Europas Aktien rennen Amerika in diesem Jahr deutlich hinterher: Während der Stoxx Europe 600 – er beinhaltet die 600 grössten börsenkotierten Unternehmen Europas – seit Jahresbeginn 7 Prozent einbüsste, kann der amerikanische Dow Jones im gleichen Zeitraum 1 Prozent zulegen.
Allein in der vergangenen "Krisen-Woche" büsste Europas Aktienmarkt beinahe 4 Prozent ein. "Wenn es mit der Kursperformance nicht läuft, setze ich halt auf Dividenden", dürfte sich nun der eine oder andere Anleger sagen.
Und Europas Aktienmarkt ist bezüglich grosszügigen Dividendenzahlern durchaus gut ausgestattet. Gerade die jüngste Korrektur hat die Dividendenrenditen nochmals in die Höhe gedrückt. cash stellt fünf (Schweizer Anlegern überwiegend unbekannte) europäische Aktien mit ungewöhnlich hoher Dividendenrendite vor:
Endesa (Energieversorger, Spanien): Dividendenrendite 7,3 Prozent
Geht es um hohe Dividenden, dann mischen meist auch Energieversorger ganz vorne mit. So etwa Endesa aus Madrid, im Strom- und Gasgeschäft zuhause. Die Firma besitzt auf der iberischen Halbinsel (Spanien und Portugal) einen Marktanteil von rund 35 Prozent. Endesa hat stabile Einnahmen und eine relativ tiefe Verschuldung. Mehrheitsaktionär mit einem Anteil bei 70 Prozent ist der teilstaatliche Energieriese Enel aus Italien.
Und Enel-CEO Francesco Starace hält grosse Stücke auf die spanische Tochterfirma: "Es gibt bei Endesa eine Wachstumsstory, da auf der iberischen Halbinsel weniger nachhaltige Anbieter untergehen könnten", sagte er diesen April zur Nachrichtenagentur Reuters. Gleichzeitig dementierte er auch immer wieder auftauchende Gerüchte, wonach Enel Teile von Endesa an interessierte Anlagefonds abstossen werde. Auch wenn es an interessierten Käufern nicht mangele: "Jeden Herbst migrieren die Vögel, habe ich Geburtstag und klopfen Anlagefonds bei mir an, die Endesa kaufen wollen", so Starace mit einem Augenzwinkern.
Standard Life Aberdeen (Investmentfirma, Grossbritannien): Dividendenrendite 8,3 Prozent
Die 1825 gegründete Standard Life blickt auf beinahe 200 Jahre Erfahrung als Versicherungsgesellschaft zurück. Doch jüngst kam es zu massiven Umbrüchen: Im Jahr 2017 fusionierte man mit Aberdeen Asset Management und ist seit 2018 nun ausschliesslich eine Investmentgesellschaft. Der eigentliche Versicherungsteil inkl. rund 3‘500 Angestellten wurde diesen August an den britischen Lebensversicherer Phoenix veräussert. Standard Life Aberdeen hält knapp 20 Prozent der Phoenix-Aktien.
Vieles ist nun neu bei der Firma, und solche Umstellungen funktionieren nicht immer reibungsfrei. Im ersten Halbjahr kam es bei verschiedenen Fonds zu starken Abflüsssen. Das verunsichert auch die Börse: Die Aktie ist in diesem Jahr um über ein Drittel eingebrochen. Die hohe Dividende ist nicht in Stein gemeisselt, auch wenn sich die Firma damit rühmt, eine "progressive" Dividendenpolitik zu verfolgen. Kommt es zu einer Kürzung, dürfte die Aktie weiter fallen.
.@Breakingviews With nearly half of the cost savings from the merger captured, Standard Life Aberdeen can afford to spell out when it will ditch one of its two bosses https://t.co/MfGg1WSYMZ @Unmack1 pic.twitter.com/jZUp4VGLFw
— ReutersBreakingviews (@Breakingviews) 7. August 2018
Prosiebensat. 1 (Medienunternehmen, Deutschland): Dividendenrendite 8,6 Prozent
Die privaten Fernsehsender Pro Sieben und Sat 1 kennt in der deutschsprachigen Schweiz praktisch jeder. Die wenigsten hingegen dürften über ein Engagement bei der börsenkotierten Prosiebensat 1 Media nachgedacht haben. Rein strukturell dürften klassische TV-Angebote, wie sie Prosiebensat. 1 anbietet, über die nächsten Jahre an Bedeutung verlieren. Die UBS hat jüngst das Kursziel der Aktie von 24 auf 22,60 Euro gesenkt, was aber noch immer über dem aktuellen Kurs von 21,25 Euro liegt.
