2016 wird turbulent: Mit dieser Prognose vom letzten Dezember lagen die Strategen von Pictet goldrichtig. Doch selbst die Genfer Privatbank wurde von der Heftigkeit der Verwerfungen zu Jahresbeginn überrascht, wie Chefanalyst Alfred Roelli einräumt. "Wir haben den Aktienanteil Ende Januar etwas zu früh wieder angehoben", gibt er im cash-Börsen-Talk zu. Aktuell beträgt der Aktienanteil in einem ausgewogenen Pictet-Portfolio knapp 50 Prozent.
 
Den Schweizer Aktienmarkt schüttelte es im internationalen Vergleich 2016 mitunter am heftigsten durch. Noch immer steht der Swiss Market Index (SMI) im laufenden Jahr mehr als 7 Prozent im Minus. Der Dow Jones hingegen liegt bereits wieder im Plus. 
 
Auch wenn Roelli im weiteren Jahresverlauf mit vereinzelten Rückschlägen an den Aktienbörsen rechnet, glaubt er an einen "lange anhaltenden Aufwärtstrend". Ein Aktienzyklus dauert laut seinen Berechnungen erfahrungsgemäss 35 Jahre (also Börsenaufschwung mit -abschwung). Das würde bedeuten, dass die Märkte noch rund zehn Jahre steigen würden, wie Roelli am Donnerstag an einem Anlass vor Journalisten und Pictet-Kunden sagte.
 
Die Börsenzyklen in den USA und Europa, Quelle: Pictet
 
 
Mögliche Risiken für temporäre Erschütterungen erwartet Anlagespezialist Roelli vor allem von politischer Seite aufkommen, namentlich die Brexit-Abstimmung und die spanischen Nachwahlen Ende Juni sowie die amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Herbst. Die Entscheidung über den Verbleib Grossbritanniens in der Europäischen Union könnte denn auch das Zünglein an der Waage spielen, weshalb die US-Notenbank Fed ihre Zinsen in knapp zwei Wochen noch nicht weiter anhebt. 
 
"Wir erwarten bis Ende Jahr eine Zinserhöhung, und zwar im September. Das dürfte aber am Markt bereits eingepreist sein", sagt Roelli im cash-Börsen-Talk. Ein solcher Schritt könnte sogar als positiv gewertet werden, weil das ein gutes Zeichen für den Zustand der amerikanischen Wirtschaft sei.
 
Attraktive Bewertungen in Europa
 
Positiv gestimmt sind die Privatbanker von Pictet, die Vermögen im Wert von 424 Milliarden Franken verwalten, auch für die Wirtschaft in der Eurozone. Zusammen mit Aktienbewertungen, die wieder ein "normales Niveau erreicht haben", ergibt das laut Roelli im internationalen Vergleich mehr Potenzial als beispielsweise in den USA. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für europäische Aktien ist bei 14,5 angelangt, jenes für US-Titel bei 16,4.
 
"Auch die Schweiz gewinnt langsam wieder an Fahrt", sagt Roelli. Auch wenn er mit einem Plus von maximal 5 Prozent bis Ende Jahr nicht so optimistisch ist wie andere Beobachter, die sich kürzlich gegenüber cash äusserten.
 
Im cash-Börsen-Talk äussert sich Alfred Roelli zudem zu den jüngsten Veränderungen in den Kundenportfolios.