Die jüngsten Verwerfungen an den Finanzmärkten hallen noch nach. Der Swiss Market Index tauchte bis am Montagabend in nur drei Handelstagen um über 3 Prozent. Beim amerikanischen Dow Jones betrug der Abschlag allein am Montag 2,9 Prozent. Am Dienstag setzte eine milde Gegenbewegung ein, die dem Schweizer Leitindex zwischenzeitlich zu einem leichten Plus verhalf.

Ist damit die Börsen-Korrektur bereits gegessen? Nein, meint Anastassios Frangulidis. "Kurzfristig kann ich für die Aktienmärkte keine Entwarnung geben", sagt der Chefstratege von Pictet Asset Management auf cash-Anfrage. Es handle sich aktuell bloss um eine taktische Gegenbewegung nach oben.

In der Vergangenheit habe man zwar häufig gesehen, dass es an den Aktienmärkten nach politischen Ereignissen nach einer kurzen Abwärtsbewegung wieder zu einer Erholung kam. Doch diesmal sei es etwas anders: "Die globale Konjunktur zeigt ohnehin schon eine Schwäche, was die tatsächliche Stimmungslage bei Investoren, Unternehmen und Konsumenten zusätzlich verschlechtert."

Handelskrieg wird giftiger

Ähnlich sieht es Peter Bänziger, Anlagechef von Belvalor. Er hält die Aktien kurzfristig zwar für "stark überverkauft", der Versuch einer Bodenbildung finde statt. Doch ob dies tatsächlich gelingt und es zu einer Erholung kommt, hänge schlussendlich von der politischen Front ab. Und hier sieht er wenig Erbauliches: "Der Handelskrieg hat sich in Richtung Währungskrieg verschärft, eine rasche Lösung zwischen USA und China zeichnet sich nicht ab", so Bänziger.

Der Handelsstreit zwischen China und USA hat in den letzten Tagen wieder Fahrt aufgenommen: Die USA kündete neue Strafzölle an und China wurde von den Amerikanern erstmals seit 25 Jahren wieder als Währungsmanipulator eingestuft.

US-Präsident Donald Trump wetterte deswegen am Montag auch auf Twitter gegen China: "China hat ihre Währung fast auf ein historisches Tief gesenkt. Das nennt man 'Währungsmanipulation'. Hörst du zu, Federal Reserve? Das ist ein schwerwiegender Verstoss, der China mit der Zeit stark schwächen wird!"

China auf der anderen Seite forderte ihre Staatsbetriebe auf, Agrarimporte aus den USA – darunter fallen etwa Weizen oder Sojabohnen – zu suspendieren. Die Stimmung zwischen den beiden Grossmächten kühlt sich immer deutlicher ab, die Angst vor einer Rezession nimmt  dadurch zu.

Vorsicht ist angebracht

Wie soll man sich in diesem unsicheren Umfeld verhalten? "Grundsätzlich sollten Anleger nicht in Panik verfallen und an ihrer Strategie festhalten", so Bänziger. Die derzeitigen Rücksetzer könnten aber dazu genutzt werden, um dosiert Qualitätsaktien mit guter Dividende zuzukaufen. "Ich denke da an Novartis, Roche oder Kühne + Nagel". Wer etwas mehr Risiken eingehen möchte, könne auch bei Swatch oder LafargeHolcim zugreifen.

Swatch hat in den letzten 52 Wochen an der Börse 39 Prozent eingebüsst, womit der Bieler Uhrenhersteller die schlechteste Performance im ganzen SMI aufweist. Verschiedene Analysten attestieren dem Titel Aufholpotenzial, jedoch wäre ein Ausufern des Handelskonflikts Gift für den stark in China und Hongkong verankerten Konzern. Auch der Zementriese LafargeHolcim ist in einem zyklischen Geschäft tätig und ist auf ein gutes globales Konjunkturumfeld angewiesen, weist aber zudem mit 4,3 Prozent eine attraktive Dividendenrendite auf.

Paul O'Connor, Head of Multi-Asset Investments bei Janus Henderson, ist noch vorsichtiger und rät Anlegern derzeit eher zum Verkauf von Aktien: "Die meisten Assetklassen weisen in diesem Jahr bereits eine starke Performance auf und die Visibilität der globalen Wirtschaftsaussichten ist unüblich tief", schreibt er in einem Kommentar. O'Connor sieht deshalb starke Anreize zu Gewinnmitnahmen bei risikoreichen Assetklassen und zu einem Rückzug, bis sich die Renditeaussichten wieder verbessern und der globale Ausblick wieder vorhersehbarer wird.

Auf die US-Notenbank schauen

Frangulidis von Pictet hingegen setzt auf Geduld. Anleger sollten gegenwärtig Aktien weder zu- noch verkaufen, solange sich die US-Notenbank nicht melde und ihren Kurs nicht ändere. "Es braucht eine klare Reaktion der US-Notenbank in der Form einer Ankündigung von aggressiveren Zinssenkungen, damit sich die Aktienmärkte wieder stabilisieren."

Anleger dürften deswegen in den nächsten Tagen und Wochen besonders genau auf Äusserungen von Vertretern der US-Notenbank schauen. In der Hoffnung, dass sie Bereitschaft signalisieren, die Zinsen weiter nach unten zu setzen, um der angeschlagenen Konjunktur zu neuem Schwung zu verhelfen. Der nächste Fed-Zinsentscheid wird dann am 18. September stattfinden.

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Fed-Chef Jerome Powell senkte Ende Juli die Leitzinsen zwar bereits um einen Viertelpunkt auf 2 bis 2,25 Prozent und hat somit bereits einen Richtungswechsel eingeschlagen. Er betonte damals aber auch, dass dies nicht der Beginn einer langen Reihe von Zinssenkungen darstelle - das missfiel vor allem Präsident Trump, der tiefere Zinsen will.

Marktteilnehmer hoffen nun, dass die Fed Trumps Forderung nach noch tieferen Zinsen nachkommt. "Die US-Notenbank wird das Kind schon schaukeln", zeigte sich ein Börsianer gegenüber AWP am Dienstag bereits wieder sehr zuversichtlich. Gleichzeitig sprachen einige Händler davon, dass viele Aktien stark korrigierten und durchaus wieder kaufenswert seien. Nicht alle Marktteilnehmer teilen diese neue Zuversicht.