Mit dem Handelskrieg von US-Präsident Donald Trump gegen China und Europa hat die exportstarke deutsche Autoindustrie eine tektonische Verschiebung ihrer Märkte vor sich: An den US-Einfuhrzöllen mag sich täglich noch etwas ändern, aber der Trend zur Entkoppelung der Weltregionen und zur protektionistischen Industrialisierung Chinas und der USA festigt sich nach Einschätzung von Mercedes-Chef Ola Källenius. «Ich glaube nicht, dass wir von einer kurzfristigen Politik reden, und in zwei Jahren ist alles komplett anders», sagte Källenius am Mittwoch. Die Wirtschaft sei nach vielen Jahren freien Welthandels auf dem Trip zu mehr Regionalisierung. «So ist es nun mal, darauf werden wir reagieren.»
Zerrieben zwischen knallhartem Wettbewerb in China und Zolldrohungen der USA brachen die operativen Gewinne von Mercedes-Benz und Volkswagen schon im ersten Quartal um rund 40 Prozent ein. Källenius kippte wegen der grossen Unsicherheit im Hin und Her der US-Zollpolitik und nicht absehbaren Marktreaktionen die Jahresprognose komplett. Sollte der Zollaufschlag von 25 Prozent bis Ende 2025 gelten, wäre die bislang auf nur noch sechs bis acht Prozent taxierte Marge im Pkw-Geschäft nochmal drei Prozentpunkte niedriger. Der VW-Konzern klammert die Zolleffekte in seiner Prognose weiter aus. Aber auch ohne den USA-Dämpfer, der bei seiner Tochter und Cash-Cow Porsche das Jahresziel rasierte, sank die Gewinnerwartung auf das untere Ende der Spanne von 5,5 bis 6,5 Prozent.
Effektiv habe auch Volkswagen damit seine Prognose gestrichen, weil die Zölle nicht enthalten seien, sagte UBS-Analyst Patrick Hummel. VW-Finanzchef Arno Antlitz wollte auf wiederholte Nachfrage keine Einschätzungen zu den Zusatzkosten durch den Handelskrieg abgeben. «Wir konzentrieren uns lieber auf das, was wir selbst in der Hand haben.»
Auch der Opel-Mutterkonzern Stellantis, zu dem der US-Autobauer Chrysler gehört, zog seinen Ausblick wegen der Unsicherheit zurück. Volvo Cars aus Schweden setzte seine Prognose am Dienstag gleich für zwei Jahre aus.
Trump will Unternehmen mehr Zeit geben
Seit April wird auf Autoimporte aus Europa ein US-Zoll von 25 Prozent aufgeschlagen, für Autoteile sollen ab Mai Zuschläge gelten. Das soll zu mehr Investitionen in den USA führen und die heimischen Hersteller stärken. Am Dienstag kündigte Trump an, die Zollpläne auf Autoteile abzumildern, um der Industrie mehr Zeit zum Aufbau lokaler Zulieferung zu geben. Eine Reihe von Autobauern, darunter Volkswagen, hatten in einem Schreiben vor schädlichen Folgen gewarnt. Trumps offenbar auf Dauer angelegte Zollpolitik belaste die Autobauer doppelt, erklärte Pal Skirta, Autoexperte der Privatbank Metzler. «Einerseits laufende Zollkosten, andererseits Investitionen in den Umbau globaler Lieferketten und den Ausbau lokaler Fertigungstiefe in den USA – beides ist mit erheblichen Kosten verbunden.»
Während Taskforces der Dax-Unternehmen unter Hochdruck das Tagesgeschäft im Zoll-Chaos zu steuern versuchen, arbeitet das Management an Abwehr- und Anpassungsstrategien. Mercedes ist Källenius zufolge im Gespräch mit Vertretern der US-Regierung über einen Ausbau der Produktion vor Ort. «Die Gespräche sind in einer konstruktiven Atmosphäre.» Dabei seien nicht nur Fahrzeugmodelle im Blick, sondern auch Teile und Motoren, die aus Europa eingeführt werden. Die Schwaben stellen im Austausch mit den Politikern nicht nur ihre US-Produktion von SUVs und Transportern mit zig Tausenden Arbeitsplätzen heraus, sondern auch ihre Exporte von dort. Womöglich lasse sich das regulatorisch zu Gunsten des Autobauers berücksichtigen - im Interesse der USA, aber auch des Unternehmens, sagte Källenius.
Auch Volkswagen prüfe Optionen, die Fertigung in den USA zu steigern, sagte Antlitz. Die Wolfsburger bauen in ihrem Werk in Chattanooga/Tennessee jährlich etwa 200.000 VW-Fahrzeuge. Das Programm könnte erweitert werden, sagte Antlitz. Ausserdem wird ein Werk in South Carolina für die Elektro-SUV-Marke Scout errichtet. «Es gibt die Möglichkeit, in dem Werk auch andere Aktivitäten zu integrieren.» Die Premiumtochter Audi ist wie Porsche in ihrem US-Geschäft vollständig auf Importe angewiesen, erwägt aber eine Produktion in den USA. Audi-Chef Gernot Döllner kündigte im Februar eine Entscheidung für dieses Jahr an.
China-Geschäft lahmt
Im ersten Quartal brach bei beiden Unternehmen der Gewinn um jeweils ungefähr 40 Prozent ein. Mercedes-Benz verdiente noch 2,3 Milliarden Euro. Ein wichtiger Grund dabei ist sinkender Absatz in China. Die Stuttgarter kämpfen wie die anderen deutschen Autobauer auf dem weltweit grössten Markt mit harter Konkurrenz durch heimische Hersteller.
Der Volkswagen-Gewinn verringerte sich auf 2,9 Milliarden Euro. Eine grosse Rolle spielten die Turbulenzen bei Porsche, wo der Gewinn zu Jahresauftakt eingebrochen war. Der Sportwagenbauer steckt in einer Absatzkrise in China und ist von den US-Zöllen mangels eigener lokaler Produktion stark betroffen.
(Reuters)