Das Heranziehen von Analysten-Ratings bei der Analyse einer Aktie ist immer ein zweischneidiges Schwert. Einerseits haben Analysten Insights von Firmen, an die man als "normaler" Anleger oder Anlegerin nicht einfach so herankommt. So fliessen in deren Aktien-Beurteilung mitunter auch exklusive Gespräche mit Finanzchefs der zu analysierenden Unternehmen oder mit Branchenkennern. Andererseits beisst sich das Setzen eines spezifischen Kursziels mit der wohl unbestrittenen Tatsache, dass Aktienkurse nun einmal nicht punktgenau vorherzusehen sind. 

Wenn der zuständige Barclays-Analyst für die ABB-Aktie ein 12-Monats-Preisziel von 34 Franken herausgibt, weiss er wohl selbst, dass quasi Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen müssten, damit die Aktie im April 2023 tatsächlich bei 34 Franken notiert. Kursziele sind ein Blick in die Zukunft. Sie beziehen sich auf die Entwicklung von Umsatz und Unternehmensgewinnen unter Rücksichtnahme von Branchentrends oder Konjunkturverläufen. Trotz ausgefeilter Berechnungsmethoden sind solche Prognosen naturgemäss mit Unwägbarkeiten behaftet. 

Viele Kursziele erweisen sich als falsch

Die Konsequenz: Viele Kursziele stellen sich im Nachhinein als falsch heraus. Beispiele dafür gibt es genug. Im Winter gab das Finanzhaus Kepler Cheuvreux für den Schweizer Industrie-Titel Dormakaba ein Kursziel von 830 Franken aus. Die Aktie notierte damals bei etwa 650 Franken. Als Anfang Dezember CEO Sabrina Soussan überraschend ihren Rücktritt ankündigte, hielt der zuständige Analyst ausdrücklich an seinem Preisziel fest. Heute steht die Aktie rund 30 Prozent tiefer bei etwa 460 Franken. 

Ein weiteres Beispiel: Die US-Investmentbank Jefferies trat fast über das ganze letzte Jahr hinweg als "Zur-Rose-Bulle" auf. Noch im August gab der zuständige Analyst für die Schweizer Versandapotheke ein Kursziel von 571 Franken aus. Mittlerweile ist die Aktie mit 142 Franken – trotz jüngster Erholungstendezen – meilenweit davon entfernt. Man könnte die Liste beliebig weiter ausführen. Der Punkt ist: Niemand kann der Verlauf der Börse mit Sicherheit vorhersagen. Analysten-Prognosen eignen sich ausdrücklich nicht als "Gebrauchsanweisung" für den Aktienhandel, der man als Anlegerin oder Anleger einfach unkritisch folgen sollte. 

Immer wieder für Diskussionen sorgt zudem, dass einige Analysten eine heikle Zusatzfunktion haben: Sie unterstützen die Handelsabteilung einer Bank beim Verkauf der Aktien ("Sell-side-Analysten"). Das wirft immer wieder Fragen zur Unabhängigkeit von Aktienanalysen auf. 

Analysten-Ratings können Chancen und Risiken zeigen

Doch trotz der in ihrer Natur liegenden Ungenauigkeiten können Kursziele und Ratings Aufschluss darüber geben, wie eine Aktie am Markt aktuell eingeschätzt wird. Sie geben Anhaltspunkte darüber, was die Chancen und Stärken des Unternehmens sein könnten, und, noch wichtiger, was die Risiken sind. Sie können daher ein sinnvoller – aber sicher nicht der einzige – Parameter in der Entscheidungsfindung für die Wahl einer Aktie sein. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Analysten-Empfehlungen für Schweizer Aktien zu sehen, die cash.ch mit Daten von Bloomberg zusammengetragen hat. 

Immerhin lassen im aktuellen Umfeld Kursziel-Erhöhungen besonders aufhorchen. Aufgrund der scharfen Zinswende der US-Notenbank Fed und der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs hat sich bei vielen Aktien in den letzten Wochen eine durchaus erhebliche Bewertungskorrektur vollzogen. Die Folge waren fallende Aktienkurse und Analysten, die mit dem Zusammenstreichen ihrer Kursziele kaum noch nachkamen. Kursziel-Erhöhungen können vor diesem Hintergrund eine besondere Signalwirkung haben. 

