Der ehemalige ABB-Chef Ulrich Spiesshofer erreichte zwei Dinge nicht: Den Aktienkurs nachhaltig zu steigern und den weitverzweigten Elektrotechnik- und Automationskonzern effizienter zu machen und neu auszurichten. Diese Aufgaben fallen nun Björn Rosengren zu, wenn er ab März nächsten Jahres das Unternehmen führt.

Ein neuer CEO führt natürlich nicht automatisch zu einem besseren Unternehmen. Folgenden drei Managern ist es aber gelungen, nach Jahren des Entscheidungsstillstands einem SMI-Konzern neuen Elan einzuhauchen – und damit die Aktionäre zu erfreuen:

Mark Schneider

Nestlé-CEO seit 1.1.2017, Aktienkurs seither: +44,5 Prozent

Weniger Fleisch und weniger Zucker: Mark Schneider verkauft Geschäftsfelder, die durch sich verändernde Konsumgewohnheiten in Verruf geraten sind. So etwa wurde Nestlé die amerikanische Süsswarensparte letztes Jahr für 2,8 Milliarden Franken verkauft. Auch Süssgetränke stehen unter Schneiders Ägide nicht mehr so hoch im Kurs.

Mit einer Zu- und Verkaufsstrategie hat Schneider schon den deutschen Gesundheitskonzern Fresenius umgekrempelt. Dem Kerngeschäft fremde Bereiche wie Hautpflege oder gar ein Lebensversicherer in den USA werden aus dem Nestlé-Konzern ausgegliedert. Offen ist noch die Zukunft der 23-Prozent-Beteiligung, die Nestlé am französischen Kosmetikkonzern L’Oréal hält. 

Kommentar von cash-Chefredaktor Daniel Hügli: ABB-Aktionäre dürfen von Rosengren keine Wunderdinge erwarten

Für den künftigen ABB-Chef ist sicherlich interessant, dass Schneider bei Nestlé ein sachorientierter Führungsstil ohne Ego-Allüren nachgesagt wird. Nestlé ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das sich mit Nachdruck ein Profil geben will und keine Angst davor hat, auch wichtige Sparten und starke Marken loszuwerden, wenn es nicht mehr zu den Wachstumsvorstellungen passt. 

Dafür setzt Schneider auf Kaffeemarken, Gesundheitsprodukte sowie Kinder- und Haustiernahrung. Der Vertriebs-Deal mit Starbucks gehört zu den Highlights dieser Firmenpolitik. Nestlé wird insgesamt auf Wachstumsbranchen ausgerichtet und sollte möglichst nicht immer wieder durch einzelne Bereiche gebremst werden. Auf diese Weise soll der Konzern bis 2020 im "mittleren einstelligen Bereich" organisch wachsen. 2018 waren 3 Prozent erreicht worden.

Vasant Narasimhan

Novartis-CEO seit 1.2.2018, Aktienkurs seither: +20,5 Prozent

Zwei Drittel der Managementpositionen von Novartis sind seit Anfang des vergangenen Jahres neu besetzt worden. Ausserdem schockte Konzernchef Vasant "Vas" Narasimhan im vergangenen Herbst Mitarbeiter und Standortländer mit der Ankündigung, potenziell Tausende von Stellen abzubauen. Ganz offensichtlich war Narasimhan bei seinem Antritt des CEO-Postens Anfang 2018 zum Schluss gekommen, die Wettbewerbsfähigkeit des Pharmariesen sei bedroht.

Im April dieses Jahres entledigte sich Novartis nach langem Hin und Her der Augenpflegesparte Alcon und brachte diesen jahrelang margenschwachen Problemfall eigenständig an die Börse.

Mit diesen Umwälzungen soll der Konzern auch in Richtung Spezialisierung getrieben werden. In der Fertigung von Medikamenten sieht Narasimhan wenigerZukunft. "Wir bewegen uns von einer Welt traditioneller pharmazeutischer Erzeugnisse hin zu Biotechologie oder Zell- und Gentherapien", sagte Narasimhan vergangenes Jahr. Indem das Geschäft gestrafft wird, sollen mehr Mittel für Forschung und Entwicklung freigesetzt werden.

