Wer sich die Entwicklungen der Aktienmärkte in den letzten zwei Wochen anschaut, könnte meinen, wir stünden inmitten einer breiten Erholungsrally. Seit dem 23. März, dem vorläufigen Corona-Tiefpunkt an den Märkten, holte der Swiss Market Index (SMI) knapp 16 Prozent seiner Verluste wieder auf. Der Euro Stoxx 50 gewann rund 19 Prozent und der Dow Jones legte gar 26 Prozent zu.

Aber: Anleger sollten nicht zu früh, zu euphorisch werden. Niemand kann sicher sein, ob der Tiefpunkt bereits hinter uns liegt. Die Berichtssaison bringt fast ausschliesslich schlechte Ergebnisse und die Zahlen aus dem zweiten Quartal dürften das Ausmass der Krise erst richtig zeigen. Auch wenn bereits vieles in den Kursen eingepreist zu sein scheint, dürfte bei einem weiteren Knick nach unten niemand wirklich überrascht sein.

Was kommt nach Corona?

Trotzdem lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, was die Corona-Krise für Chancen birgt, sollte das Virus einmal unter Kontrolle gebracht werden. Das US-Finanzportal Marketwatch sieht in der Nach-Corona-Zeit sogar Chancen für die grösste US-Aktienrally aller Zeiten. Das klingt zwar etwas sehr optimistisch, trotzdem lohnt ein Blick darauf, was diese These stützt.

Fünf Gründe, die für eine massive US-Rally nach dem Coronavirus sprechen:

1. Das Tina-Prinzip – There Is No Alternative, und zwar zu Aktien – gilt mehr denn je. Die US-Notenbank Fed wird die Zinsen aller Voraussicht nach für lange Zeit tief belassen. Was insbesondere auf dem europäischen Aktienmarkt schon seit vielen Jahren Normalität ist, gilt jetzt mehr denn je auch für den US-Markt.

Zehnjährige US-Treasuries rentieren derzeit mit etwa 0,65 Prozent. Das entspricht einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwa 155. Das durchschnittliche KGV im S+P 500 liegt derzeit bei etwa 16. Es gilt weiterhin die alte Leier: Es gibt keine Alternative zu Aktien.

2. Die Geschichte zeigt es: Wenn die Fed gezwungen ist, ihre Bilanz auszuweiten, fliesst ein grosser Teil der Liquidität in die Aktienmärkte. Seit der Corona-Krise hat die Fed ihre Bilanz massiv ausgeweitet (siehe Chart). Seit Anfang Jahr hat die US-Notenbank ihre Bilanz von rund vier Billionen auf über sechs Billionen Dollar aufgebläht.

Entwicklung der Fed-Bilanz (in Millionen Dollar) in den letzten fünf Jahren, Quelle: federalreserve.gov.

Ein Ende ist zumindest kurzfristig nicht in Sicht. Fed-Chef Jerome Powell sagte kürzlich zum Thema Kreditvergabe an Unternehmen, das Coronavirus werde hier den Fahrplan diktieren. Folglich ist davon auszugehen, dass noch mehr Geld in die Märkte fliessen wird. 

3. Die US-Wirtschaft ist zu einem grossen Teil auf den Konsum ausgerichtet. Mehr als zwei Drittel der Gesamtproduktion des Landes dient dem privaten Konsum. Darin liegt auch Donald Trumps Zuversicht begründet, dass sich bei einer Lockerung der Massnahmen der "Nachfragestau" löst und die Wirtschaft hochschiessen wird, "wie niemals zuvor gesehen". Auch wenn man kein Fan des US-Präsidenten ist, scheint er bei diesem Punkt nicht völlig unrecht zu haben.

4. Short-Squeezes könnten ein zusätzlicher Treiber einer Rally sein. Schon die jetzige Bärenmarkt-Rally wird von Marktbeobachtern teilweise mit sogenannten Short Squeezes erklärt. Dabei handelt es sich um vermehrte Zukäufe von Shortsellern, die bei ihrer Wette auf fallende Kurse auf dem falschen Fuss erwischt wurden. Um die Verluste zu begrenzen, müssen sie das steigende Wertpapier am Markt zurückkaufen. Das feuert die Rally zusätzlich an.

5. Die Corona-Krise hat eines offenbart: Die (Zu)Lieferketten sind hoch anfällig auf externe Schocks. Der Lockdown in China hat vielen Betrieben – ob Kleinunternehmen oder Weltkonzern – die die Abhängigkeit von Zulieferern aus dem Reich der Mitte vor Augen geführt. Viele spricht dafür, dass die Wirtschaft in den USA (aber auch Europa) daher eine Neukonfiguration der Lieferketten anstrebt. Das würde zu massiven Investitionen führen, wovon heimische Unternehmen profitieren dürften.