Sulzer 

So erhöht die Credit Suisse das Kursziel für den Industriekonzern Sulzer auf 110 von ehemals 104 Franken. Die Einstufung wird dabei auf "Buy" belassen. Aktuell notiert die Aktie bei rund 77,70 Franken. Als Grund führt der zuständige Analyst die Verlagerung des Pumpengeschäfts vom Öl- und Gasbereich hin zum Bereich Flüssigkeitsmanagement an, die sich künftig auszahlen dürfte. So gebe es vor allem im Wassergeschäft und in der Chemieindustrie Potenzial durch wachsende Investitionen in nachhaltige Technologien. Die Sulzer-Aktie war nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs wegen der Beteiligung des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg stark abgesagt. Mittlerweile hat sich der Titel aber wieder etwas erholt. 

Mobilezone

Das Schweizer Analysehaus Research Partners wiederum erhöht das Kursziel für Mobilezone auf 20 von ehemals 15 Franken und belässt die Einstufung auf "Kaufen" (aktueller Kurs: 17 Franken). Der zuständige Analyst geht davon aus, dass der Spezialist für Telekommunikation dank des Fokus des Managements auf die organische Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auf einem profitablen Wachstumspfad bleiben wird. Er lobt ausserdem das verbesserte Margenprofil und die erhöhte Transparenz. Zudem sei das Geschäft auch vorhersehbarer geworden.

Sensirion

Das US-Investmenthaus Stifel hingegen fällt mit einer deutlichen Kaufempfehlung für Sensirion auf. Das Kursziel für den Sensorenhersteller wurde von 128 auf neu 150 Franken hochgeschraubt (aktueller Kurs: 116,5 Franken). Nicht nur habe Sensirion mit seinen 2021er-Zahlen überrascht, auch der Ausblick auf 2022 sei in puncto Wachstumsstrategie ein Augenöffner gewesen, heisst es vom zuständigen Analysten. Er habe daher seine Schätzungen für 2022 und 2023 deutlich erhöht.

Ypsomed

Vontobel wiederum zeigt sich beim Ypsomed äussert optimistisch. Die Bank erhöht das Kursziel für das Medizintechnik-Unternehmen auf 200 von ehemals 190 Franken und belässt die Einstufung auf "Buy" (aktueller Kurs: 160 Franken). Das Wachstum bei Insulinpumpen dürfte sich fortsetzen, schreibt die zuständige Analystin. Ypsomed sei in einer Nische hervorragend positioniert und warte auch immer mit Innovationen auf. Im Aktienkurs sehe sie auch weiterhin ein attraktives Wachstumspotenzial.

Baloise

Zudem äussert sich Vontobel positiv über Baloise. Hier erhöht der Analyste das Kursziel für den Basler Versicherungskonzern auf 181 von ehemals 170 Franken (aktueller Kurs: 164,8 Franken). Die Kurszielerhöhung erfolge basierend auf seinen Bewertungskennzahlen und der Dividendenrendite (4,7 Prozent) für 2023, schreibt der zuständige Analyst. Dabei habe er seinen Bewertungszeitrum bis 2023 verschoben. Skurril, aber keine Seltenheit bei Analysten-Ratings: Der Analyst belässt die Einstufung trotz des höheren Kursziels auf "Hold". Er erachte die Aktie im Rahmen der Konkurrenz bewertet, weshalb er bei seine Hold-Rating bleibe, so seine Argumentation. 

Auch Die Berenberg Bank erhöht das Kursziel für Baloise. Die Privatbank aus Hamburg setzt das Preisziel neu auf 170,80 Franken von ehemals 161,50 Franken. Der Versicherer habe seiner Ansicht nach gute Ergebnisse für 2021 erzielt, schreibt der zuständige Analyst. Alle Geschäftsteile entwickelten sich gut und der Ausblick sei sowohl für das Leben- wie auch da Nicht-Lebengeschäft vielversprechend. Interessanterweise bleibt der Analyst auch hier bei seiner "Hold"-Empfehlung. 

Mit Material von AWP.