«Never catch a falling knife» - die althergebrachte Börsenregel mag etwas ausgelaugt wirken. Dennoch berücksichtigen sie die Investoren bei ihren Kaufentscheidungen immer wieder. Zu Recht. Grosse und lange anhaltende Kurstaucher haben in den allermeisten Fällen handfeste Gründe, welche Investoren abschrecken. 

Abschreckend wirkt auch, dass man als Käufer einer fallenden Aktie kaum je den «richtigen» Zeitpunkt erwischt - sofern es diesen überhaupt gibt. Der Wendepunkt kommt aber bei vielen Aktien früher oder später trotzdem - vor allem bei Unternehmen, die solide aufgestellt und profitabel sind und deren Kursverluste übertrieben erscheinen. Übertreibungen nach unten gibt es oft wegen zyklisch bedingter Baissen, Panik- und Verleiderverkäufen oder Quartalsergebnissen, welche der Markt schlechter aufnimmt als sie tatsächlich sind.

Wer als Investor genug Sitzleder hat und auch weitere mögliche Kurstaucher aushalten kann, greift bei passenden Unternehmen zu. An der Schweizer Börse haben sich in den letzten Wochen und Monaten einige «gefallene» Unternehmen herauskristallisiert, die für Investoren interessant sind. Die Übersicht nach Risikograd für Anleger:

Gefallene Schweizer Aktien - Tiefes Risiko

LLB: Die Aktie der Liechtensteinischen Landesbank erreichte Mitte August ein neues 17-Jahres-Hoch, fiel dann rund 10 Prozent zurück. Der Frontenwechsel von CEO Gabriel Brenna zu Raiffeisen konnte dem Titel zuvor nichts anhaben. Es spricht wenig dagegen, dass die Aktie des Vermögensverwalters den seit Dezember 2024 eingeschlagenen Aufwärtstrend wieder aufnimmt. Die Dividendenrendite beträgt 3,5 Prozent.

Burkhalter: Die Aktie der Elektrotechnikgruppe profitierte in diesem Jahr vor allem von der Schweiz-Ausrichtung des Geschäftes inmitten des weltweiten Zollchaos. Der leichte enttäuschende Gewinn bei den Halbjahreszahlen brachte der Aktie einen Rückschlag von rund 15 Prozent verglichen mit dem Beinahe-Rekordstand von Mitte August. Burkhalter wird weiterhin von der Binnenausrichtung profitieren und die schon vor Jahren eingesetzte Strategie der kleineren Übernahmen in der Schweiz weiterverfolgen und entsprechend wachsen.

Kursverlauf der Burhalter-Aktie. Quelle: cash.ch

Swiss Life: Die erfolgsverwöhnte Aktie von Swiss Life steht seit rund drei Wochen unter Druck, zeigte aber in den letzten Tagen gewisse Erholungstendenzen. Der Halbjahresabschluss des Versicherers sorgte am Markt für milde Verstimmung - ganz unter dem Motto «gut ist nicht gut genug». Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 ist die Aktie im Branchenvergleich hoch bewertet. Aus Aktionärssicht ist bei Swiss Life insbesondere die Dividende interessant. Daher dürfte der Titel spätestens gegen Jahresende wieder anziehen.

Gefallene Schweizer Aktien - Mittleres Risiko

Givaudan: Börsenpuristen mögen argumentieren, Givaudan gehöre wegen des defensiven Geschäftsmodells in die Klasse der Tiefrisiko-Aktien. Der Titel ist in den letzten fünf Jahren aber verhältnismässig volatil geworden. Davon zeugt der Kursabfall von über 20 Prozent innerhalb der letzten zwölf Monate, was die Aktie auf den Stand von Dezember 2023 gedrückt hat. Der Aromen- und Duftstoffhersteller ist in den vergangenen zehn Quartalen in Folge indes stärker gewachsen als die Konkurrenz und wird dies wohl weiterhin tun. Der Titel zeigt seit rund drei Wochen Erholungstendenz.

Adecco: Das Konstante beim Personalvermittler an der Börse ist die Inkonstanz. Seit April 2021 geht es mit der Adecco-Aktie und einem stetigen Auf und Ab tendenziell abwärts. Seit Jahresbeginn hat sich die Aktie aber etwas stabilisiert, auch operativ hat das Unternehmen Tritt gefasst. Zuletzt hatten Jefferies und Morgan Stanley auch ihre Verkaufsempfehlungen für die Aktien aufgehoben.

