Spekulationen über die Zinsaussichten halten die europäischen Aktienmärkte in Atem. Nach dem stabilen Wochenstart zog der Dax am Dienstag rund ein halbes Prozent auf 24'145 Punkte an. Als Treiber erwiesen sich einmal mehr Rüstungskonzerne und Finanztitel. Dagegen gab der EuroStoxx50 leicht auf 5720 Zähler nach. Mit Spannung warteten Börsianer auf die im Tagesverlauf beginnende Sitzung der US-Notenbank. Im Fokus stehen dabei Hinweise auf die künftige Zinsentwicklung. Eine Zinssenkung der Fed um 25 Basispunkte am Mittwoch gilt als so gut wie sicher.
«Von den möglichen Meinungsverschiedenheiten über den Ton von Fed-Chef (Jerome) Powell bis hin zu den Wirtschaftsprognosen gibt es meiner Meinung nach viele Möglichkeiten, die Märkte zu überraschen», sagte Erica Camilleri, Analystin bei Manulife Investment Management. Diese würden auch zeigen, ob der nächste Fed-Chef ein Gremium übernehmen werde, das weiteren Zinssenkungen gegenüber zurückhaltend ist oder bereit ist, den Wünschen von Präsident Donald Trump nach einer lockereren Geldpolitik zu folgen.
Ausverkauf bei Staatsanleihen pausiert
Im Vorfeld der Fed-Sitzung legte der Ausverkauf bei Staatsanleihen eine Pause ein. In dieser Woche ist nicht nur die US-Notenbank am Zug: Die Reserve Bank of Australia hielt am Dienstag wie erwartet die Zinssätze konstant, schloss aber eine weitere Lockerung der Geldpolitik aus und warnte, dass der nächste Schritt nach oben erfolgen könnte, wenn sich der Inflationsdruck als hartnäckig erweist. Marktteilnehmer erwarten auch, dass die Bank of Canada und die Schweizerische Nationalbank bei ihren Sitzungen die Zinssätze beibehalten. Die Renditen 30-jähriger deutscher Staatsanleihen, die stärker auf langfristige fiskalische Bedenken reagieren, fielen um zwei Basispunkte auf 3,45 Prozent. Am Montag hatten sie mit 3,478 Prozent den höchsten Stand seit Sommer 2011 erreicht.
Auch die Haushaltsquerelen in Frankreich rückten in den Blick der Anleger. Der französischen Regierung droht am Nachmittag bei der Abstimmung über den Sozialhaushalt eine Niederlage. Ein Scheitern des entsprechenden Gesetzes könnte eine Finanzierungslücke von bis zu 30 Milliarden Euro für das Gesundheitswesen, das Rentensystem und die Sozialleistungen des Staates hinterlassen - fast doppelt so viel wie ursprünglich gedacht. Der französische Leitindex lag ein halbes Prozent im Minus.
Rüstung im Aufwind - Abverkauf bei Thyssenkrupp
Bei den Einzelwerten deckten sich Anleger vor allem bei Rüstungskonzernen ein. Rheinmetall-Aktien zogen rund vier Prozent an und waren damit der stärkste Dax-Wert. Die Anteilsscheine von Hensoldt und Renk verteuerten sich zeitweise mehr als sieben Prozent. Bei den Gesprächen über einen Friedensplan für die Ukraine gab es zuletzt keine Fortschritte. Einem Bericht von Bloomberg zufolge werden deutsche Abgeordnete voraussichtlich nächste Woche Beschaffungsverträge im Rekordwert von 52 Milliarden Euro genehmigen.
Dagegen gerieten die Aktien von Thyssenkrupp nach Vorlage eines enttäuschenden Ausblicks unter die Räder. Zeitweise rutschten die Titel mehr als 13 Prozent ab. «Das Zahlenwerk für 2024/25 fällt leicht besser aus als erwartet, während die neue Prognose für 2025/26 klar unter den Markterwartungen liegt», kommentierten die Analysten der DZ Bank. Thyssenkrupp gab an, im Jahr 2026 mit einem Nettoverlust von bis zu 800 Millionen Euro zu rechnen, und begründete dies mit Restrukturierungsrückstellungen in seiner Stahlsparte.
Aktien aus dem europäischen Ökostrom-Sektor legten dagegen nach einer für die Branche positiven Gerichtsentscheidung in den USA zu. Siemens Energy-Aktien zogen rund ein Prozent an, die Titel des deutschen Windkraftanlagenbauers Nordex um zwei Prozent. Die dänischen Branchengrössen Vestas und Oersted gewannen in der Spitze rund vier Prozent. Ein Bundesrichter hatte ein von US-Präsident Donald Trump verhängtes Verbot für neue Windkraftprojekte für rechtswidrig erklärt. Ein Händler verwies zugleich auf den Einstieg des aktivistischen US-Investors Ananym Capital bei Siemens Energy als Treiber.
(Reuters)
