Die Aktien des Schweizer Logistikunternehmens Kühne+Nagel verlieren auf Jahresfrist fast 38 Prozent auf 171 Franken. Einziger Wermutstropfen: In den letzten vier Wochen konnte sich der Titel auf dem tiefen Preisniveau stabilisieren und tendiert nun mehr seitwärts.
Anfang Jahr herrschte unter den Analysten noch die Meinung vor, der Logistiker sei dank seiner ausgeklügelten Transportdienstleistungen mit einer globalen Flotte an Fahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen gut positioniert, um von den Wirren der «Trumpschen» Zollpolitik zu profitieren. Die Zahlen zum zweiten Quartal vor Wochenfrist zeigten dann allerdings das Gegenteil. Die Nachrichtenagentur AWP betonte, die Zollkeule von US-Präsident Donald Trump habe «den Gewinn von Kühne+Nagel in die Tiefe geprügelt». Vor allem der schwache Dollar zog das Ergebnis des Logistikkonzerns nach unten. Zudem kostete eine Steueraffäre in Italien eine Stange Geld.
Von Citigroup bis UBS hagelte es in den letzten vier Tagen Kurszielreduktionen. Die UBS senkte das Kursziel auf 179 von 182 Franken, JPMorgan auf 155 von 170 Franken, Morgan Stanley auf 192 von 204 Franken und Citi blieb seiner pessimistischen Einschätzung treu mit einem Kursziel von 127 nach 136 Franken. Von diesen vier Banken stuft die UBS die Valoren mit «Hold» ein, die drei amerikanischen Investmentbanken mit «Sell».
Überverkaufter Titel mit Turnaround-Potenzial
Das Umfeld für Transport- und Logistikunternehmen ist neben Kühne+Nagel auch für den deutschen Konkurrenten Hapag-Lloyd harsch - deren Titel gaben seit Jahresbeginn um 20 Prozent nach. Es geht allerdings auch anders: Der weltweit grösste Frachtlogistiker AP Møller-Mærsk wartet mit einer unveränderten Kursentwicklung seit Jahresbeginn auf. Dies ist auf den besseren Mix bei der Fracht zurückzuführen. Bei Kühne+Nagel beträgt der Anteil der Seefracht 36 Prozent, bei AP Møller-Mærsk 66 Prozent und bei Hapag-Lloyd mehr als 90 Prozent.
Ganz abzuschreiben ist Kühne+Nagel nicht und es ergibt wenig Sinn, nach dem Kursrückgang der letzten Monate den Titel ganz aus dem Depot zu kippen. Sebastian Vogel von der UBS schrieb in einem Kommentar vom Mittwoch zwar, er erwarte nur wenig Rückenwind für die Seelogistik. Darüber hinaus blieben die makroökonomischen Wachstumsaussichten anspruchsvoll. Angesichts der voraussichtlich gedämpften kurzfristigen Umsatzerlöse und damit auch der Rohertragsaussichten rechnet Vogel von der UBS zudem nur mit begrenztem Potenzial für die Konversationsrate durch den operativen Leverage. Vor diesem Hintergrund werde die Relevanz der Kostenfokussierung des Unternehmens hervorgehoben. Diese bewertet UBS-Experte grundsätzlich als positiv und hält am Rating «Hold» fest.
SMI-Verbleib immer unwahrscheinlicher
Seit der Abspaltung von Amrize von Holcim sind 21 Titel im SMI vertreten. Ein Unternehmen muss den SMI im September verlassen. Potenziell sind insgesamt fünf Unternehmen gefährdet: Logitech, Sonova, Geberit und mit Kühne+Nagel der «Aufsteiger» von 2023 als Ersatz für die Credit Suisse sowie der jetzige Neuling Amrize.
«Insgesamt ist Kühne+Nagel am stärksten gefährdet», meinte ein Experte, der anonym bleiben wollte, gegenüber cash.ch hier. Die Aktie von Kühne+Nagel liege bei der Marktkapitalisierung auf dem letzten Platz und beim Handelsvolumen auf dem vorletzten, so die Begründung.
Ist ein Unternehmen im SMI vertreten, führt das zu zusätzlicher Nachfrage durch ETFs und Anlagefonds. Fliegt ein Unternehmen aus dem SMI, verschwindet es meist aber nicht aus der Landschaft bei den wichtigsten Schweizer Börsenindizes. Sollte Kühne+Nagel aus dem SMI gekippt werden, so dürfte dem Unternehmen die Aufnahme in den SMIM - das letzte M steht für Mid Cap - auf sicher sein. Der SMIM ist ebenfalls ein wichtiger Benchmark für ETFs und Anlagefonds.