Kursverlauf der Adecco-Aktie. Quelle: cash.ch

Skan: Mitte August brachen die Skan-Aktien unter dem Eindruck der Halbjahreszahlen rund 10 Prozent ein. Seit März 2024 beträgt der Verlust gar über 30 Prozent. Eigentlich profitiert der Hersteller von Isolatoren für die Pharmafertigung vom Trend zu injizierbaren Arzneien und vom Hype rund um Medikamente gegen Fettleibigkeit. Neuer Schwung könnte von Jonas Greutert kommen, der letzte Woche zum neuen CEO ab Januar 2026 bestimmt wurde. 

Gefallene Schweizer Aktien - Erhöhtes Risiko

LEM: Im Dezember 2021 erreichte die Aktie des Komponentenherstellers ein Rekordhoch von rund 2500 Franken, heute sind noch 499 Franken davon übrig. Die Aktie notiert damit auf einem 13-Jahrestief. Preisdruck in China, eine schwache Auslastung der Produktion und Wechselkursverluste belasten die Firma, die auf kurze Sicht auch nicht mit einer grundlegenden Verbesserung des Umfelds rechnet. Ein Argument für langfristig orientierte Investoren ist der globale Trend der Elektrifizierung, von dem LEM vermehrt profitieren könnte.

Leonteq: Die Fallhöhe der Leonteq-Aktie ist schwindelerregend: Von 76 Franken Anfang 2022 bis zum Allzeittief auf 14,30 Franken im April 2025. Von diesem Niveau hat sich die Aktie der Firma, die Ende 2012 unter dem Namen EFG Financial Products an die Börse ging, nicht mehr nachhaltig entfernt. Immerhin scheint bei der Marke von 16 Franken ein Boden gefunden zu sein. Investoren kritisierten zuletzt die ungenügende Kapitalausstattung und die hohen Ziele. In den nächsten zwölf bis 24 Monaten will der Derivatespezialist Massnahmen ergriffen, um die Profitabilität wiederherzustellen und gleichzeitig eine hohe Disziplin für regulatorische Anforderungen sicherzustellen.

Kursverlauf der Leonteq-Aktie. Quelle: cash.ch

V-Zug: Die Aktie des Haushaltsgeräteherstellers ist ein fallendes Messer schlechthin. Der Titel hat sich seit Juni im Wert fast halbiert. Und von den 146 Franken im Jahr 2021 sind nur noch 43 Franken übrig. V-Zug leidet unter dem schleppenden Baugeschäft in Europa. Zinssenkungen von Zentralbanken könnten hier Abhilfe schaffen. V-Zug befindet sich in einer Übergangsphase, meint CEO Christoph Kilian, im Amt seit April dieses Jahres. Umsatz und Profitabilität sollten sich bei V-Zug laut der Zürcher Kantonalbank (ZKB) mit kleinen Schritten verbessern.

Rieter: Die langfristige Aktienkursentwicklung von Rieter bietet ein Bild des Grauens. Der derzeitige Wert von etwas mehr als 50 Franken ist noch ein Zehntel davon, was die Aktie Anfang 2007 gekostet hat. Der Konzern bringt gerade noch mal 240 Millionen Franken auf die Börsenwaage (und damit rund 30 Millionen weniger als V-Zug). Konzernchef Thomas Oetterli, seit rund zwei Jahren im Amt, konnte das Steuer noch nicht herumreissen. Nun steht die Übernahme der Oerlikon-Tochter Barmag an. Um die damit verbundene Kapitalerhöhung erfolgreich über die Bühne zu bringen, braucht Reiter ein gutes zweites Halbjahr, so ein Experte der ZKB, der das ganze Vorhaben als «mutig» bezeichnet. Ebenso mutige Investoren setzen nach einer erfolgreichen Kapitalerhöhung und Barmag-Integration darauf, dass die Rieter-Kassen bei einem Aufschwung des Marktes wieder gefüllt werden.

Kursverlauf der Rieter-Aktie. Quelle: cash.ch

Daniel Hügli
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