Noch vor wenigen Wochen waren die Kurstafeln rot durchsetzt, der Zollstreit hatte die Anleger verschreckt. Inzwischen hat sich der Markt teilweise erholt; der Swiss Performance Index erreichte im Mai die 17’000-Punkte-Marke wieder, ist seither allerdings erneut etwas zurückgefallen. Zum Allzeithoch von knapp 17’400 Punkten von Anfang März fehlt somit noch ein gutes Stück.
Unterdessen hat eine Gruppe von Schweizer Aktien neue Rekordstände schon erreicht. Ein Beispiel ist Swissquote. Nach einem 41-prozentigen Anstieg seit Anfang Jahr stehen die Valoren der Online-Bank derzeit bei 490 Franken auf dem Allzeithoch.
Eine treibende Kraft der Kursavancen ist die Marktvolatilität, eine Grösse, die Anlegern in der Regel nicht schmeckt. Doch wenn es an den Börsen kracht, wird «getradet», auch bei den Kunden von Swissquote. Ein Händler sagte dazu gegenüber AWP: «Eigentlich heisst es ja an den Märkten: Hin und Her macht Taschen leer. Das gilt eventuell für Kunden, aber bestimmt nicht für Swissquote.» Denn grosse Bewegungen an den Börsen sorgten für überdurchschnittliche Umsätze an den Märkten. Und das wiederum lasse sich gut auf die Kommissions- und Gebühreneinnahmen von Swissquote ummünzen.
Wichtige Stütze des Erfolgs ist zudem das Interesse der Anleger an Kryptowährungen, und Swissquote hat das Angebot hierfür in den letzten Jahren ausgebaut. Swissquote werde zunehmend als Krypto-Proxy wahrgenommen, schreibt die Basler Kantonalbank (BKB) in einem Kommentar von Ende Mai. Auch wenn die statistische Korrelation zwischen der Swissquote-Aktie und dem Bitcoin nur schwach ausgeprägt sei, so sei seit fünf Jahren eine deutliche Parallelität der beiden Kursentwicklungen zu beobachten.
«Swissquote ist sowohl strategisch als auch operativ hervorragend unterwegs, verfügt über ein breites Angebot und ist sehr gut geführt», so die BKB weiter. Der zuständige Analyst bestätigt die Einstufung «Übergewichten» und erhöht das Kursziel von 420 auf 550 Franken. Damit können Anleger auf weitere Kursgewinne im tiefen zweistelligen Prozentbereich hoffen.
Die BKB ist jedoch deutlich zuversichtlicher als der Konsens der von Bloomberg erfassten Analysten. Dieser sieht die Aktie auf 386 Franken fallen. Im Mai ist zudem wieder eine Verkaufsempfehlung eingetroffen - es war die erste nach mehreren Monaten ohne «Sell»-Rating für Swissquote.
Anders gelagert als bei Swissquote sind die Kursavancen der Immobiliengesellschaft Plazza, deren Aktien seit Anfang Jahr um 13 Prozent zugelegt haben und zum Mai-Ende auf das Allzeithoch von 385 Franken geklettert waren.
Das Unternehmen hatte sein Immobilienportfolio schon in den zurückliegenden Jahren sukzessive ausgebaut. 2020 betrug der Marktwert dieses Portfolios 733 Millionen Franken, bis 2024 stieg er auf 1,1 Milliarden Franken. Plazza fokussiert sich dabei auf Wohnliegenschaften; sie machen 81 Prozent des Bestandes aus. Von den kotierten Immobiliengesellschaften ist das einer der höchsten Anteile, was die Aktie weniger anfällig für Konjunkturschwankungen macht. Der hohe Anteil an Wohnliegenschaften ist auch ein Vorteil in einem Schweizer Immobilienmarkt, der durch einen Mangel an verfügbaren Wohnungen in Zentrumsnähe gekennzeichnet ist.
Hinzu kommt: Es wurde weiter investiert. In der neu entstandenen Plazza-Liegenschaft in Crissier sind mittlerweile praktisch alle Wohnungen vermietet. Plazza gibt die Erträge aus Crissier als wesentlichen Grund für den um 23 Prozent gestiegenen Liegenschaftsertrag im Jahr 2024 an. Darin kann man ein positives Vorzeichen für das laufende Jahr sehen: Die Liegenschaft in der Waadtländer Gemeinde soll 2025 erstmals ganzjährig Erträge erwirtschaften. Ende Mai wurde zudem bekannt, dass Plazza das Schönbächler Areal in Affoltern am Albis übernimmt und damit das Wohnportfolio im Kanton Zürich erweitert.
Diesen Sommer unternimmt Plazza auch eine zweijährige Sanierungsphase der für die Gesamteinnahmen wichtigen Überbauung «Im Tiergarten» in Zürich mit fast 500 Mietparteien. Die Investitionen haben umfangreiche Mietzinserhöhungen zur Folge, die dem Vernehmen nach teilweise rund 40 Prozent pro Mietpartei betragen soll. Ob diese künftigen Mieteinnahmen bereits im Aktienkurs berücksichtigt sind, ist schwer zu sagen. Für die Zürcher Kantonalbank ist die Plazza-Aktie aber weiterhin günstig, sie bestätigte zuletzt die Einstufung «Übergewichten».