Den Glorienschein des amerikanisch-indischen Firmenchefs trüben würden allerdings weitere Fälle wie die Affäre um das Muskelschwund-Gentherapeutikum Zolgensma. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass Forschungsdaten manipuliert wurden. Dass dabei Kontrollmechanismen nicht funktionierten, ist letztlich Angelegenheit des Managements. Narasimhan hatte gelobt, unlautere Geschäftsmethoden zu verbieten. 

Von Narasimhan abschauen kann ABB-CEO Rosengren in jedem Falle, dass man als neuer Konzernchef unter Umständen an vielen Schaltstellen neue Leute braucht, um in einem Riesenkonzern Veränderungen anschieben zu können.

Mario Greco

Zurich-CEO seit 1.3.2016, Aktienkurs seitdem: +59 Prozent

Auch im Zurich-Konzern ging es nicht ohne Stellenabbau. Mehrfach, seitdem Mario Greco vor über drei Jahren die Leitung übernahm, wurden Entlassungsrunden vermeldet. Greco strich zentrale Dienste zusammen, entfernte mittlere Managementstufen und vereinfachte die Strukturen zwischen Lebens- und Sachversichungsgeschäft. 

Die Vorstellung, dass Versicherer wegen der Langfristigkeit ihres Geschäfts naturgemäss behäbig seien, ist unter Greco in Ungnade gefallen. Beim grössten Schweizer Versicherungsunternehmen ist das Geschäft auf mehr Service getrimmt worden. Selbstfahrende Autos würden die Motorfahrzeugversicherung auf den Kopf stellen, aber Greco sieht Zurich auf dem Weg von einer Gesellschaft, die für Schäden zahlt, zu einer Gesellschaft, die Schäden verhindert. 

Der Zurich-Kurs in den vergangenen fünf Jahren: Bei 350 Franken ist die Aktie so teuer wie zuletzt vor der Finanzkrise (Grafik: cash.ch).

"Super Mario" sieht in der Digitalisierung eine Chance und keine Bedrohung für das Geschäft. Datenströme sind Grecos Ansicht nach ein Schatz, an dem sich Versicherer bedienen sollen. Mit Blick auf ABB ist aber vor allem wichtig, was Greco auf den Managementebenen verändert hat: Ein Unternehmen, in dem mehrere selbstherrlich agierende "Königreiche" existieren, kann nur schwer auf Veränderungen ausgerichtetet werden. 

Nachteil für Zykliker

Dass der Aktienkurs dieser drei Unternehmen in den vergangenen Monaten aber weiter angezogen hat, ist nicht allein das Verdienst des Führungsgeschicks ihrer CEO: Der Markt greift in letzter Zeit mehr zu defensiven Aktien, wobei Nestlé, Novartis und die dividendenstarke Zurich zu den Anlegerlieblingen gehören.

Auch Lafarge-Holcim-CEO Jan Jenisch gehört zu den Konzernlenkern, die das Steuer energisch in die Hand genommen haben. Zu seinen Verdiensten gehört, dass er den Weltkonzern dezentralisiert und die Kosten reduziert hat. Die Kursbilanz seit 1. September 2017, als Jenisch das Ruder übernahmen, lautet dennoch -18 Prozent. Dies liegt auch daran, dass das Umfeld für Zykliker schlechter geworden ist. Dies dürfte auch bei ABB Bemühungen erschweren, die den Kurs antreiben sollen. 

Bald-CEO Rosengren hat mit den oben genannten erfolgreichen Managern allerdings gemeinsam, dass er Leistungen vorweisen kann: Wie Nestlé-Chef Schneider bei Fresenius, Zürich-CEO Greco bei Generali oder LafargeHolcim-Lenker Jenisch bei Sika hat Rosengren die schwedische Sandvik-Gruppe mit Erfolg geführt. Der Aktienkurs liegt heute um 87 Prozent über dem Wert von Ende 2015, nachdem Rosengren übernommen hatte.