Aufgrund der Inflation ist es in den letzten Monaten für Unternehmen schwieriger geworden, die Gewinne weiter zu steigern. Und laut Goldman Sachs wird sich das konjunkturelle Umfeld im laufenden Jahr wahrscheinlich nicht verbessern.

Waren sind knapper und daher teurer in der Anschaffung geworden. Die Löhne steigen angesichts des Arbeitskräftemangels. Die Versandkosten steigen, da die Ölpreise hochgeschossen sind. Und die Federal Reserve hat gerade damit begonnen, die Finanzierungsbedingungen zu verschärfen, um die Inflation zu bremsen. Dadurch wird es teurer, sich Kapital zu leihen.

All diese Realitäten belasten die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Gewinnmargen hoch zu halten, schrieb David Kostin, Chefstratege für US-Aktien von Goldman Sachs, am Montag in einer Mitteilung an Kunden, aus dem die Finanzplattform Markets Insider zitiert. Dies bedeutet schlussendlich, dass Anleger im Vergleich zum letzten Jahr im Allgemeinen weniger Wert für das bekommen, wofür sie bezahlen.

Gewinnmargenwachstum entscheidend

Aber laut Kostin gibt es immer noch Chancen in bestimmten Sektoren und einzelnen Titeln, bei denen ein starkes Gewinnmargenwachstum erwartet wird und die von den Anlegern derzeit unterschätzt werden. In der Notiz hob er eine Liste von Aktien hervor, die ein hohes erwartetes Wachstum ihrer Eigenkapitalrendite – im englischen Return on Equity (ROE) - aufweisen. Ein hohes Wachstum spricht für die Fähigkeit eines Unternehmens, Gewinne im Verhältnis zu seinem Aktienkurs zu erzielen.

Für ein Investitionsentscheid ist laut Jean-Philippe Tremblay, Finanzprofessor an der University of Denver, die Betrachtung des erwarteten zukünftigen ROE-Wachstums wohl wichtiger als die Betrachtung des bestehenden ROE. Dies liegt daran, dass ein starkes ROE-Wachstum eine Verbesserung des Unternehmenswerts, der Gesundheit und der Lieferfähigkeit impliziert.

Im Laufe des nächsten Jahres wird das durchschnittliche ROE-Wachstum für den S&P 500 inmitten des relativ ungünstigen Geschäftsumfelds voraussichtlich 0 Prozent betragen. Die Aktienliste von Goldman hat unterdessen eine durchschnittliche ROE-Wachstumserwartung von 13 Prozent in den nächsten 12 Monaten. In der untenstehenden Liste sind 23 Aktien aus der Auswahl von Goldman Sachs aufgeführt, die ein erwartetes ROE-Wachstum von 15 Prozent oder mehr aufweisen. 

Marathon Oil und Walt Disney

Unter den Titeln, die ein hohes Wachstum der Eigenkapitalrendite versprechen, sind mit Marathon Oil und Pioneer Natural Resources gleich zwei in der Erdölförderung tätige Unternehmen. Die Aktienkurse beider Titel verbuchen dieses Jahr bereits deutliche Gewinne, da der Erdölpreis wegen der Ukraine-Kriegs in die Höhe geschossen ist. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 20 ist Marathon Oil, das neben Öl auch Erdgas fördert, günstiger als Pioneer Natural Resources.

Mit einem erwarteten Wachstum der Eigenkaptalrendite von 42 Prozent ganz vorne mit dabei ist der Unterhaltungskonzern Walt Disney. Die Schliessungen der beliebten Themenparks des Unternehmens scheinen der Vergangenheit anzugehören, und der Streaming-Dienst Disney+ gewinnt Millionen von Abonnenten hinzu. Trotz des diesjährigen Kursrückgangs von 7 Prozent ist das KGV mit 83 relativ hoch.

