«Sell in May and go away, but remember to come back in September» - so sagen es zumindest die Börsianer. Wenn Sie wirklich Pause gemacht haben im Sommer, dann haben Sie folgendes nicht mitbekommen:

1. Recht solide Zahlensätze von den Unternehmen, die zeigen, dass die meisten mit dem starken Franken umgehen können und auch von sonstigen weltwirtschaftlichen Wacklern wie etwa dem Entscheid zum EU-Austritt in Grossbritannien wenig beeindruckt waren.

2. Zahlreiche Aktien, vor allem von klein- und mittelgross kapitalisierten Unternehmen, die auf ein Rekordhoch geklettert sind. Doch bei hohen Bewertungen und zwar intakten, aber nicht exzellenten Gewinnaussichten beginnen die Analysten langsam, die Überflieger herabzustufen.

3. Märkte, die mit Argusaugen auf die Notenbanken schauen und das Wissen um das Ende des billigen Geldes versuchen zu verdrängen. Immerhin haben jüngst weder die Federal Reserve noch die Europäische Zentralbank etwas an den Leitzinsen geändert.

4. Einen schwankungsanfälligen Swiss Market Index, der aber im Fünf-Monate-Vergleich nicht mehr als 3 Prozent höher steht. Insgesamt bewegte sich der SMI zwischen 7475 und 8350 Punkten.

Der Schweizer Sommer dauerte diesmal etwas länger als gedacht, doch langsam spürt man ihn, den Herbst. Und mit Statistiken soll immer wieder belegt werden, dass es zu Kursansteigen kommt, wenn sich der Winter nähert. Wie dem auch sei: Ob sie die oben genannte Börsenweisheit befolgten oder nicht, wir nennen Ihnen einige Aktien, die auch in den kälteren Jahreszeiten noch Kursavancen versprechen.

ABB: Investitionen in die Aktie des weltumspannenden Energie- und Automationstechnikers brauchen immer etwas Mut. Lange schaffte es die Aktie nicht einmal über 20 Franken. Im April erklomm der Kurs diese Marke wieder und hat sich seitdem mehrheitlich darüber gehalten. Operative Katastrophen weist der Konzern, dessen Papier mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 22,9 noch einigermassen moderat bewertet ist, nicht auf. Mehr als das behindert die Zusammensetzung des 135‘000 Mitarbeiter zählenden Konzerns eine bessere Kursperformance.

Der schwedische Grossaktionär Cevian, nach der berühmten Investorenfamilie Wallenberg der grösste ABB-Anteilseigner, hat kürzlich eine Aufspaltung der Gruppe gefordert. Am Markt hört man auch die interessante Einschätzung, dass die Einzelteile des Konzerns 60 Prozent mehr wert seien als die ganze ABB im Moment. Am 4. Oktober findet der Investorentag statt: Klarheit über die Konzernzusammensetzung würde der Aktie helfen. Bis dahin hat sie aber durchaus Auftrieb.

Also Holding: Unter den diversen Schweizer Small und Mid Caps, die in den letzten Monaten einen Höhenflug erlebten (cash berichtete), ist Also ein Spezialfall. Denn der IT-Logistiker aus Emmen hat zwar in diesem Jahr bereits 22 Prozent zulegen können und dabei mehrere Allzeithochs erreicht. Er ist aber für das kommende Jahr immer noch mit einem vergleichsweise sehr tiefen KGV von 10 bewertet.

Also vertreibt Produkte, Services und Lösungen in verschiedenen IT-Bereichen. Die Luzerner fahren einen ambitionierten Expansionskurs und behaupten sich durch laufende Effizienzsteigerungen in einem umkämpften Markt. Vorsicht: Zwei Drittel der Aktien hält der Aufzugshersteller Schindler, nur rund 20 Prozent sind in freiem Umlauf. Aber Schindler will das Paket im Laufe des Jahres 2017 abstossen. Dann dürfte der Titel auch auf den Radar einer breiteren Anlegerschaft kommen. Ein langfristiger Investmenthorizont ist also angebracht.

Crealogix: Richtig, Crealogix ist defizitär. Aber der Software- und IT-Dienstleister hat kürzlich die operative Trendwende geschafft. Nach intensiven Investitionen in der Vergangenheit, unter anderem in eine Digital-Banking-Plattform, werden die Kosten nun sukzessive reduziert – und die Weichen auf zukünftiges Wachstum gestellt. Zwar ist die Crealogix-Aktie in den letzten Monaten schon stark angestiegen. Doch die Zürcher gehören zu den Profiteuren der fortschreitenden Digitalisierung in der Finanzbranche, die eben erst angelaufen ist.

Auch schaffte es das Unternehmen erneut auf die globale Liste der Top 100 Fintech-Unternehmen von IDC Financial Insights. Mit Beteiligungen oder Übernahmen soll zudem das Auslandsgeschäft verstärkt werden. Nächsten Dienstag liefert Crealogix die Zahlen zum Geschäftsjahr 2015/16. Diese Neuigkeiten sollten noch abgewartet werden. Aber die jüngsten Kursavancen könnten erste Anzeichen einer positiven Überraschung sein.

