In der Bankenwelt ist KI schon lange angekommen, für viele Kundinnen und Kunden aber nicht offenkundig im Einsatz. Denn die meisten Bankhäuser beschränken sich gegenwärtig noch auf Anwendungen, die im Hintergrund laufen. So haben sich KI-Anwendungen zur Erkennung von Betrug (Fraud Detection) und zur Abwendung von Betrugsversuchen (Fraud Prevention) flächendeckend etabliert.

Siegeszug im Backoffice

Ausserdem beginnen KI-Tools ihren Siegeszug im Backoffice. Immer mehr Banken setzen KI unterstützend für ihre Mitarbeitenden ein. Raiffeisen zum Beispiel verwendet «künstliche Intelligenz unter anderem für die Identifikation der Kundschaft beim digitalen Onboarding und für das automatisierte Einlesen von Dokumenten bei der Vergabe einer Hypothek».

Die ZKB setzt «eine interne Wissensplattform für Mitarbeitende» ein, die KI nutzt. Solche Anwendungen unterstützen auch schon Mitarbeitende bei anderen Banken. 

Roboter haben viel Arbeit

Für die Automatisierung von repetitiven Aufgaben und die Auflösung von Medienbrüchen böten die heute vorhandenen Softwareprodukte den höchsten Reifegrad, so die Valiant: «Entsprechend erwarten wir hier am ehesten einen Nutzen.»

Die UBS verfügt gemäss eigenen Angaben «über aktive KI-Modelle, die vor allem die fundierte Entscheidungsfindung und die Automatisierung von Prozessen unterstützen». Mehr Details dazu wollte die Grossbank gegenüber der Redaktion nicht bekannt geben. 

Die Valiant setzt einfache Formen von KI bereits seit längerer Zeit im Zahlungsverkehr ein. Ebenfalls kommt Robotic Process Automation (RPA) in diversen Bereichen zur Anwendung. «RPA hilft uns, unsere Prozesse zu automatisieren und mehr persönliche Zeit für unsere Kundschaft zu haben», teilt die Valiant auf Anfrage mit.

Mitarbeitende «freischaufeln» für andere Aufgaben

Die Berner Kantonalbank (BEKB) setzt wie bereits viele andere Finanzhäuser KI zur internen Effizienzsteigerung ein. Konkret sei dies derzeit bei der zielgerichteten Verarbeitung von Daten (Customer Intelligence) der Fall sowie bei Anlageempfehlungen (Assetmanagement). Für die BEKB liegen die Vorteile auf der Hand: «KI hilft uns, unsere Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsalltag zu unterstützen und Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Des Weiteren nutzen wir KI, um Kundenanliegen noch besser zu identifizieren.»

KI-Tools bringen Vorteile

KI-Lösungen werden den Arbeitsalltag von Bankerinnen und Bankern auf breiter Front mittels digitaler Assistenten vereinfachen. Davon profitieren auch Kundinnen und Kunden.

KI ist für die Raiffeisen kein Tool, um Kosten zu senken, sondern eine Chance, das Kundenerlebnis zu verbessern und mehr Zeit für die Beratung zu schaffen. Durch den Einsatz von KI verbessere sich das Kundenerlebnis (Customer Experience): «Beispielsweise reduziert sich bei der Hypothekarvergabe für Kundinnen und Kunden der physische Papieraufwand, da alle für den Kreditentscheid relevanten Dokumente mit der KI in das System eingelesen werden», hebt die Raiffeisen die Vorteile von KI-Anwendungen hervor.

Die Zukunft kommt in grossen Schritten

«Mit wachsendem Reifegrad wird KI in unterschiedlichen Bereichen einen wertvollen Beitrag zur Optimierung unter anderem von Prozessen liefern können», ordnet die Valiant ein. Die effizientere und sichere Nutzung von grossen Datenmengen werde vereinfacht. «Wir beobachten die Technologie sowie die Weiterentwicklungen laufend, und sollten sich Opportunitäten ergeben, werden wir diese prüfen und nutzen.»

So verhalten sich alle angefragten Banken in der redaktionellen Umfrage: Auch UBS, BEKB, Raiffeisen und Zürcher Kantonalbank (ZKB) haben Teams, die permanent Ausschau nach sinnvollen KI-Einsätzen halten. Alle Banken gehen zudem davon aus, dass KI-Tools in den kommenden Jahren massive Veränderungen in der Bankenwelt ermöglichen. «Mit dem steigenden Reifegrad der Technologie sind auch breitere Einsatzgebiete möglich, wodurch KI in verschiedenen Bereichen der Bank einen Nutzen bringen wird», hält die ZKB fest. «Produkte und Dienstleistungen können durch KI schneller, effizienter, kostengünstiger oder innovativer gestaltet werden», betont die Zuger Kantonalbank.

Vorsichtiges Agieren der Banken

Der Einsatz neuer Technologien wird von der ZKB laufend geprüft, beispielsweise die Nutzung von generativer KI. Auch die Raiffeisen und andere Finanzhäuser strecken in diesem Bereich ihre Fühler aus. Die UBS konzentriert sich darauf, «die Zeit bis zur Veröffentlichung von KI-Technologie zu verkürzen und Fälle zu bearbeiten, die dem Unternehmen einen erheblichen Mehrwert und Nutzen bringen».