Lithium-Gigant und Chiphersteller

Albemarle ist ein Spezialchemiekonzern aus dem US-Bundesstaat North Carolina und einer der weltweit grössten Produzenten von Lithium und Lithiumverbindungen. Der Boom bei den Elektroautos geht daher nicht an dem Unternehmen vorbei, das dieses Jahr mit einem Wachstum von 27 Prozent rechnet. Goldman Sachs prognostiziert, dass das Wachstum der Eigenkapitalrendite bei 33 Prozent zu liegen kommt, was den Titel zumindest auf die Beobachtungsliste befördert.

TitelSektorKursentwicklung seit JahresbeginnROI der vergangenen 12 MonateErwartetes ROI-Wachstum
Ceridian HCM HoldingTechnologie-34 Prozent2 Prozent47 Prozent
AptivKonsumgüter-28 Prozent10 Prozent46 Prozent
Marathon OilEnergie+50 Prozent14 Prozent45 Prozent
Pioneer Natural ResourcesEnergie+38 Prozent16 Prozent44 Prozent
Walt DisneyUnterhaltung-10 Prozent7 Prozent42 Prozent
EquinixImmobilien-15 Prozent4 Prozent39 Prozent
AlbemarleChemie-12 Prozent9 Prozent33 Prozent
T-MobileTelekommunikation+8 Prozent4 Prozent30 Prozent
Huntington BancsharesFinanzen+0 Prozent8 Prozent29 Prozent
BroadcomTechnologie-8 Prozent56 Prozent28 Prozent
ProgressiveFinanzen+10 Prozent12 Prozent27 Prozent
Analog DevicesTechnologie-6 Prozent9 Prozent27 Prozent
SolarEdge TechnologiesTechnologie+16 Prozent14 Prozent26 Prozent
Trane TechnologiesIndustrie-22 Prozent25 Prozent26 Prozent
ExelonVersorger+6 Prozent8 Prozent25 Prozent
Union PacificTransport+6 Prozent49 Prozent21 Prozent
Howmet AerospaceIndustrie+17 Prozent13 Prozent20 Prozent
Stanley Black & DeckerIndustrie-23 Prozent17 Prozent20 Prozent
Willis Towers WatsonFinanzen-1 Prozent11 Prozent19 Prozent
AssurantFinanzen+15 Prozent11 Prozent19 Prozent
Dollar TreeKonsumgüter+12 Prozent18 Prozent17 Prozent
Micron TechnologyTechnologie-15 Prozent18 Prozent17 Prozent
NikeKonsumgüter-20 Prozent43 Prozent15 Prozent

Quelle: cash.ch und Morgan Stanley.

Der Halbleiterhersteller Broadcom hat eine bestehende Eigenkapitalrendite von 56 Prozent und gilt als unterschätzte "Cash-Cow".  Die Eigenkapitalreindite soll in diesem Jahr um weitere 28 Prozent ansteigen. Seit der Einführung einer Ausschüttung im Dezember 2010 hat der Vorstand jedes Jahr massive Erhöhungen beschlossen, so dass die Dividendenrendite trotz des starken Kursanstiegs der vergangenen Jahre - seit dem Börsengang 2009 ist die Aktie um mehr als das 39-Fache gestiegen - bei 2,7 Prozent zu liegen kommt.

Auch vom anhaltenden Chip-Boom profitieren dürften Analog Devices und Micron Technology. Insbesondere die Aktien von Micron sind mit einem KGV von 12 im Branchenvergleich sehr günstig. Der Hersteller von Speicherchips profitiert dabei auch vom wiederanziehenden Preistrends bei DRAM-Chips, was sich aber noch nicht im Aktienkurs niedergeschlagen hat.

Stabilität in das Portfolio bringt der Energieversorger Exelon. Diesem dürfte es wenig Schwierigkeiten bereiten, gestiegene Energiepreise an die Kunden überwälzen. Die Aktien befinden sich seit März 2020 in einem Aufwärtstrend, der auch in den diesjährigen Turbulenzen an den Börsen nicht abgerissen hat. Die Dividendenrendite ist mit 3,1 Prozent ebenfalls ansprechend.