Dätwyler: Kennen Sie Nespresso? Dann kennen Sie Dätwyler. Denn die Urner Industriegruppe stellt für die populären Kaffeekapseln Dichtungen und Aluminiumhüllen her. Nestlé ist mit rund 100 Millionen Franken Umsatz der wichtigste Einzelkunde. Dätwyler liefert aber auch Komponenten für andere Industrie-Segmente wie Automobilzulieferer oder Arzneimittelhersteller.

In sämtlichen Sparten hat Dätwyler attraktive Nischen gefunden, in denen sie die technologische Führerschaft haben. Vom Allzeithoch bei 153 Franken ist die Aktie momentan (140 Franken) ein gutes Stück entfernt. Doch die gescheiterte Übernahme von Premier Farnell setzt reichlich flüssige Mittel frei, die für Wachstum – organisch oder mittels Übernahmen – genutzt werden können.

Implenia: Seit dem Februar-Knick des gesamten Marktes ist die Implenia-Aktie in ihrem Wert um 62 Prozent gestiegen. Das Halbjahresergebnis des grössten Schweizer Bauunternehmens sorgte für einen Moment der Ernüchterung, denn es fiel in absoluten Zahlen schlechter als erwartet aus. Aber fundamental sieht es es für die Unternehmensgruppe, die wichtige Expansionschritte in Norwegen und Deutschland vornahm, inzwischen gut aus. Vor allem sind die Wachstumschancen intakt.

Diese zeigen sich am vielversprechenden Auftragsbestand. Zum Halbjahr türmten sich der Wert der Aufträge auf 5,2 Milliarden Franken auf, eine Milliarde mehr als ein Jahr davor. Die grossen Zukäufe im Ausland wie zuletzt Bilfinger Construction sollten Implenia weiter voranbringen. Die Aktie lohnt sich nicht zuletzt, weil das KGV mit 17,5 vergleichsweise tief ist. Ausserdem schauen bei Implenia immerhin 2,9 Prozent Dividendenrendite heraus.

Kudelski: Innerhalb der vergangenen vier Wochen ist die Aktie des Verschlüsselungsspezialisten von einem Fünfjahreshoch um 13 Prozent zurückgefallen. Der Kursrückgang erfolgte direkt nach der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen, die deutlich über den Erwartungen gelegen hatten. Einer Analyse der Zürcher Kantonalbank zufolge aber war die Aktie überbewertet: Von den Zahlen her gerechtfertigt wären 15,20 Franken gewesen, damals kostete das Papier aber um die 21 Franken.

Die Kurskorrektur hat das Bild verändert: Mit aktuell 18,70 Franken pendelt sich der Wert der Aktie wieder etwas ein. Kudelski kann sich in manchen Bereichen die Technologieführerschaft an die Fahnen heften, kann Patente zu Geld machen und hat Potential in den Schwellenländern. Pay-TV hat die Massen erreicht und wächst weiter. Gerade nach der Korrektur, für die es keinen zwingenden Grund gibt, dürfte Kudelski ein Kauf sein.

Nestlé: Seit Anfang Juli bewegt sich der Kurs der grössten Schweizer Aktie zwischen 75 und 80 Franken. Obwohl das Höchststände sind, befindet sich sich der Nahrungsmittelmulti an der Börse mit einem KGV von 23,5 noch in einem akzeptablen Rahmen. Die Anleger warten allerdings ab. Aber über den Sommer bewegte sich der Titel nicht wie vorher kontinuierlich nach oben, sondern nur seitwärts.

Doch bei den Anlegern überall auf der Welt ist der gute Ruf von Nestlé wie in Stein gemeisst. Die Barclays Bank will Zweifel zerstreuen und formuliert es in einem Kommentar so: "Die Möglichkeiten eines sicheren Hafens sind noch nicht genügend berücksichtigt." Mit anderen Worten ist Nestlé so solide, wie man es sich nur wünschen kann. Der Konzern verfügt über eine starke Bilanz und ausserdem eine ansprechende Dividendenrendite von 2,9 Prozent.

Mit Beginn des nächsten Jahres bekommt Nestlé in der Person von Ulf Mark Schneider zudem  einen neuen CEO, erstmals von ausserhalb des Konzerns. Dem bisherigen Chef der deutschen Medizinaltechnikgruppe Fresenius wird einiges zugetraut.

Swiss Life: Suchen Sie eine günstige Aktie mit ordentlicher Dividende? Dann könnten Sie bei Swiss Life fündig werden. Mit einem KGV von knapp 10 ist der Lebensversicherer attraktiver bewertet als mancher Finanztitel. "Der Aktienkurs reflektiert die verbesserte Gewinnqualität noch nicht", sagte CEO Patrick Frost unlängst im Interview mit cash. Zudem wurde der Titel in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelt – seit Anfang Jahr steht er 9 Prozent im Minus.

Laut Marktbeobachtern wird bei Swiss Life die negative Wirkung der tiefen Zinsen zu stark gewichtet. Die Zinssensitivität sei deutlich tiefer als vor einiger Zeit – Restrukturierungen sei Dank. Für die Zukunft wird ein stetig steigender Gewinn in Aussicht gestellt, was letztlich auch der Dividende zugutekommen wird. Die Zürcher Kantonalbank rechnet für das Geschäftsjahr 2016 mit einer Rendite von 4,6 Prozent.