Der Aufwärtsdrang der Aktie des US-Elektroauto-Produzenten Tesla schien in diesem Jahr keine Grenzen zu kennen: Am 23. Juni 2017 markierte sie mit 387 Dollar ein neues Allzeithoch und war damit gut 30 Prozent mehr wert als noch ein paar Wochen zuvor. Doch dann drehte die Stimmung, wie der Chart des Tesla-Aktienkurses seit Jahresbeginn deutlich zeigt:

Entwicklung Tesla-Aktienkurs seit Jahresbeginn, Quelle: cash.ch

In den letzten vier Wochen büsste Telsa an der Börse 16 Prozent ein. Letztmals kam es im April 2016 zu einer ähnlich starken Korrektur. Seit Jahresbeginn beträgt der Wertezuwachs trotzdem noch immer satte 48 Prozent.

Der Hintergrund: Die bereits Mitte März beschlossene Kapitalerhöhung im Wert von 250 Millionen Dollar mittels Aktien und Wandelanleihen im Wert von 1 Milliarde Dollar wurde zunächst positiv aufgenommen. Das Geld wird benötigt, um die Serienproduktion des neuen Modells 3 möglichst risikofrei über die Bühne zu bringen.

Das erschwingliche Elektroauto kommt bald

Es war denn auch dieses Modell 3, das vielerorts für Begeisterung sorgte. Mit einem Preis von 35‘000 Dollar wird es das erste Tesla-Auto, das auch für die Masse erschwinglich sein wird. Der Vorverkauf lief gleich auf Hochtouren, auch in der Schweiz bildeten sich im März 2016 Schlangen vor den Tesla-Verkaufsstellen. Szenen, die sonst eigentlich nur bei iPhone-Neuerscheinungen bekannt sind:

Zusätzlichen Schwung bekam die Tesla-Aktie, als der chinesische Internetriese Tencent Ende März 2017 mit einer Beteiligung von über 5 Prozent zu den Tesla-Aktionären stiess. Tesla-CEO Elon Musk freute sich auf Twitter darüber, die Chinesen als "Investoren und Berater" an Bord zu haben:

Vergangenen Freitag startete Tesla nun mit der Produktion des lange im Voraus angekündigten Modell 3-Autos. Die ersten Modelle der neuen Serie sollen am 28. Juli ausgeliefert werden. Im kommenden Jahr will Tesla eine halbe Million Fahrzeuge produzieren, bis 2020 eine Million. Rund 400'000 Bestellungen liegen bereits vor.

Die Konkurrenz schläft nicht

So weit, so gut. Doch die Zweifel unter Anlegern häufen sich: So ist etwa der Marktanteil für Elektroautos in vielen Ländern noch immer unter 1 Prozent. Zwar dürfte diese Zahl in den nächsten Jahren massiv ansteigen, aber gleichzeitig wollen auch immer mehr Anbieter vom wachsenden Kuchen etwas abhaben: Traditionelle Autohersteller wenden sich ab vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektroantrieb. General Motors brachte Anfang Jahr etwa das Elektro-Auto Chevy Bolt auf den Markt.

Auch deutsche Autoriesen wollen auf den Zug aufspringen: Daimler will 735 Millionen Dollar in die Elektroauto-Infrastruktur in China investieren - das Land gilt als grösster Markt für Elektroautos. BMW und Volkswagen haben in den letzten Wochen explizit betont, Tesla konkurrenzieren zu wollen (Artikel dazu hier und hier). Und letzte Woche gab die schwedische Volvo als erste etablierte Automarke bekannt, komplett auf Elektroautos zu setzen und sich 2019 ganz vom Verbrennungsmotor zu verabschieden. 

Es wird zweifellos ein harter Marktkampf werden, in dem sich Tesla erst noch beweisen muss. Selbst CEO Musk, sonst eher bekannt für seine protzigen Sprüche, drückt etwas auf die Bremse: "Ich denke, unsere Marktkapitalisierung ist höher als wir es eigentlich verdient hätten", sagte er Mitte Mai gegenüber der britischen Tageszeitung Guardian.

Tatsächlich nimmt der Börsenwert schon fast absurde Ausmasse an: Die Marktkapitalisierung von Tesla liegt noch immer bei 52 Milliarden Dollar. Auf ungefähr gleich viel kommen gestandene Automarken wie BMW, General Motors oder Volkswagen (siehe Tabelle unten). Dies obwohl diese Firmen 2016 Umsätze aufwiesen, die 15- bis 35-mal höher waren als die von Tesla generierten 7 Milliarden Dollar. Ausserdem erzielte von den erwähnten Firmen einzig Tesla keinen Gewinn.

Die Hoffnung auf bessere Zeiten

Schlimmer noch: Tesla verbrennt seit Jahren viel Geld. Im dritten Quartal 2016 hatte der Elektroauto-Hersteller zwar erstmals nach 12 Quartalen einen Gewinn vermeldet (22 Millionen Dollar). Aufs Gesamtjahr gesehen betrug der Nettoverlust jedoch 675 Millionen Dollar.

Auch dieses Jahr sieht es nicht gut aus: Im ersten Quartal 2017 war das Ergebnis wiederum tiefrot (minus 330 Millionen Dollar). Tesla konnte im ersten Halbjahr 47'100 Autos verkaufen - damit hat der Elektroauto-Produzent die eigene Zielsetzung (47'000 bis 50'000) nur am unteren Ende erreicht. Die Aktie reagierte am 4. Juli auf die Meldung mit Kursabschlägen von 2,5 Prozent. In den Folgetagen setzte sich die Talfahrt fort. Die detaillierten Zahlen für das zweite Quartal 2017 werden am 9. August bekannt.

Normalerweise würden Anleger um eine Firma, die seit Jahren nur immer Cash verbrennt, noch nie einen Jahresgewinn aufweisen konnte und an der Börse im Vergleich zur Konkurrenz massiv überbewertet scheint, einen grossen Bogen machen. Doch einerseits existiert nach wie vor die grosse Anlegerhoffnung auf einen Zukunftsmarkt, der bei Tesla dereinst riesige Profite generieren könnte. Andererseits sind Anleger von der Aura des mitunter etwas grössenwahnsinnigen Elon Musk fasziniert. Musk will mit seinem Projekt SpaceX ja auch den Mars kolonialisieren. Das lässt so manche trockene Unternehmens- und Aktienbewertung in den Hintergrund rücken.

Nüchtern betrachtet sind die im Aktienkurs eingepreisten Wachstumsfantasien völlig übertrieben: Andere Autohersteller werden im Elektroautomarkt ebenfalls Fuss fassen, Tesla wird höchstens eine Nischenstellung bleiben. Nur Anleger, die ein enormes Risiko in Kauf nehmen wollen und fest an das Tesla-Erfolgsmodell glauben, sollten Aktien kaufen. Für alle anderen gilt: Finger weg. 

Kennzahlen verschiedener Autohersteller

FirmaBörsenkapitalisierung (in Dollar)Umsatz 2016 (in Dollar)Gewinn 2016 (in Dollar)
Daimler78 Mrd.175 Mrd.9,7 Mrd.
BMW57 Mrd.107 Mrd.7,8 Mrd.
General Motors53 Mrd.166 Mrd.9,4 Mrd.
Tesla52 Mrd.7 Mrd.-0,7 Mrd.
Volkswagen48 Mrd.248 Mrd.5,9 Mrd.
Volvo35 Mrd.22 Mrd.1,4 Mrd.

Quelle: cash.ch, die Resultate wurden jeweils mit dem aktuellen Wechselkurs in Dollar umgerechnet (11.7.2017)