In China ticken die Uhren bekanntlich anders: Während in der westlichen Welt der Gebrauch von Facebook, Google, Twitter, Instagram oder Youtube eine Selbstverständlichkeit ist, sind diese Internet-Dienste dortzulande allesamt der Zensur zum Opfer gefallen. Dieses Zugriffsverbot hat wiederum chinesischen Internetfirmen in den letzten Jahren zu einem starken Wachstum verholfen.
Kommt hinzu: Der chinesische E-Commerce-Markt gehört zu den weitentwickeltsten weltweit, mehr als 18 Prozent des chinesischen Einzelhandelsumsatzes entfallen inzwischen auf Online-Käufe - so viel wie sonst nirgendwo. Als wichtigste Verbrauchergruppe gelten dabei die "Millennials" - das sind Personen, die zwischen 1980 bis 2000 geboren sind und besonders internetaffin sind.
Kaufkräftige «Millenials» in China
Diese Generation zählt in China laut Angaben des britischen Asset Managers Aviva 415 Millionen Menschen, was mehr als die gesamte Erwerbsbevölkerung in USA und Westeuropa zusammen ist. Und ihr Einkommen dürfte in den nächsten zehn Jahren um 3 Billion Dollar ansteigen, schätzt die Credit Suisse.
Das ist die Ausgangslage, die chinesischen Technologiewerten ein auffallend hohes Gewinnwachstum beschert. "IT-Unternehmen übertreffen mit ihren Gewinnen selbst die optimistischsten Konsensschätzungen. Daher gehen wir davon aus, dass sich der Technologiesektor auch 2018 hervorragend entwickeln wird", erläutert Michael Lai, Investment Director bei GAM, in einer schriftlichen Analyse.
Die drei absoluten Tech-Giganten in China sind Baidu, Alibaba und Tencent und werden zusammengefasst auch BAT-Aktien genannt, in Anspielung auf die amerikanischen FANG-Aktien (bestehend aus Facebook, Amazon, Netflix und Google). Im Folgenden werden die BAT-Titel einzeln durchleuchtet (für Direktvergleich siehe auch Tabelle unten):
Baidu
In China dominiert die Suchmaschine Baidu bereits den Markt, gleichzeitig expandiert das Unternehmen immer mehr in andere Schwellenländer. Im Fokus stehen Emerging Markets in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, wobei die Marktdurchdringung ausserhalb Chinas noch sehr gering ist. Trotzdem gehört Baidu bereits zu den fünf weltweit am häufigsten aufgerufenen Webseiten. Firmengründer und Chef Robin Li ist in der Schweiz kaum jemandem ein Begriff, in China ist er jedoch ein grosser Star, wie das folgende Video zeigt.
Baidu CEO Robin Li and his daughter Brenda wish you a Happy #ChineseNewYear straight from the Baidu app! To say thank you to all of our users we’ve also prepared special Baidu gifts to add extra fun to the holiday. Roll on #YearOfTheDog #CNY2018 pic.twitter.com/rdlTbfGL8U
— Baidu Inc. (@Baidu_Inc) 15. Februar 2018
Ähnlich wie die amerikanischen Tech-Vorbilder ist auch Baidu zunehmend in anderen Geschäftsfeldern tätig: Baidu versucht sich etwa im Filmgeschäft, entwickelt eine Youtube-ähnliche Videoplattform oder ist auch im Bereich des autonomen Fahrens aktiv. Doch die neuen Geschäftsbereiche leisten noch keine signifikanten Gewinnbeiträge, sondern sind vielmehr ein Kostenfaktor.
Die Aktie ist in den letzten 12 Monaten um 34 Prozent angestiegen. Zweistellig ist derzeit auch das Wachstum des Unternehmens: Im ersten Quartal 2018 wird ein Anstieg der Erlöse zwischen 25 bis 32 Prozent erwartet. Gemäss Kurszielen von Analysten hat die Aktie bis Ende Jahr noch ein Aufwärtspotenzial von 6 Prozent, 60 Prozent aller Analysten empfehlen zum Kauf.
Alibaba
Chinas führender Online-Händler Alibaba fährt eine aggressive Wachstumsstrategie. Der Umsatz soll im Ende März endenden Geschäftsjahr um 55 Prozent wachsen, das ist mehr als ursprünglich erwartet. Und auch deutlich mehr als der amerikanische Konkurrent Amazon im vergangenen Jahr wuchs (+31 Prozent).
Alibaba betreibt auch das Online-Auktionshaus Taobao und mehrere Online-Bezahlsysteme. Ausserdem mischt der Konzern mit einem Börsenwert von 477 Milliarden Dollar auch im Cloud Computing mit, neu will man in Europa Fuss fassen. Allerdings ist die Konkurrenz mit Amazon, Microsoft, IBM und Google riesig. Auch ausserhalb des Internets ist Alibaba aktiv: Läden werden eröffnet und Investitionen in die Logistik getätigt.
Trotz Kursplus von 58 Prozent seit einem Jahr werden Alibaba weitere Kurshöhenflüge zugetraut: Ganze 96 Prozent aller abdeckenden Analysten empfehlen zum Kauf, das durchschnittliche Kurspotenzial zum aktuellen Kurs liegt bei plus 19 Prozent.
Tencent
Tencent ist kaum zu bremsen: An der Börse ist man mit plus 82 Prozent in den letzten 52 Wochen auf der Überholspur und nähert sich mit einer Marktkapitalisierung von 521 Milliarden Dollar mit grossen Schritten den Giganten Microsoft (Börsenkapitalisierung 722 Milliarden Dollar), Alphabet (768 Milliarden Dollar) oder Apple (903 Milliarden Dollar).
Die grösste und derzeit profitabelste chinesische Internet-Firma ist vor allem bekannt durch die Messaging-App WeChat und den Instant-Messaging-Service QQ. Doch der Tätigkeitsbereich ist noch viel grösser: Tencent mischt auch mit in den Bereichen Online-Spiele, Online-Bezahlen und Online-Werbung. Als strategisches Ziel sollen die Nutzer zentral mit Internet-Diensten für den Alltag aus einer Hand versorgt werden.
Der Zuspruch unter Analysten für die Tencent-Aktie ist fast schon beängstigend: 97 Prozent empfehlen ein Kauf. Doch mit einem geschätzten KGV 2018 von 51 ist die Aktie nicht mehr ganz günstig zu haben. Ausserdem läuft die Firma irgendwann Gefahr, Opfer des eigenen Erfolgs zu werden, da die Erwartungen an die künftigen Zahlen immer mehr ansteigen werden.