Auf den ersten Blick gibt es genug Gründe, nicht in Evolva zu investieren: Die Aktie ist mit 51 Rappen nur noch ein Bruchteil ihres Allzeithochs von 45,45 Franken Mitte 2007 wert, Produktlancierungen zögern sich hinaus, die Zahlen sind tiefrot und schliesslich macht nun auch noch der langjährige Finanzchef einen Abgang. Die Firmen-Strategie wirkt verwirrend: Zuerst setzte das Unternehmen auf Medikamente, seit 2012 aber auf Lebensmittel-Geschmackstoffe.
Auch der Kursverlauf von Evolva über die letzten 12 Monate sorgt für Ernüchterung: Innerhalb eines Jahres verlor die Aktie 58 Prozent an Wert. Der aktuelle Kurs stellt nun gar den tiefsten Stand seit Januar 2013 dar. Die folgende Grafik zeigt diese Entwicklung:
Entwicklung der Evolva-Aktie in den letzten 12 Monaten, Quelle: cash.ch.
Doch einige der oben genannten Punkte müssen relativiert werden: So ist der Kursvergleich mit dem Allzeithoch aus dem Jahr 2007 nicht ganz fair, zumal es sich damals noch um das Biopharma-Unternehmen Arpida handelte, welches erst 2009 mit Evolva fusionierte. Evolva hüllte sich damals in den Mantel von Arpida, um an der Börse kotiert sein zu können.
Die komplette Neuausrichtung weg von den Medikamenten hin zu Nahrungsmittelzusatzstoffen könnte sich geradesogut als Glücksfall und nicht als Akt der Verzweiflung herausstellen. Die Reinacher besitzen inzwischen eine grosse Expertise im sogenannten Fermentierungsprozess - also der Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gase oder Alkohol. Die Endprodukte werden im Ernährungs-, Gesundheits- und Wellness-Bereich angewendet. Einige dieser Produkte sind bereits auf dem Markt, etwa das Nahrungsergänzungsprodukt Resveratrol oder der Geschmacksverstärker Vanillin.
Deal mit Coca-Cola wäre grosser Wurf
Der ganz grosse Wurf soll aber erst noch kommen: Die Markteinführung des kalorienfreien Stevia-Süssstoffs "EverSweet". Dieser wurde in einem Joint Venture mit Cargill entwickelt. Der US-Lebensmittelgigant beliefert unter anderem Coca-Cola und Pepsi.
Der Zuckerersatzstoff Stevia ist in den letzten Jahren in den Fokus der Investoren und auch der Konsumenten gerückt; etwa durch die Lancierung von "Cola Life" durch Coca-Cola. Die traditionelle Stevia-Produktion geschieht mittels Auslösung aus der gleichnamigen Pflanze. Geschmacklich ergibt sich jedoch ein unangenehmer bitterer Abgang, so dass etwa bei "Cola Life" trotzdem noch üblicher Zucker hinzugefügt werden muss.
Evolva hat das Problem mit dem unschönen Nachgeschmack durch die Fermentation aus Hefe aber überwunden. Setzt sich das neue Verfahren durch, könnte Stevia günstiger, in gleichbleibender Qualität und mit höherer Süsskraft hergestellt werden. Ausserdem kämen die Konsumenten in den Genuss eines kalorienfreien Zuckerersatzes.
Noch im Januar zeigte sich Evolva überzeugt, "Eversweet" 2016 einführen zu können. Doch nur drei Monate später stand im Geschäftsbericht, dass die Herstellungskosten für einen Launch noch nicht annehmbar seien - eine herbe Enttäuschung für die Aktionäre. Ein Analyst von Edison Investment Research rechnet nun mit einer Lancierung spätestens Mitte 2018.
Analysten mit Kaufempfehlungen
Im Idealfall wird "Eversweet" künftig in verschiedenen Süss-Getränken, etwa von Cola oder Pepsi verwendet. Es ist denn auch in erster Linie das enorme Potenzial dieses Zuckerersatzes, welches die Analysten weiter an Evolva glauben lässt. Der Analystenkonsens geht mit einem Erreichen der Gewinnschwelle ungefähr im Jahr 2020 aus.
Eine Kaufempfehlung geben derzeit die Credit Suisse, Vontobel und Research Partners ab, mit 12-Monats-Kurszielen von 0,95 bis 1,20 Franken. Damit sehen die Analysten ein enormes Aufwärtspotential von 80 bis 230 Prozent.
Etwas skeptischer sieht es ein Analyst von Berenberg: Er bezweifelt, dass Evolva das Produkt rentabel vermarkten kann. Es handle sich bei Stevia immerhin um das teuerste Süssungsmittel weltweit; Dies werde es Evolva schwierig machen, überhaupt auf ein genügend hohes Verkaufsvolumen zu kommen. Berenberg stuft den Titel aber immerhin auf Halten ein.
Das weitere Schicksal der Evolva-Aktie und vom Unternehmen selbst scheint ganz vom Erfolg des neuen Süssstoffes abzuhängen. Die Unternehmensleitung von Evolva hofft, bis Ende Jahr nähere Auskünfte über die technischen Fortschritte in der Produktion von Stevia geben zu können. Eins steht fest: Je länger sich die Produktelancierung von "EverSweet" hinauszögern wird, umso ungeduldiger dürften die Anleger werden.
(Mit Material von AWP)