Für Aufsehen sorgte im März 2018 eine Short-Attacke: Das Analysehaus Viceroy Research warf Prosiebensat. 1 eine fragwürdige Bilanzierung vor und baute gleichzeitig hohe Short-Positionen auf. Der Münchner Medienkonzern bestritt die Vorwürfe stets vehement, gegen Viceroy läuft nun ein Verfahren wegen versuchter Marktmanipulation. Doch nichtsdestotrotz hat diese Episode Prosiebensat. 1 an der Börse zugesetzt: Seit Jahresbeginn verliert die Aktie 26 Prozent. Ein Kaufargument bleibt aber die grosszügige Dividendenpolitik: Jährlich wird 80 bis 90 Prozent des Konzernüberschusses an die Aktionäre ausbezahlt, derzeit kommt die Dividendenrendite auf schöne 8,6 Prozent.
Intesa Sanpaolo (Bank, Italien): Dividendenrendite 9,6 Prozent
Zugegeben, inmitten der drohenden Schuldenkrise in Italien auf ein Kreditinstitut aus Turin zu setzen, ist ein Spiel mit dem Feuer. Risikofreudige Investoren können es aber auch als Chance sehen: Durch die ganzen Sorgen um ein ausuferndes Staatsdefizit hat Intesa Sanpaolo mit minus 28 Prozent seit Jahresbeginn womöglich etwas zu stark korrigiert.
Denn operativ läuft es der Grossbank gar nicht so schlecht: Im ersten Halbjahr konnte der Gewinn um 11 Prozent gesteigert werden, das ist mehr als im Vorfeld erwartet wurde. Im Mai brüstete sich CEO Carlo Messina in der Börsen-Zeitung aus Deutschland damit, bezüglich Börsenwert mit den Schweizer Grossbanken mithalten zu können: "Wir haben bereits mit der Schweizer UBS gleichgezogen und die Credit Suisse übertroffen", sagte Messina. Inzwischen ist die UBS punkto Marktkapitalisierung Intesa Sanpaolo zwar wieder etwas davon gezogen (53 Mrd. Franken vs. 42 Mrd. Franken), doch dafür sind die Italiener dividendenmässig klar voraus (UBS: 4,6 Prozent; Intesa Sanpaolo: 9,6 Prozent).
Bpost (Postunternehmen, Belgien): 10,1 Prozent Dividendenrendite
Sehr ansehnliche 10,1 Prozent beträgt die Dividendenrendite des belgischen Postunternehmens Bpost, welches zu 51 Prozent dem Staat gehört. Die Firma hat über 27'000 Mitarbeiter und führt die traditionellen Aufgaben einer Post durch: Brief- und Paketversand. Die hohe Dividendenrendite hat mit einem starken Kursverlust im laufenden Jahr zu tun. Seit Mitte März hat sich der Wert der Aktie mehr als halbiert:
Entwicklung Aktienkurs Bpost seit Jahresbeginn, Quelle: cash.ch
Bpost hat in diesem Jahr operative Probleme, Analysten stören sich vor allem an den gestiegenen Kosten. Hauptgrund dafür ist eine teure Akquisition in den USA: Für 820 Millionen Dollar wurde der Paketdienst Radial gekauft. Künftig könnte Bpost dadurch die Expertise im E-Commerce-Bereich ausbauen. Aktuell wirkt Radial aber noch mehr wie ein Klotz am Bein: Der Gewinn für das Gesamtjahr 2018 dürfte tiefer als zunächst erwartet ausfallen. Immerhin haben sich Ängste einer Dividendenkürzung in Luft aufgelöst: Bpost gab im Rahmen der Zweitquartalszahlen bekannt, die Dividende "mindestens" auf Vorjahresniveau, sprich bei 1.31 Euro pro Aktie zu belassen.