Backwarenhersteller auf Mehrjahreshoch
Buchstäblich hoch im Kurs sind zurzeit auch wieder die Aktien von Aryzta. Sie stiegen im Laufe des letzten Freitags auf 85,70 Franken - auf den höchsten Stand seit Oktober 2018. Damit sind sie noch immer weit entfernt von den Höchstständen von über 700 Franken im Jahr 2014.
Jedoch hat das Unternehmen in den vergangen Monaten einige Wegmarken gesetzt. Zu Jahresbeginn übernahm Michael Schai den CEO-Posten, den Verwaltungsratspräsident Urs Jordi bis dato interimistisch bekleidet hatte.
Schon unter Jordi wurde der Niedergang von Aryzta an der Börse aufgefangen; Aktionäre profitieren von wieder steigenden Kursen. Schais Ernennung zum CEO wurde wiederum positiv kommentiert. Die Rede war von einer idealen Besetzung. Der neue Chef kennt den Backwarenhersteller aus früherer Tätigkeit, war bei Mars und leitete zuletzt die Australien-Einheit von Lindt & Sprüngli - er kennt die Konsumgüterbranche.
Anfang Mai meldete das Management, die Mittelfristziele seien ein Jahr früher als geplant erreicht worden. Neu werden eine EBITDA-Marge von über 15 Prozent und eine EBIT-Marge von über 9 Prozent angestrebt. Dazu will der Konzern weiter wachsen und vermehrt auf Innovation und Premium setzen.
Die UBS quittierte die Neuigkeiten mit einem «Buy»-Rating und einer Kurszielerhöhung auf 94 von 84 Franken. Wie der zuständige Analyst unter anderem schreibt, dürfte der Preisunterschied zwischen Standard- und Premiumprodukten 25 bis 35 Prozent betragen, und die Konsumenten seien für qualitativ hochwertigere Produkte zahlungsbereit. Das hilft den Margen.
In letzter Zeit deutlich gestiegen sind auch die Aktien des Baukonzerns Implenia, Ende Mai haben sie zum ersten Mal seit Herbst 2018 die 50-Franken-Marke wieder überschritten. Nach einem Durchhänger, der die Aktie auf 48,30 Franken führte, griffen die Anleger zum Wochenauftakt wieder kräftiger zu, so dass der Höhenflug anhält. Aufwind kam aus einem Auftrag der Deutschen Bahn über 200 Millionen Euro. Implenia soll einen S-Bahn-Abschnitt in Frankfurt bauen.
Die positive Dynamik hat aber schon zum Jahreswechsel 2024/25 eingesetzt. Seither hat die Aktie 57 Prozent zugelegt und den Gesamtmarkt, der rund 9 Prozent gewann, deutlich abgehängt. Unterstützt wird die Entwicklung an der Börse von zusehends besseren Ergebnissen. Der operative Gewinn (EBIT) stieg im Geschäftsjahr 2024 auf 130,5 Millionen Franken (2023: 122,6 Millionen Franken) und soll sich 2025 auf rund 140 Millionen Franken verbessern. Mittelfristiges Ziel ist eine EBIT-Marge von über 4,5 Prozent (2024: 3,7 Prozent).
Auch wenn Unsicherheiten, denen zyklische Werte typischerweise ausgesetzt sind, nicht unterschätzt werden, ist eine positive Entwicklung doch realistisch. Das Bevölkerungswachstum, anziehende Infrastrukturinvestitionen und sich erholende Endmärkte dürften den Geschäften des Baukonzerns guttun. So sind auch Experten optimistischer geworden. Der zuständige Analyst der UBS setzt das Kursziel bei 60 Franken an und unterstreicht es mit einer Kaufempfehlung. Ihm zufolge dürfen Anleger also auf einen Kursgewinn von weiteren rund 20 Prozent hoffen.
Schön länger wieder auf Kurs ist Dormakaba. Der Aktienpreis stieg seit November 2022 um 140 Prozent - von damals 303 auf gegenwärtig 730 Franken. Ende Mai wurde bei 745 Franken ein Sechs-Jahres-Hoch erreicht. Die Entwicklung muss nicht überraschen. Denn im Januar hatte der zuständige Analyst der Privatbank Berenberg den Schliesstechnikkonzern zu den Top Picks für 2025 gezählt - mit einer Kaufempfehlung und einem Preisziel von 813 Franken. Mittlerweile hat der Experte nachgelegt, er sieht Dormakaba nun auf 862 Franken steigen. Die Transformation laufe auf Hochtouren, schrieb er. CEO Till Reuter und sein Team brächten die Gruppe voran, und das Tempo scheine sich weiter zu beschleunigen.
Allerdings: Berenberg setzt das höchste aller bei Bloomberg verzeichneten Kursziele. Der Konsens liegt bei 667 Franken, was weniger ist als der aktuelle Wert und daher auf sinkende Notierungen hinweist. Experten begründen ihre Zurückhaltung unter anderem mit nach wie vor bestehenden Herausforderungen und weiteren Restrukturierungskosten. Die «Hold»-Ratings überwiegen - sprich: Zukäufe sind nicht zwingend angezeigt. Wer Dormakaba aber schon im Depot hat, muss nicht verkaufen.