Viele Langstreckenmaschinen stehen nach wie vor am Boden, was das Angebot an Frachtkapazität massiv einschränkt. Dennoch müssen weiterhin eilige Medizingüter und die neuesten Smartphones kreuz und quer durch die Welt verschickt werden. Schliesslich kaufen die Menschen trotz der Pandemie weiterhin ein - nur eben vielfach im Internet. Steigende Luftfrachtpreise sind die Folge und Experten schätzen, dass das so weitergeht, insbesondere mit Blick auf die Vorweihnachtszeit.

Die Güter, die auf dem globalen Förderband in 10'000 Metern Höhe bewegt werden, spiegeln den Verlauf der Pandemie wieder. Die anfänglichen Schutzmasken und Handschuhe sind Halbleitern und PC-Teilen gewichen, als die Menschen während des Lockdowns ihre Arbeitsplätze daheim einrichteten. Sobald ein Impfstoff gefunden ist, werden es wiederum die Fluggesellschaften sein, in deren gekühlten Frachträumen Milliarden von Ampullen über die Welt verteilen werden.

In normalen Zeiten fliegt etwa 60 Prozent der weltweiten Luftfracht im unteren Teil von Passagierflugzeugen mit. Aktuell sind jedoch hunderte Jets in der Wüste geparkt. Die Luftfrachtraten sind dadurch in die Höhe geschossen: die Preise von Hongkong nach Nordamerika etwa sind heute fast 70 Prozent höher als Anfang Januar.

Passagierkabinen als Frachtraum

Bei Qantas Airways war im Mai und Juni besonders viel Medizinfracht an Bord. "Was wir gesehen haben, waren riesige Mengen an leichten, aber sperrigen Gütern - Masken, Kittel, Handschuhe und dergleichen. Da begannen Fluggesellschaften, grosse Kisten einfach in die Passagierkabinen zu laden", sagte Nick McGlynn, Chief Customer Officer im Frachtbereich von Qantas.

Das hat sich mittlerweile normalisiert. Inzwischen fliegt Qantas grosse Mengen frischer Lebensmittel von Australien nach Asien, darunter Thunfisch nach Japan oder Forellen nach Hongkong. Auf dem Rückweg laden die Maschinen medizinische Güter, Autoteile und Elektronik oder Teile für Bergbaumaschinen von Caterpillar aus den USA.

Fiji Airways verdient sich derzeit etwas dazu mit dem Transport frischer Meeresfrüchte und dem Wurzelextrakt Kava, so Vorstandschef Andre Viljoen letzte Woche. Bloomberg Intelligence schätzt, die Beiladekapazität von Passagierflugzeugen wird nicht vor 2022 auf das Niveau von vor der Pandemie zurückkehren.

Einnahmen aus Frachtflügen steigen

United Airlines hat mittlerweile 5000 reine Frachtflüge durchgeführt und die entsprechenden Einnahmen stiegen im zweites Quartal um über ein Drittel auf 402 Millionen Dollar. American Airlines Group Inc. hatte 35 Jahren keine reinen Frachterdienst im Angebot. Diesen Monat schickt die Fluggesellschaft voraussichtlich mehr als 1000 Maschinen zu 32 Zielen in Lateinamerika, Europa und Asien.

In Asien erzielten Korean Air Lines und Asiana Airlines sogar Quartalsgewinne durch die Beladung von Maschinen mit Konsumelektronik und Komponenten. Emirates, die viertgrösste Fluggesellschaft im Frachtbereich, hat ihr Frachtnetz schnell hochgefahren von 50 Zielen im April auf 75 Mitte Mai und 100 im Juli.

Das Leiden geht weiter

Dennoch leidet die globalen Luftfahrt enorm, verliert Geld und entlässt zehntausende Mitarbeiter. Während das Frachtgeschäft der Deutschen Lufthansa im zweiten Quartal einen Rekordgewinn von 299 Millionen Euro erzielte, flog das Unternehmen insgesamt dennoch einen Verlust von 1,7 Milliarden Euro ein.

Trotzdem zählt in einem so schwierigen Umfeld jedes bisschen. Indonesiens Lion Mentari Airlines fliegt sogar Lebensmittelkonserven durch das Archipel.

"Da die Passagierzahlen so stark sinken, müssen wir andere Einnahmequellen finden," sagte Geschäftsführer Daniel Putut. Laut Qatar Airways dürften die Frachtraten noch mindestens 12 Monate ähnlich hoch bleiben. "Die Welt ist ein Dorf und Luftfracht ist die Hauptstrasse", sagte Guillaume Halleux, Chief Cargo Officer von Qatar. "Fluggesellschaften sind zur Lebensader der Welt geworden."

(Bloomberg)