Ganz oben auf der Prioritätenliste steht trotz aller Innovation, die Banken in den kommenden Jahren leisten müssen, die Sicherheit der KI-Anwendungen. Weder Banken noch Versicherungen wollen bei der Kundschaft Vertrauen verlieren. 

Einige Banken testen den Einsatz von generativer KI. Doch Vorsicht ist im Banking die Mutter der Porzellankiste, wie die Valiant in anderen Worten festhält: «Die hohen Anforderungen unter anderem bezüglich der Nachvollziehbarkeit in einer regulierten Branche erfordern fundierte Abklärungen.» Genauso sieht es auch die Zuger Kantonalbank: «KI sollte als Ergänzung und nicht als Ersatz für Menschen eingesetzt werden.» Bei der Zuger Kantonalbank wird darum KI dort eingesetzt, wo sie Kundinnen und Kunden «einen klaren Mehrwert bringt und mit unseren Grundsätzen vereinbar ist». Die Implementierung von KI-Lösungen sei kein trivialer Prozess, sondern «erfordert eine gründliche Berücksichtigung von Regulierungs-, Sicherheits- und Technologieaspekten».

Immense Investitionen kommen auf Unternehmen zu

Die Valiant prüft Anwendungsfälle für generative KI wie die Unterstützung ihrer Mitarbeitenden durch Copilot for Microsoft 365. Anwendungsfelder sind zum Beispiel Knowledge-Management im Kundencenter, die automatisierte Dokumentenerkennung und -verarbeitung oder die Unterstützung des Vertragsmanagements. Ebenfalls prüfen Banken das Potenzial von Chatbots zur Verbesserung der Kundeninteraktion.

Chatbots haben sich bereits in der Versicherungsbranche etabliert. Bald werden sie auch im Banking unterstützend und flächendeckend eingesetzt. Sei dies, um die überlasteten Kundencenter zu entlasten – oder aber, um einen Kundenservice 24/7 an 365 Tagen im Jahr zu ermöglichen. Ein guter KI-basierter Service biete «schnelle Antworten und passt sich automatisch an die spezifischen Bedürfnisse einzelner Kundinnen und Kunden an», schreibt die Zuger Kantonalbank.

Über die Investitionskosten bei KI-Projekten wollen die meisten angefragten Banken – allen voran die UBS – nicht sehr viel verraten. Die Valiant schätzt, dass ihr Budget sich in den kommenden zwei bis drei Jahren wohl «weiterhin im tiefen einstelligen Prozentbereich der gesamten IT-Ausgaben bewegen» wird. Auch bei der Raiffeisen und der BEKB ist dies der Fall.

Ohne KI keine Zukunft

«KI hat die Finanzdienstleistungsbranche bereits verändert – und sie wird sie weiter deutlich verändern», hält die Zuger Kantonalbank fest. Der Finanzmarkt biete aufgrund der reichen Datenlage ein vielversprechendes Feld für die Anwendung künstlicher Intelligenz. «Sie wird in der Branche weiter an Relevanz gewinnen und künftig zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Diesem Umstand tragen wir Rechnung, indem wir KI als Chance verstehen und entsprechende Kompetenzen aufbauen», ist sich die Zuger KB sicher.

Kleinere Banken können die auf sie zukommenden Kosten unmöglich alleine stemmen. Aus diesem Grund nutzen Regionalbanken und Lokalbanken Interessengemeinschaften und Netzwerke wie etwa Clientis, Esprit oder Entris. Durch die Zusammenarbeit ergeben sich die notwendigen Skaleneffekte – und KI-Projekte werden auch für kleinere Bankhäuser umsetzbar.

Bei den gegenwärtig tiefen finanziellen Aufwendungen in KI-Tools wird es wohl nicht bleiben: Die massiven Investitionen müssen Schweizer Banken ganz sicher tätigen, da sonst Fintechs ganze Zukunftsmärkte und -angebote übernehmen werden. Die UBS hält fest: «Unsere Technologieinnovations- und Venture-Einheit UBS Next hilft uns, mit dem gesamten Fintech-Ökosystem in Verbindung zu bleiben und die neueste Technologie zu nutzen.» Dies trage dazu bei, in einem digitalen, disruptiven Zeitalter relevant zu bleiben.

Gewaltiges Effizienzpotential

Für die Unternehmensberatung McKinsey ist klar: «Der rasante Aufstieg der generativen KI seit Anfang 2023 und ihr Potenzial, jährliche Bankeinnahmen in der Höhe von 200 bis 340 Milliarden Dollar zu erschliessen – oder 9 bis 15 Prozent des Betriebsgewinns durch Produktivitätssteigerung –, haben die Aufmerksamkeit von Bankenführern und -führerinnen auf der ganzen Welt auf sich gezogen.» Generative künstliche Intelligenz stellt Finanzinstitute in den kommenden Jahren vor einzigartige Herausforderungen. 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Handelszeitung unter dem Titel: "Gigantische Umwälzungen: KI transformiert die Bankenwelt fundamental".