Es wird geschimpft über den langsamen Strukturwandel in Europa. Darunter leiden primär die lokalen, kleinen und mittelgrossen Firmen (KMUs), die weniger stark exportorientiert sind als die kotierten, Unternehmen.

Ein Blick auf die europäischen Aktienmärkte in den letzten drei Jahren zeigt seit 2023 beim Gesamtertrag - sprich Kursgewinne zuzüglich Dividenden - eine überdurchschnittliche Performance, auch wenn diese den US-Aktienmärkten weiter hinterherhinkt.

Diese Entwicklung ist um so erstaunlicher, haben die Strategen für diese Zeitperiode eine deutlich schlechtere Performance erwartet. Im Jahr 2023 zog der Stoxx Europe 600 Index um 13 Prozent an, während die Marktstrategen nur ein Plus von 2 Prozent erwarteten. 2024 belief sich das Plus auf 8 Prozent (Konsensus 0 Prozent) und 2025 lag der Gesamtertrag gar bei 15 Prozent (erwartet +3 Prozent).

Die Experten der Deutschen Bank lagen in der Vergangenheit meist goldrichtig und kamen mit ihren Prognosen jeweils auf den Punkt oder mit einer Abweichung von 2 Prozent nahe an den effektiven Wert heran. Für das nächste Jahr zeigt sich das Team um Maximilian Uleer weiter optimistisch und prognostiziert einen Gesamtertrag von 12 Prozent für den Stoxx Europe 600 - zu den Top-Picks der Deutschen Bank für 2026 geht es hier

Immerhin konstatiert Uleer, nicht mehr ganz allein zu sein mit seiner hohen Prognose. Das bestätigt sich auch in einer Bloomberg-Umfrage: Die 17 befragten Strategen sehen den Stoxx Europe 600 Index bis Ende nächsten Jahres um etwa 7 Prozent steigen und den Stand von 620 Punkte erreichen.

Der UBS-Stratege Gerry Fowler erweist sich als noch grösserer Optimist. «Nachdem die Wertentwicklung mehrere Jahre lang von hohen Bewertungen und enttäuschenden Konsensprognosen geprägt war, erwarten wir erstmals seit drei Jahren wieder Gewinnwachstum in Europa im Jahr 2026.»

Die Konsensprognosen gehen von einem Anstieg des Gewinns je Aktie um 10 bis 11 Prozent aus, so Fowler von der Schweizer Grossbank. Dies könnte sich zwar als etwas zu hoch erweisen und prognostiziert 7 Prozent, basierend auf einem Umsatzwachstum von 3 bis 4 Prozent bei gleichzeitiger Margenverbesserung. Das Kursziel für den Stoxx Europe 600 legt der UBS-Experte auf 650 Punkte bis Ende 2026. Dies spiegele das erwartete Wachstum bis 2026 wider.

Zu viel Euphorie beim Gewinnwachstum?

Das letzte Mal folgte auf so viel Optimismus der Strategen das Tal der Tränen: 2018 waren die Strategen zuletzt so einhellig optimistisch. In der Folge brach der Stoxx Europe 600 in den nächsten zwölf Monaten um 13 Prozent ein.

Laut den Strategen der Bank of America unterschätze der Markt die Risiken. Sie sehen die US-Arbeitsmarktstabilität und ein sich abschwächendes Wirtschaftswachstum voraus. «Entgegen der optimistischen Konsensprognose bleiben wir vorsichtig und erwarten einen Rückgang des Stoxx Europe 600 um 8 Prozent auf 530 Punkte bis zum zweiten Quartal 2026, gefolgt von einer Erholung auf 565 Punkte bis zum Jahresende.»

Dennoch dürfte die europäische Wirtschaft dank Investitionen von über 2 Billionen Euro in die Infrastruktur und saubere Energie sowie dem deutschen Infrastrukturfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro und steigenden Verteidigungsausgaben noch einige Jahre lang gestützt sein.

Die Bewertungen bleiben vor diesem Hintergrund attraktiv, meinen die Analysten Laurent Douillet und Kaidi Meng von Bloomberg. Der Stoxx Europe 600 notiere, basierend auf dem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), weiterhin mit einem Abschlag von 35 Prozent gegenüber dem S&P 500 Index. Die Experten von Bloomberg sehen bis 2026 trotzdem nur ein bescheidenes Aufwärtspotenzial bei europäischen Aktien, da weitere Kursgewinne zunehmend von der Ertragskraft und weniger von einer Steigerung des KGVs abhängen.