten. Ein wesentlicher Teil davon werde zwar jeweils nach der Einigung wieder wettgemacht, unter dem Strich seien die Auswirkungen dennoch negativ.
Seiner Meinung nach geht das Problem jedoch noch tiefer. «Erstens zeigt es die Zerstrittenheit der beiden Parteien und der Bevölkerung, wonach politische Kompromisse in den USA praktisch nicht mehr möglich sind. Zweitens stösst die rasant wachsende Schuldenwirtschaft an ihre Grenzen», so der Experte. Die Gesamtschulden belaufen sich mittlerweile auf über 37 Billionen US-Dollar und die Zinszahlungen für den Schuldendienst machen derzeit rund 17 Prozent vom Gesamtbudget aus.
Die Haushaltssperre dürfte zudem die Vorlage wichtiger Konjunkturdaten verhindern, die unter anderem für die Zinsentscheidungen der US-Notenbank Fed von Bedeutung sind. «Das eigentliche Risiko liegt in den fehlenden Daten», sagte Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender des Vermögensverwalters MainSky. «Ohne einen Arbeitsmarktbericht morgen und ohne weitere Makroindikatoren tappt die Fed im Dunkeln. Die bis vor ein paar Tagen sicher geglaubte Zinssenkung im Oktober wackelt, und das dürfte auch die Aktienmärkte zumindest kurzfristig verunsichern.»
Einfluss auf den Aktienmarkt
Auch an den Märkten geht der Regierungsstillstand in einer ersten Reaktion nicht spurlos vorüber. So setzt der «Shutdown» den US-Dollar unter leichten Abwertungsdruck, der deutsche Leitindex Dax verliert zur Eröffnung ein halbes Prozent, genau so der CAC 40, der 0,12 Prozent nachgibt. Auch die US-Aktienfutures verzeichnen Verluste. S&P-500-Futures sind um mehr als 0,4 Prozent gefallen (Stand: Mittwoch, 00:03 Uhr in New York), während Kontrakte auf den Nasdaq 100 um 0,5 Prozent nachgeben.
Gold hingegen verteuert sich um bis zu 0,4 Prozent auf 3875,32 Dollar je Feinunze und erreicht damit erneut einen Rekord. Das in Krisenzeiten als «sicherer Hafen» angesehene Metall macht einmal mehr seinem Status alle Ehre.
Auch in der Schweiz ist eher ein Auf- als Abwärtstrend sichtbar. Der SMI notiert am Mittwochmorgen 0,96 Prozent höher. Der Stillstand habe sich im Vorfeld abgezeichnet, heisst es in verschiedenen Kommentaren.
Die Finanzmärkte haben in der Vergangenheit jeweils nur kurzfristig auf das politische Schauspiel reagiert. In einzelnen Fällen kam im Vorfeld Nervosität auf, die sich jedoch rasch legte und Kursrückgänge wurden wettgemacht. Wie Bloomberg schreibt, besteht kurzfristig das Risiko von Volatilität für Rüstungsunternehmen und Beratungsfirmen, deren Einnahmen von der Regierung abhängen, sowie für Fluggesellschaften, die durch den Wegfall von Geschäfts- und Urlaubsreisen von Bundesangestellten Einbussen hinnehmen müssen.
Eine längere Schliessung würde laut Matt Gertken von BCA Research Probleme für Sektoren wie Industrie und Finanzen mit sich bringen, die eng mit der Gesundheit der Wirtschaft verbunden sind. Ausserdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Probleme ausweiten. «Die Dauer der Schliessung ist entscheidend», erklärte Citigroup seinen Kunden am Dienstag. «Aktien tendieren dazu, bei längeren Schliessungen zu schwächeln, während die Zinsen tendenziell steigen.»
Mit Agenturmaterial von AWP, Reuters, und Bloomberg
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