Die Richemont-Aktie hat seit Anfang Jahr über 14 Prozent verloren. 2021, mit 72 Prozent Kursplus, war der Luxusgüterkonzern die beste SMI-Aktie des Jahres. Die jetzige Bösenmisere ist symptomatisch für die Branche. Der "MSCI Europe Textiles Apparel & Luxury Goods" Index hat dieses Jahr nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit Kurssteigerungen schon 14 Prozent verloren.

Der Lederwaren- und Accessoires-Konzern Hermès wiederum hat 21 Prozent verloren, nach einem Kursplus von 75 Prozent im vergangenen Jahr. Der Wertverlust der LVMH-Aktie hat dazu geführt, dass das französische Highend-Marken-Konglomerat nicht mehr das grösste Unternehmen Europas ist. Wie Bloomberg schreibt, ist dies nun Nestlé

Wenig Russland-Geschäft, aber trotzdem von Kriegsfolgen betroffen

Schon die Ankündigung von Zinserhöhungen durch die US-Zentralbank Fed im Januar hat Verkäufe bei den relativ hoch bewerteten Luxusgüter-Aktien ausgelöst. Der Ukraine-Konflikt hat weitere Unsicherheit mit sich gebracht. Die Bewertungsprämie der Gruppe dieser Aktien beläuft sich nun auf 60 Prozent, was unter dem Fünf-Jahres-Schnitt liegt. 

Das Russland-Geschäft ist für die Luxusgüter-Unternehmen zwar über alles gesehen unbedeutend. Das seit dem Angriff auf die Ukraine massiv sanktionierte Land stand für weniger als ein Prozent der Umsätze, wie UBS-Analystin Zuzanna Pusz schreibt. Doch Folgeeffekte des Krieges könnte die Branche dennoch belasten, denn der Gesamtzustand der Weltwirtschaft hat einen Einfluss auf die Bereitschaft von Konsumentinnen und Konsumenten, teure Gegenstände wie Uhren, Handtaschen oder Markenmode zu kaufen. Das Konsumentenvertrauen erleide bei einem Krieg immer einen Dämpfer, schreibt John Plassard von Vermögensverwalter Mirabaud: "Ich bin mir deswegen nicht sicher, ob die Luxus-Stocks kurzfristig zurückkommen werden."

Der Krieg wirkt sich aber auch in der Schmuckbranche aus und rückt eine Marke wie Cartier in den Mittelpunkt, die zum Genfer Richemont-Konzern gehört. Im Diamantengeschäft ist Cartier abhängig von Russland respektive dem dortigen Staatskonzern Alrosa. Morningstar-Analystin Jelena Sokolova erinnert daran, dass Russland rund ein Drittel der Diamanten liefert, die weltweit gehandelt werden. Barclays merkt an, dass der Verlust des Russland-Geschäfts Richemont 2,5 Prozent Umsatz kosten könnte.

Ein weiteres Risiko ist allerdings auch China. Ein Krieg in Europa treibt die Luxusgüterbranche noch stärker in die Arme des grössten Marktes in Asien. Das Regime in Peking zeigt aber in wechselnder Intensität Argwohn für die Zuschaustellung von Reichtum, und eine propagierte Abwendung von westlichen Marken könnte es durchaus gegeben. Dazu kommt das konjunkturelle Risiko von neuen Corona-Lockdowns. Die Pandemie breitet sich in China wieder stark aus und führt zu massiven Restriktionen in bestimmten Gegenden. 

 Umsatzanteil
Russland und
Ukraine
China-Exposure*Kurs-Gewinn-
Verhältnis
Upside zum
durchschn.
Kursziel
LVMH1 Prozent35 Prozent2030 Prozent
Kering1 Prozent38 Prozent1635 Prozent
Hermès2 Prozent47 Prozent4011 Prozent
Richemont2 Prozent45 Prozent19 34 Prozent
Swatch2 Prozent42 Prozent1330 Prozent
Burberry1 Prozent51 Prozent1628 Prozent
Hugo Boss3 Prozent20 Prozent1525 Prozent
Moncler2 Prozent44 Prozent2330 Prozent
Ferragamo1 Prozent38 Prozent2712 Prozent
Tod's1 Prozent31 Prozent3314 Prozent
MSCI Europe
Luxury
  2029 Prozent

*oder Asien ohne Japan / Daten: Bloomberg, Bank of America.

Das "Worst-Case-Szenario" wäre aber, wenn sich China im Ukraine-Krieg offen an die Seite Russlands stellen würde, was zu westlichen Sanktionen führen könnte. Bernstein-Analyst fürchtet dies in einem Markt, der zehn Mal grösser sei als Russland und die Ukraine zusammengenommen. China verhält sich ambivalent: Es beteuert zwar, sich für eine Deeskalation in der Ukraine einzusetzen, weigert sich aber auch, Russland für den Angriff und die Kriegsführung im westlichen Nachbarland zu verurteilen. 

«Defensives Profil und tiefe Bewertung»

Allerdings sind nicht alle Branchenexperten pessimistisch. Bryan Garnier hat Hermès kürzlich zur Kauf-Empfehlung heraufgestuft. Die Investmentbank attestiert dem französischen Traditionsunternehmen ein "sehr defensives" Profil. Luxusgüterunternehmen seien in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten besser positioniert als die Anbieter günstiger Kleidung und Produkte: Wohlhabendere Schichten können länger an ihren Konsumgewohnheiten festhalten als Durchschnitts- oder Geringverdienende. Dies ist nicht gleich gut für alle Aktien: Swatch mit Marken im mittleren Preissegment, so schreibt Barclays, habe eine schwächere Preissetzungsmacht als Anbieter mit ganz teuren Marken. 

Morningstar-Analystin Sokolova schreibt: "Für mich ist der Sektor kein 'strong sell' mehr, wobei auch noch kein 'buy'".  Analysten der Bank of America wie Ashley Wallace sagen hingegen aus, sie seien "sehr bullish" beim Sektor und sie empfehlen LVMH und Richemont besonders. Richemont verfüge über eine starke Preissetzungsmacht, Rückenwind durch die Währungsentwicklung sowie ein auf 19 zurückgefallenes Kurs-Gewinn-Verhältnis, ein Level, das in den vergangenen sechs Jahren nur zwei Mal erreicht worden sei. 

Der entscheidende Punkt sei aber, zu erkennen, was die passende Bewertung der Luxus-Aktien sei, sagt Gilles Guibout, der Leiter Europa-Aktien bei Axa Investment Managers. "Investoren sollten nicht in den Rückspiegel schauen, nur zum festzustellen, dass diese Aktien 20 Prozent verloren hätten. Ein klares Signal zum Zukaufen ist dies eher nicht. 

(Bloomberg/cash)